Zurueck zum Beitrag Wie steht es mit der paritätischen Mitbestimmung in Unternehmen ? -  Wird der erfolgreiche Einsatz für mehr Demokratie in der Wirtschaft auch gewürdigt ?

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"Feindliche Übernahmen" durch paritätische Mitbestimmung verhindert.

Bei der neuen Salzgitter AG war die Erneuerung der paritätichen (Montan-) Mitbestimmung gelungen.

Einleitung
Zur Globalisierung macht sich der Turbokapitalismus stark. Fusionen reihen sich an Fusionen. Wo das viele Geld ist, steigen die Preise für Aktien. Man kann dies auch als eine Inflation bezeichnen, da das Geld ja nicht produktiv angelegt, sondern sich in Anteilscheinen wiederfindet, hinter denen meist kein steigender Wert, sondern nur der Gedanke steht, dies könnte immer so weitergehen.

Es werden also damit in der Regel keine Werte geschaffen, sondern bestehende Firmenanteile "verscherbelt", wobei wenig Rücksicht auf die betroffenen Arbeitnehmer genommen wird.

Da ist es schon ein kleines Wunder, dass sich das zweitgrösste deutsche Stahlunternehmen diesem allgemeinen wirtschaftlichen Trend entziehen und dabei noch eine paritätische Mitbestimmung nicht nur erhalten, sondern auch noch verbessern kann.

Die Ereignisse bei der neuen Salzgitter AG Stahl und Technologie zeigen aber auch, dass nur mit einer paritätischen Mitbestimmung der Konzentrationsprozess mit seinen Folgen für eine ausgleichende Wirtschaftspolitik im Sinne einer  S o z i a l e n  Marktwirtschaft  verhindert werden könnte.

Leider scheinen aber unsere Politiker,  ja  sogar viele Gewerkschaftler, diese Problematik nicht zu durchschauen. Es genügt nicht, ( wie es Gerhard Schröder versucht ) von Fall zu Fall einzugreifen. Es muss ein paritätisches Mitbestimmungsgesetz zumindest von den Gewerkschaften gefordert werden , und sei es auch nur auf europäischer Ebene. Diese Option muss offen gehalten werden.

Dieser Bericht soll etwas darüber aufklären, wobei mir klar ist, dass die junge Generation in ihrer Mehrheit lange Zeit  nichts mehr von paritätischer Mitbestimmung gehört hat.

Vor 10 Jahren habe ich versucht, diese Entwicklung als kritischer Aktionär mitzugestalten, aber dann nur noch mit Sympathie verfolgt.

Von der alten zur neuen Salzgitter AG.

Die alte Salzgitter AG war ein bundeseignes Unternehmen der Montanindustrie gewesen mit Montanmitbestimmung, d.h. mit paritätischer Besetzung von Kapital- und Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat + einem von beiden Seiten nominierten sog. "neutralen Mann".

Ende 1989 wurde das Bundesunternehmen im Rahmen der Privatisierung von der bereits in den 50- er Jahren privatisierten PREUSSAG AG übernommen und verlor dabei seine Montanmitbestimmung. Aus dem Erlös wurde die Bundesstiftung für Umweltschutz gebildet ( http://www.umweltschutz.de/ ).

Widerstand gab es damals vor Ort, Diskussionen darüber im niedersächsischen Landtag und im Deutschen Bundestag. Als kritischer Aktionär stellte ich einen Gegenantrag in der a. o. Hauptversammlung der Preussag AG ( vergl. Anlage 1 : Bericht des "Westfalenblatts" (Bielefeld) vom 07.12.1989 ).

Als einen der wesentlichen Punkte der Gesamtübernahme durch die Preussag AG sah ich den Wegfall der Montan- Mitbestimmung an, die ich sowohl auf der a.o. Hauptversammlung der PREUSSAG AG am 18.12.1989 als auch auf ihren darauf folgenden ordentlichen HV, zuletzt am 15.05.1991 verteidigte ( vergl. Anlage 2 : Protokollauszüge der a. o. HV vom 18.12.1989 und Anlage 3 : Berichte des "express" (Offenbach) vom 13.09.1991 ), allerdimgs ohne Erfolg.

Auch Klagen des DGB und der zuständigen Gewerkschaften waren erfolglos. Die Montanmitbestimmung existierte nur noch bei der rechtlich selbständigen Stahlwerke Peine- Salzgitter AG, die als ehemalige Tochter der Salzgitter AG in die Preussag AG fast mit 100 % Anteilen überging, wo die paritätische Mitbestimmung allerdings wegen der Beherrschung durch die Konzernmutter nicht mehr voll zum Zuge kam.

Dieser Fall wurde auch von der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen ( AfA ) in der SPD diskutiert. Dabei wurde die unrühmliche Rolle, die dabei die WestLB ( insbesondere ihr Vorstandssprecher und Aufsichtsratsvorsitzender der PREUSSAG AG Friedel Neuber ) gespielt hatten, erwähnt. Ein von mir über meinen damaligen SPD- Ortsverein Höxter und die ostwestfälische AfA initierter Antrag, der die Verteidigung der Montanmitbestimmung beinhaltete, fand schließlich Ende 1993 die Unterstützung des SPD- Bundesparteitages ( vergl. Anlage 4 ), wenn auch dabei der Hinweis auf die Situation der Salzgitter AG gestrichen wurde.

