Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.
Haltung der Bundesregierung zur Übernahme von 51 % des Aktienkapitals
der Preussag Stahl AG durch das Land Niedersachsen
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten
Walter Hirche.
Walter Hirche (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ein kurzer Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigt, wie man Arbeitsplätze
schaffen kann: Steuern senken, Lohnzusatzkosten senken. Genau diese Beschlüsse
hat die Koalition hier im Bundestag gefaßt. Die SPD hat im Bundesrat
diese Beschlüsse blockiert und damit eine mögliche Erholung des
Arbeitsmarktes verhindert.
(Otto Schily [SPD]: "Haltet den Dieb!")
Jetzt, meine Damen und Herren, wird das Tempo beim Marsch in die falsche
Richtung noch beschleunigt. Ministerpräsident Schröder will Steuergelder
einsetzen, um Preussag Stahl rückzuverstaatlichen. Statt weniger Staat
-- wie bei unseren Nachbarn im Interesse von mehr Arbeitsplätzen --
neuer Staatsinterventionismus, garniert mit falschen Argumenten. Es lag
kein Notfall vor, und Arbeitsplätze waren nie in Gefahr. Das räumt
inzwischen sogar der Sprecher der niedersächsischen Landesregierung
ein. Es wird aber behauptet, nur durch Rückverstaatlichung könne
Standortsicherung betrieben werden. Ausländische Unternehmen in Deutschland
-- das sei der Ausverkauf der Region.
Herr Schröder treibt mit der verständlichen Angst von Arbeitnehmern
vor einer unsicheren Zukunft Schindluder. Ein Verkauf, genauer gesagt:
eine strategische Allianz des Preussag-Konzerns auf dem Stahlsektor mit
British Steel oder Voest Alpine wäre auf jeden Fall eine bessere Sicherung
der Arbeitsplätze als das, was jetzt in Niedersachsen betrieben wird.
Meine Damen und Herren, deutsche Produkte brauchen die Weltmärkte.
Unser Wohlstand liegt im Exporterfolg, gegründet auf Fleiß und
Intelligenz unserer Arbeitnehmer. Es ist ein gefährliches Spiel mit
dem langfristigen Wohlstand unserer Gesellschaft, ausländischen Unternehmen,
die sich in Deutschland engagieren wollen, zuzurufen: Weg hier! Das klingt
fast so wie das "Abschieben -- ruck, zuck!" des niedersächsischen
Ministerpräsidenten bei einer anderen Gelegenheit. Was sollen eigentlich
die Stahlinvestoren aus Italien, Belgien, der Slowakei in den neuen Bundesländern
empfinden, die wir alle gerufen haben?
(Vorsitz: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth)
Standortsicherung und Arbeitsplatzerhalt -- das war das Konzept bei
dem vorgesehenen Verkauf an Voest Alpine. Der SPD-Kollege Schultze als
Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Niedersächsischen Landtag
hat gesagt: "Wo liegt denn die Logik, wenn da die Voest Alpine einen Kaufpreis
von etwa 1,3 Milliarden hinlegt und sich dann eine Betriebsschließung
an den Hals holt ... Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht
wurde, nicht für angemessen. Aber nun haben wir Wahlkampf, und das
paßt da rein." -- Meine Damen und Herren, es paßt da auch hinein,
daß jetzt öffentliches Mobbing seitens der SPD gegen den Kollegen
Schultze betrieben wird.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lächerlich!)
Rückverstaatlichung als Wirtschaftspolitik, wie man sie sich von
einem "Modernisierer" vorstellt: Hier wird Steuergeld eingesetzt, um einen
gesun-
den Betrieb zu erwerben, Geld, das Niedersachsen gar nicht hat -- die
Schuldenquote des Landes läßt grüßen --,
(Wolf-Michael Catenhusen [SPD]: Sie reden hier nur so, weil Sie da
nicht im Landtag sind!)
Geld, mit dem die Situation in den Schulen verbessert werden könnte
-- die Rekorde an Unterrichtsausfällen lassen grüßen --,
Geld, mit dem öffentliche Investitionen angeschoben werden könnten
-- die extrem niedrige Investitionsquote in Niedersachsen läßt
grüßen. Schröder kauft Preussag Stahl, und der Mittelstand
guckt in die Röhre.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Lachen und Widerspruch bei
der SPD)
Um das Bild des Machers strahlen zu lassen, wird auch noch eine Verschwörungstheorie
erfunden. Herr Bissinger hat das veröffentlicht. Er versteigt sich
zu der These, daß die Lichtgestalt Gerhard Schröder mit seinem
Stahlwerkkauf die finsteren Machenschaften von Oskar Lafontaine und Johannes
Rau zerschlagen habe.
