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Frankfurter Rundschau vom 01.02.2000

WIRTSCHAFT

Salzgitter pocht auf seine Selbständigkeit

Neuer Vorstandschef verfolgt Doppelstrategie mit kleineren Käufen und internem Wachstum

SALZGITTER (dpa). Der Stahlkonzern Salzgitter will dem Trend zu immer größeren Einheiten auf dem Weltmarkt widerstehen. Nach einem Rückgang im Geschäftsjahr 1998/99, das am 30. September endete, soll sich der Umsatz innerhalb weniger Jahre verdoppeln. Denkbar seien allerdings Kooperationen, die die Selbständigkeit nicht gefährden, betonen Management und Aufsichtsrat. Nach den Worten des neuen Vorstandchefs Wolfgang Leese ist der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller gut positioniert und habe erhebliches Wachstumspotenzial. Dies gelte auch für die Belegschaft, die aus 12 500 Beschäftigen besteht, Leese ist vom heutigen Dienstag an offiziell im Amt. Der 53 Jahre alte bisherige Chef der Thyssen-Krupp-Tochter Nirosta hat in Salzgitter die Nachfolger von Hans-Joachim Selenz angetreten. Dieser war im vorigen März nach Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich eines Zusammenschlusses mit dem luxemburgischen Stahlkonzern Arbed zurückgetreten.

Solche Fusionspläne würden künftig nicht wiederbelebt. Offen bleibe man aber für Kooperationen, die die Entscheidungsgewalt in Salzgitter lassen, sagte Aufsichtsratsvorsitzender Wilfried Lochte. Die Kritik an der Beteiligung Niedersachsens von 25,1 Prozent an dem Unternehmen wies er zurück. Das Land werde nur für eine Übergangszeit engagiert sein. Um die Unabhängigkeit des Konzern zu sichern, sind die Weichen laut Lochte auf Expansion gestellt. Im abgelaufenen Jahr war vor allem wegen der gesunkenen Stahlpreise der Umsatz um 15 Prozent auf 5,3 Milliarden Mark geschrumpft. Das Betriebsergebnis knickte um zwei Drittel auf 97 Millionen Mark ein, und der Reingewinn gab um die gleiche Rate auf 50 Millionen Mark nach. Die erzeugte Menge Rohstahl ging um vier Prozent auf 4,7 Millionen Tonnen zurück.

Wegen der niedrigeren Erträge wird auch die Dividende um 50 Pfennig auf 1,25 Mark je Aktie gesenkt. Nach Angaben des Vorstandes ist bereits in drei bis vier Jahren ein Umsatz „von acht bis neun Milliarden Mark" geplant. Dazu sollen Akquisitionen kleinerer Unternehmen mehr als zwei Milliarden Mark beisteuern. So gut wie perfekt ist der Kauf der Firma Hoesch Spundwand und Profil (Dortmund) von Thyssen Krupp Stahl. 500 bis 600 Millionen Mark Umsatzplus werde Salzgitter durch eigenes Wachstum schaffen, prognostiziert Vorstandsvize Günter Geisler. Die aktuelle Investitionsplanung umfasst einen Betrag von 1,2 Milliarden Mark.

In den beiden nächsten Jahren erwartet der Vorstand eine spürbare Belebung der Stahlkonjunktur in Europa. Der Umsatz stieg im ersten Quartal des neuen Geschäftsturnus um 14 Prozent, die Rohstahlerzeugung um 19 Prozent. Für die gesamte Rechnungsperiode strebt Salzgitter eine Rekordproduktion von fünf Millionen Tonnen an.