In der Folgezeit habe ich danm als Aktionär der Preussag AG und der Stahlwerke Peine-Salzgitter AG ( später : Preussag Stahl AG ) interessiert die weitere Entwicklung verfolgt. ( siehe auch Anlage 5 : Historie der Stahlwerke Peine Salzgitter AG ).

Ab Ende 1997 verhandelte die Preussag AG mit verschiedenen ausländischen Investoren, um sich im Rahmen einer Umstrukturierung ihres Konzernbereiches von ihrem Stahlbereich, d. h. der "Preussag Stahl AG", zu trennen.

Daraufhin gab es Proteste der Belegschaft der Preussag Stahl AG gegen den Verkauf ihres Unternehmens ( vergl. Anlage 6 : FR 19.11.97 "Preussag Stahl - Betriebsrat denkt über Proteste nach" ).

Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder bot den Stahlwerkern seine Hilfe an : ( vergl. Anlage 7 : FR vom 25.11.97 : Preussag : Schröder plädiert für selbständige Stahlfirma )

In der Folge gab es dann Verhandlungen mit

- einem britischen Stahlunternehmen British Steel, und

- dem österreichischen Staatsunternehmen Voest Alpine.

Schröder machte seine Versprechungen wahr und das Land Niedersachsen mit Hilfe der NordLB kaufte der Preussag AG ihre Stahltocher Preussag Stahl AG für gut 1 Milliarde DM ab. (vergl.

Anlage 8 : Frankfurter Rundschau vom 10.01.98 : Preussag - "Niedersachsen steigt bei Stahl-Tochter ein",

Anlage 9 : Frankfurter Rundschau vom 12.01.98 "Den Wahltermin vor Augen, rettet Schröder Preussag - Grüne führen "Stahlnotrettungsaktion" des niedersächsischen Landeschefs auf Erpressung durch Genossen zurück" von Dietmar Ostermann (Hannover),

Anlage 10 : Debatte über den Verkauf  der Preussag Stahl  an das Land Niedersachsen  im Deutschen Bundestag  am  Nittwoch, den  04. 02. 1998

Anlage 11 : FR vom 06.02.1998 "Preussag kassiert für Stahltochter gut eine Milliarde - Niedersachsen übernimmt Firma in Etappen / Börsengang geplant / Gewinn wächst kräftig ,

Anlage 12 : FR vom 12.02.1998 "Kommentar : So nicht, Herr Schröder" )

Das nunmehr wieder vollständig selbständige Stahlunternehmen übernimmt wieder den alten Namen Salzgitter AG Stahl und Technologie.

Im Juni 1998 placierten das Land Niedersachsen und die NordLB 60 % der Aktien der neuen Salzgitter AG an der Börse. Der Ausgabekurs war 23,-- DM je 5,-- DM Aktie. Er stieg zwischenzeitlich auf 24,-- DM ( vergl.

Anlage 13 : Frankfurter Rundschau vom 03.06.98 : "Salzgitter starten mit 24 Mark"

Anlage 14 : Frankfurter Rundschau vom 18.07.98 "Salzgitter - Vorstand rechnet mit mehr Gewinn" ).

Weil der Aktienkurs aber anschließend stetig fiel, kaufte die NordLB rund 28 Prozent der Anteile wieder zurück. Niedersachsen will seine Sperrminorität für fünf bis sieben Jahre behalten .

Das Fusionsfieber hält aber weiter an

Anfang 1999 will das luxemburgische Stahlunternehmen Arbed die neue Salzgitter AG übernehmen.

( vergl. Anlage 15 : Oberhessische Zeitung (Alsfeld) vom 12.02.1999 : "Luxemburgische Arbed will bei Salzgitter einsteigen - Stahlriese und NordLB bestätigen Verhandlungen - Neuer Großkonzern wäre drittgrößter Stahlproduzent der Welt" ).

Jetzt kommt die paritätische Montanmitbestimmung zum Zuge

Wiederum wehrte sich die Belegschaft. Die Arbeitnehmerseite hatte dem Vorstandsvorsitzenden Selenz vorgeworfen, er habe die Verhandlungen mit der Arbed bis zu unterschriftsreifen Verträgen vorangetrieben, ohne die Belegschaft in die Gespräche einzuweihen. Hinter den Kulissen war es daraufhin zu einem Tauziehen zwischen den Anteilseignern, dem Land Niedersachsen und der NordLB, sowie den Arbeitnehmervertretern um den Vorstandschef gekommen. Dieser trat daraufhin zurück.

( vergl. Anlage 16 : Oberhessische Zeitung vom 06.03.1999 : Wirtschaft : Salzgitter-Chef wirft Handtuch - Selenz kommt möglicher Abwahl zuvor - Glogowski: Gut für das Unternehmen" ).