(Lachen bei der SPD)
-- Lesen Sie einmal, was dort erstaunlicherweise steht.
Sie hätten Druck auf den Preussag-Aufsichtsratschef Neuber und
den Vorstandschef Frenzel ausgeübt, um durch einen Übernachtverkauf
Schröder vor der Wahl als hilflos darzustellen. -- Vier Genossen gegen
einen -- welche Gemeinheit! -- Aber Schröder habe die Falle kraft
seiner Genialität rechtzeitig erkannt und entschlossen gehandelt.
-- Was Genossen sich gegenseitig so alles zutrauen! Was wir vor uns haben,
ist kein Modernisierer, sondern -- wie aus dem Märchen von Hans Christian
Andersen -- der Kaiser in seinen neuen Kleidern. Dieser "Modernisierer",
meine Damen und Herren, ist nackt.
Schröders Entscheidung ist grundfalsch. Sie schürt die Ängste
in der Belegschaft, anstatt eine Stahlallianz zur langfristigen Sicherung
von Arbeitsplätzen zu suchen. Schröders Kraftmeierei -- da ist
der "Zeit" zuzustimmen -- ist industriepolitisch genau das Falsche.
(Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)
Es geht um das Gewinnen ausländischer Investoren und nicht um
das Madigmachen des eigenen Standorts im Ausland. Wo bleibt denn die Mehrheit
der Aktien? Neue Unsicherheiten tauchen auf.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ihre Redezeit ist beendet.
Walter Hirche (F.D.P.): Mit seiner Entscheidung hat Gerhard Schröder
viel Geld zerstört. Das Fazit lautet: Da versagt ein Mann beim Gesellenstück,
der andere damit blendet, er sei in der Lage, die Meisterprüfung zu
bestehen. -- Wirklich: Dieser Kaiser ist nackt.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete
Wilhelm Schmidt.
Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Daß sich die F.D.P.-Fraktion in dieser
Aktuellen Stunde betätigt, liegt unter anderem wohl daran, daß
sie keine Plattform im niedersächsischen Landtag besitzt. Und das
wird am 1. März auch so bleiben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS
-- Jörg van Essen [F.D.P.]: Das ändert sich!)
Wenn Sie, Herr Hirche, von dem Marsch in die wirtschaftspolitisch falsche
Richtung sprechen, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Welche Regierung
in Deutschland hat denn zu vertreten, daß wir 5 Millionen Arbeitslose
haben? Welche Regierung hat es denn zu vertreten, daß wir in diesem
Lande einen Pleitenrekord und eine Rekordstaatsverschuldung haben?
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Sie haben
alle wichtigen Maßnahmen im Bundesrat blockiert! Alle!)
Kehren Sie erst einmal vor Ihrer eigenen Haustür, ehe Sie versuchen,
mit solchen Platitüden Politik zu machen!
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Ich will mich in meinem Beitrag darauf konzentrieren, klarzumachen,
was die struktur- und wirtschaftspolitischen Folgen für die drei niedersächsischen
Standorte und für Sachsen-Anhalt wären, wenn diese Unternehmensübernahme
nicht erfolgen würde. Ich finde, so rechtfertigt sich das Handeln
der Landesregierung allemal. Deswegen werden wir vor Ort mit Nachdruck
darauf hinweisen, wie wir das auch in den vergangenen Wochen und Tagen
schon getan haben.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Trotzdem bleibt der Schaden für das Land!)
Salzgitter, Peine und Ilsenburg haben ihre Stahlkonzerne als Herzstücke
in der Region. Wer versucht, diese Herzstücke zu beschädigen
oder sie sogar in andere Verfügungsgewalt zu geben, handelt fahrlässig
und zutiefst gegen die Interessen der Region, gegen die Arbeitsplätze.
(Beifall bei der SPD -- Zuruf des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])
Dieses -- und das auch in Ihr Stammbuch, Herr Hirche -- hat eigentlich
1989 mit dieser Bundesregierung begonnen. Die damalige Bundesregierung
-- Finanzminister Waigel und Staatssekretär Tietmeyer -- und übrigens
Sie als damaliger amtierender Wirtschaftsminister in Niedersachsen haben
den Deal gemacht,
(Walter Hirche [F.D.P.]: Eine erfolgreiche Privatisierung!)
mit dem der Preussag AG 8 Milliarden DM -- soviel war die Salzgitter
AG, ein Bundesunternehmen, damals wert -- in die Kassen gespült worden
sind. Damit wurde das Unternehmen Preussag gerettet, was sonst wahrscheinlich
nicht passiert wäre.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Eine erfolgreiche Privatisierung!)
Der unternehmerischen Verantwortung, die sich die Preussag damit eingekauft
hat, ist sie in diesen Tagen nicht im entferntesten gerecht geworden. Wir
kritisieren das sehr entschieden; wir sind nachdrücklich dafür,
daß die Preussag jetzt wenigstens in den nun laufenden Verkaufsverhandlungen
Farbe bekennt und sich ihrer Verantwortung für die Standorte, aber
auch für die Menschen, die dahinterstehen, stellt.
(Beifall bei der SPD -- Walter Hirche [F.D.P.]: Sie wollen ein Vorkaufsrecht
des Staates!)
Wir waren in der Region -- nicht nur wegen europäischer und sonstiger
internationaler Konkurrenz, sondern auch wegen der Situation auf dem deutschen
Stahlmarkt -- immer der Auffassung, daß die Stahl AG in Salzgitter,
Peine und Ilsenburg mit einem Alleingangskonzept gut fahren kann. Sie hat
das in den vergangenen Jahren bewiesen: Sie hat jedes Jahr 100 Millionen
DM an den Mutterkonzern abgeführt. Trotzdem hat sie es in den vergangenen
Jahren geschafft, sich zu einem der modernsten Stahlkonzerne in Europa
zu entwickeln -- aus eigener Kraft und vor allen Dingen mit der seiner
Menschen.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Nachdem der Bund vor der Privatisierung 1,3
Milliarden DM an Kapital hineingesteckt hat!)
Ich stelle fest, daß es für meine Begriffe unverantwortlich
ist und nicht hingenommen werden kann, daß der Oppositionsführer
im niedersächsischen Landtag heute noch Informationen, Aufklärung
und sonstige Hinweise braucht,
(Zuruf von der CDU/CSU: Das fordern die Grünen genauso!)
um sich zu entscheiden, ob er denn nun für oder gegen die Übernahme
der Preussag Stahl AG durch das Land Niedersachsen und die Norddeutsche
Landesbank sein will. Wenn in Niedersachsen künftig eine so zögerliche
Politik betrieben würde, wie Herr Wulff
(Zuruf von der SPD: Wer ist denn das?)
und seine Mannen sie an den Tag legen, kann ich nur sagen: Gute Nacht
für dieses Land. Wir sind sehr froh darüber und sehr dankbar
dafür, daß der Ministerpräsident und seine Landesregierung
genau das Gegenteil gemacht haben, nämlich zügig gehandelt und
entschlossen entschieden.
(Beifall bei der SPD -- Walter Hirche [F.D.P.]: Die Schulden zahlen
die Bürger in Niedersachsen!)
Ich will Ihnen -- damit das klar ist -- auch sagen: Dieses konsequente
Handeln der Landesregierung ist keine Eintagsfliege. Dies ist in den vergangenen
Jahren immer wieder dann geschehen, wenn Not am Mann war, wenn es Schwierigkeiten
gab -- nicht weil man sich profilieren wollte,
(Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
sondern weil man struktur- und wirtschaftspolitisch und für den
Arbeitsmarkt handeln wollte. Das wissen übrigens in meinem Wahlkreis
auch einige Unternehmen, die von der Preussag in den vergangenen neun Jahren
abgestoßen worden sind. Auf dem Wege zur jetzigen Preussag AG ist
ja schon das eine oder andere Unternehmen auf der Strecke geblieben, das
man versilbert hat. Immer wieder mußte die Landesregierung auch bei
diesen Unternehmen stützend und helfend eingreifen. Wir sind an dieser
Stelle deswegen nicht nur zufrieden, sondern wir finden, daß dies
die richtige Politik an der richtigen Stelle und am richtigen Ort ist.