Die Selbständigkeit der Salzgitter AG soll nach diesen Turbelenzen nun doch auf Dauer erhalten bleiben, was von dem neuen Vorstandschef Wolfgang Leese und Aufsichtsratsvorsitzenden Wilfried Lochte bestätigt wird.

( vergl. Anlage 17 :Frankfurter Rundschau vom 01.02.2000 : WIRTSCHAFT : "Salzgitter pocht auf seine Selbständigkeit - Neuer Vorstandschef verfolgt Doppelstrategie mit kleineren Käufen und internem Wachstum" ).

Zur Zeit befinden sich 25,1 % der Anteile in der Hand des Landes Niedersachsen. 40 % hält die NordLB. Der Stahlkonzern selbst will aber 10 % zurückkaufen. Die NordLB will aber ihren relativ hohen Anteil verringern und dabei ihren Aktienbestand zumindest teilweise wieder abgeben.

(vergl. Anlage 18 : Oberhessische Zeitung (Alsfeld) vom 19.02.2000 : Salzgitter AG rüstet für Zukäufe - Aktienrückkauf")

Warum wird aber die paritätische Montanmitbestimmung unter den Tisch gekehrt ?

Fast unbemerkt von der Oeffentlichkeit wird Arbeitnehmermitbestimmung im betrieblichen Bereich ( Betriebsverfassungsgesetz ) und im Unternehmensbereich (  = Zusammensetzung des Aufsichtsrates ) in Stiftungen beraten ( vergl. Anlage 19 :  "Was wird jetzt aus den Mitbestimmungsrechten der Unternehmer" ).

Danach sollen Gewerkschaftsvorsitzende, voran der DGB- Vorsitzende Schulte,  Vorstellungen aus dem Bertelsmann/Boeckler- Bericht unterschrieben haben, die "die Option der demokratischen Umwandlung der Gesellschaft, wie sie die deutsche Mitbestimmungsdiskussion der Nachkriegszeit geprägt habe, endgültig und vollständig aufgeben".

Hier handelt es sich wohl um die paritaetische Mitbestimmung, die 1951 die IG Metall mit Streikandrohung in der Montanindustrie durchgesetzt hatte ( sog. Montanmitbestimmung ).

Wenn das so ist, kann ich das verstehen, was ich auf der letzten Hauptversammlung (HV) der Salzgitter AG Stahl und Technologie am 15.03.2000 erlebt habe.

Das zweitgroesste deutsche Stahlunternehmen hatte Anfang 1998 vor den niedersaechsischen Landtagswahlen durch eine Intervention von Gerhard Schroeder seine Selbstaendigkeit aus dem Preussag- Konzern heraus erlangt und damit die volle Montanmitbestimmung seiner 1. Mutter ( alte Salzgitter AG ) wieder bekommen. Nur so war es Anfang 1999 aus eigener Kraft seiner Belegschaft moeglich, eine Fusion mit der luxemburgischen Arbed zu verhindern ( siehe oben ).

Trotzdem konnte mir im Vorfeld der Hauptversammlung niemand der zahlreich vorhandenen Informationskraefte Auskunft erteilen. Einer Juristin musste ich erst erklaeren, dass zwischen der Mitbestimmung einer Tochtergesellschaft und einer Konzernmutter ein Unterschied ist.

Weder im aktuellen Geschaeftsbericht noch in der Satzung war etwas von der Montanmitbestimmung zu lesen.

In der Satzung der Salzgitter AG fehlt nicht nur der Hinweis auf das Montanmitbestimmungsgesetz, sondern auch der genaue Ablauf der Aufsichtsratwahlen, der hier ja in 3 Etappen vor sich geht:

- Wahl der Arbeitnehmervertreter durch Belegschaft und Gewerkschaften,

- Wahl der Arbeitgebervertreter durch die Aktionaere in der HV,

- Wahl des neutralen Mannes durch beide Seiten.

Lediglich  bei der Beschlussfassung des Aufsichtsrats ist in der Satzung der Salzgitter AG auf Gesetz ( oder Satzung ) verwiesen. ( vergl. Anlage 20 : Auszug aus der Satzung der Salzgitter AG Stahl und Technologie : Bestimmungen über den Aufsichtsrat )

Nur auf der Tagesordnung der HV war bei der Wahl des neutralen Mannes auf das MontanmitbestGes verwiesen.. ( vergl. Anlage 21 : Auszug aus der Tagesordnung der HV der Salzgitter AG Stahl und Technologie : Wahl des neutralen Mannes bei der paritätischen Montanmitbestimmung )

Da ich aus meinen frueheren Aktivitaeten als kritischer Aktionaer die Entwicklung dieses Unternehmens kannte, war mir schon immer aufgefallen, dass ich in keinem der Zeitungsberichte der beiden letzten Jahre ( siehe oben ) einen Hinweis auf die Montan- Mitbestimmung fand.

Auf der HV der Salzgitter AG Stahl und Technologie habe ich diese Thematik angesprochen ( vergl. Anlage 22: Mein Redebeitrag auf der HV ), bekam aber hier auch nur ausweichende Antworten. Z. B. wurde vom Vorstand darauf verwiesen, dass man nun als volles selbständiges Unternehmen zu Tarifverhandlungen eingeladen werde.