Ich weise auch darauf hin, daß dieser Faktor in der Region bei den
weiteren Entscheidungen in der nächsten Zeit eine große Rolle
spielen wird.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Ihre Redezeit ist zu Ende.
Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Von daher halte ich das für
eine sehr konsequente Sache.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Konsequent, aber falsch!)
Wir sind allerdings -- das will ich zum Schluß auch sagen --
in der Begleitung dieses ganzen Vorganges sehr wachsam. Wir wollen, daß
die Preussag AG und natürlich auch alle anderen Handelnden in künftiger
Zeit immer wieder an die Standorte und immer wieder an die Arbeitnehmer
und ihre Interessen denken. Nur so ist das Ganze gerechtfertigt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS -- Walter Hirche
[F.D.P.]: Das tun Sie gerade nicht!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster der Abgeordnete
Friedbert Pflüger.
Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, ich würde sagen,
(Zuruf von der SPD: Der Wirtschaftspolitiker Pflüger spricht jetzt!)
die Landesregierung hat in diesem Fall überhastet entschieden
und falsch gehandelt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Zunächst aber zu dem, worin wir uns einig sind: Wir sind uns einig,
wahrscheinlich sogar mit den Kollegen der F.D.P.,
(Lachen bei der SPD)
daß der Staat in Notlagen, wenn in einer Region Massenarbeitslosigkeit
droht, in letzter Konsequenz gezwungen sein kann, sich für eine gewisse
Zeit direkt in den Wirtschaftsprozeß einzuschalten. Die ordnungspolitische
"reine Lehre" hat niemand von uns in der CDU/CSU-Fraktion gefordert --
ganz bestimmt nicht Christian Wulff.
(Zuruf von der SPD: Wer ist das denn?)
Wir haben deshalb vor vier Jahren die Rettung Lemwerders durch das
Land unterstützt. Aber zwischen Lemwerder damals und Salzgitter/Peine
heute gibt es einen entscheidenden Unterschied: Für die Preussag Stahl
AG gab es gar keine Notlage! Arbeitsplätze waren nicht gefährdet.
Die Landesregierung feiert sich als Retter eines Standortes, der überhaupt
nicht bedroht ist. Das ist die Lage, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Der niedersächsische Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung
vom 21. Januar von drohender Standortstillegung gesprochen; Salzgitteraner
und Peiner dürften nicht "Opfer" von Monopoly-Machenschaften ausländischer
Käufer werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des niedersächsischen
Landtages, Ihr Kollege Schultze von der SPD, tief verwurzelt in der Gewerkschaftsbewegung,
Arbeitsdirektor bei Preussag, sieht das völlig anders. In einem Interview
mit der "Deister Weser-Zeitung" vom 27. Januar 1998 erklärt er, daß
Arbeitsplätze in Peine/Salzgitter im Falle eines Verkaufs gar nicht
gefährdet worden seien. Herr Schultze wörtlich:
Wo liegt denn die Logik, wenn da die Voest-Alpine einen Kaufpreis von
etwa 1,3 Milliarden hinlegt und sich dann eine Betriebsschließung
an den Hals holt, die noch einmal Hunderte von Millionen Mark kosten würde?
Jetzt hören Sie bitte zu, meine Damen und Herren, ich zitiere
weiter Herrn Schultze:
Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht wurde, nicht
für angemessen. Aber nun haben wir Wahlkampf, und das paßt da
rein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Das ist nicht Sorge um Arbeitsplätze, ist nicht mitfühlendes
soziales Engagement -- das ist Wahlkampf durch das Schüren von Ängsten
der Arbeitnehmer, und das ist verwerflich!
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Walter Hirche [F.D.P.]:
Und das sind Schulden für die nächste Generation!)
Das hat ein Sozialdemokrat und Gewerkschafter gesagt. Gegenüber
dem, was Herr Schultze sagt, ist Christian Wulff bisher sehr vornehm und
zurückhaltend mit der Landesregierung umgegangen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Herr Ministerpräsident erklärt im Landtag, daß
es strukturpolitisch geboten sei, dem Stahl in Salzgitter und Peine auf
eigene Beine zu helfen. -- Aber dem Standort muß niemand auf eigene
Beine helfen; er ist kerngesund. Der Sprecher von Voest hat in der "Nordwest-Zeitung"
vom 23. Januar erklärt:
Personalentlassungen sind nie ein Thema gewesen. Der technologische
Standort ist sehr gut. Die Kundenstämme der beiden Unternehmen ergänzen
sich gut.
Nun wird durch diese Maßnahme der Landesregierung aus einem florierenden
Standort ein Mühlstein am Halse des Landes Niedersachsen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. -- Widerspruch
bei der SPD)
ein Mühlstein mit unkalkulierbaren Risiken für den Steuerzahler,
der die Zinsen für das Pumpgeschäft aufbringen muß. Was
ist, wenn die Stahlkurse fallen?
(Walter Hirche [F.D.P.]: Dann ist Herr Schröder nicht mehr im
Amt!)
Das ist eine gefährliche Politik auf Kosten des Steuerzahlers
des Landes Niedersachsen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Der Ministerpräsident hat im Landtag ausländische Käufer
und deutsche Anleger gegeneinander ausgespielt.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist das Übelste überhaupt!)
Voest-Alpine erklärte, man fühle sich von der Landesregierung
als "böser Ausländer" hingestellt. Was soll diese Haltung in
einer Zeit von Globalisierung und europäischer Einigung? Wir werben
doch überall auf der Welt dafür, daß sich ausländische
Unternehmen bei uns in Deutschland engagieren. Was ist das für ein
Signal? Es ist ein verheerendes Signal, das von dieser Entscheidung für
ausländische Direktinvestoren ausgeht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Auch hier hat Herr Schultze Herrn Schröder unangenehme Wahrheiten
aufgetischt: Durch die deutsche Lösung sei es möglich, daß
man am Ende viel schlechter dastehe, weil dadurch zentrale Aufgaben viel
stärker gefährdet würden, als es durch Voest-Alpine der
Fall gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Egal, wie man es
dreht und wendet: Der Preussag-Deal der Landesregierung ist im ganzen eine
wahltaktische Show, ein unakzeptables Risiko für die Steuerzahler
und ein Pyrrhus-Sieg für die Arbeitnehmer. Was das Ziel angeht, nämlich
Sicherung der Arbeitsplätze, sind wir uns einig. Aber der Weg, den
Sie beschreiten, ist ein Irrweg. Die daraus resultierenden Lasten müssen
getragen werden -- leider aber erst nach dem Wahltag.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Es spricht jetzt die Kollegin
Schönberger.
(Zuruf von der SPD: Frau Kollegin, sind Sie auch aus Niedersachsen?)
Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege,
ich bin auch aus Niedersachsen. Ich bin allerdings auch im Wirtschaftsausschuß.
Daß dieses Thema hier zum Wahlkampfthema wird, geht zum einen
auf die Initiative der F.D.P. zurück, die diese Aktuelle Stunde beantragt
hat. Zum anderen geht dies auf Herrn Ministerpräsidenten Schröder
zurück; denn etwas anderes als Wahlkampf kann ich hinter dieser Aktion
nicht sehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
In Salzgitter, Sitz der Preussag Stahl, um die es hier geht, herrscht
eine Arbeitslosigkeit von 16,5 Prozent -- Tendenz steigend, wie dies in
diesem Land mit dieser Bundesregierung überall so ist. Die gesamte
Umgebung der Region zwischen Harz und Heide ist nach wie vor ganz einseitig
von der industriellen Automobil- und Stahlproduktion geprägt. Bei
Krisen in diesen Bereichen gibt es kaum Alternativen in anderen Branchen
oder Sektoren, zumindest nicht solche, die einer größeren Anzahl
industriell ausgebildeter Menschen neue Perspektiven bieten können.
Daß die Betroffenen dort bei allen Umstrukturierungsmaßnahmen
sehr hellhörig sind und nach helfenden und sie absichernden öffentlichen
Händen fragen, ist nur verständlich. Es ist auch berechtigt.
Es wäre kaltschnäuzig, sich rauszuhalten und den Menschen in
Salzgitter anzuraten, doch einmal abzuwarten, was in den Vorstandsetagen
irgendwelcher Konzerne ausgeklüngelt wird.
Wir kritisieren nicht, daß sich der Staat in die Wirtschaftsentwicklung
einmischt, wenn es um strukturelle Perspektiven geht, zum Beispiel um neue
Perspektiven bezüglich einer Abwendung von der Monostruktur in dieser
Region. Erst recht üben wir keine Kritik, wenn es um die Absicherung
der Existenz von sinnvollen oder zumindest vertretbaren Arbeitsplätzen
geht. Dennoch muß das Engagement des Staates mit Sinn und Verstand
geschehen.
(Beifall der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deshalb frage ich Sie, Herr Schröder: Wo ist denn Ihr Konzept?
Wo sind die langfristigen Perspektiven, die Ihre Wirtschaftspolitik verfolgt?
Wo war im Fall der Preussag Stahl der aktuelle Handlungsbedarf? Wollen
Sie künftig alle Betriebe in Niedersachsen kaufen, die von Schließung
oder Verkauf bedroht sind? Oder machen Sie das nur alle fünf Jahre
vor der Landtagswahl?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und
der F.D.P.)
Oder wollen Sie verhindern, daß sich ausländische Investoren
in Niedersachsen niederlassen? Das wäre interessant, denn bei der
Diskussion über das Thema "Investieren in Deutschland" heute morgen
im Wirtschaftsausschuß haben die Kollegen und Kolleginnen der SPD
den Standpunkt vertreten, Deutschland brauche Investoren aus dem Ausland,
(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)
und haben sich große Gedanken darüber gemacht, wie Deutschland
für ausländische Investoren attraktiv werden kann.
(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt das NRW-Syndrom!)
Eine weitere, nicht weniger wichtige Frage ist: Wo ist der aktuelle
Handlungsbedarf? Voest-Alpine widerspricht Äußerungen von Ministerpräsident
Schröder, daß die Arbeitsplätze an diesem Stahlstandort
gefährdet seien. Zitat:
Der technologische Standard der deutschen Standorte ist sehr gut. Es
gab überhaupt keinen Grund, über die Schließung von Anlagen
nachzudenken.
Das sagt der Voest-Konzernsprecher der Oldenburger "Nordwest-Zeitung".
Personalentlassungen sei-
en für Voest nie ein Thema gewesen, zumal sich die Kundenstämme
der beiden Unternehmen gut ergänzen würden.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Das mußte Schröder erfinden!)
Wenn Herr Schröder als Retter in der Not auftritt, dann kann man
daran interessanterweise erkennen, welche Not eigentlich vorhanden ist.
Was als Rettung in letzter Sekunde für die Arbeitsplätze in der
Region verkauft wurde, wird jetzt -- laut Ihrer eigenen Aussage -- dahin
gehend verändert, daß die Arbeitsplätze bei Preussag Stahl
vielleicht gefährdet gewesen seien. Ihr Regierungssprecher hat eingestanden,
daß die Arbeitsplätze bei Preussag Stahl nicht akut in Gefahr
gewesen seien. Herr Wolfgang Schultze, SPD-Landtagsabgeordneter, Vorsitzender
des Wirtschaftsausschusses des niedersächsischen Landtages und Vorstandsmitglied
bei Preussag, betont, mit Voest sei die Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze
verabredet gewesen. -- Herr Schultze ist übrigens eine schillernde
Figur in diesem Deal, in dem auf seiten der Käufer und Verkäufer
nur SPD-Genossen zu finden sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und
der F.D.P.)
Wenn Sie, Herr Schröder, glauben, Ihre Wahlchancen durch den Kauf
von Preussag Stahl und die Erhöhung der Beteiligung bei VW zu verbessern
-- die Wahl am 1. März ist schließlich Ihre persönliche
Schicksalswahl --, dann hört das spätestens bei den Menschen
auf, die rechnen können. Das sind ziemlich viele. 70 Millionen DM
sind die absolute Untergrenze der Belastung des Landeshaushaltes durch
diesen Deal, eines Haushaltes, der bereits bis zur Oberkante belastet ist.
Die Regierung in Hannover spricht seit Jahren davon, daß auf Grund
der Finanzsituation Arbeitsplätze beim Land massiv abgebaut werden
müßten. Daß die Ursachen dafür wenig in Niedersachsen
liegen, sondern hauptsächlich in Bonn zu finden sind, wissen wir --
Stichwort: Finanzierung der deutschen Einheit. Trotzdem, die Tatsache bleibt.
Es ist doch jedem klar: Der Betrag von mindestens 70 Millionen DM, den
Sie hier einsetzen, wird woanders eingespart. Letztlich erkaufen Sie das
angestrebte Image des Wirtschaftsmannes mit Arbeitsplätzen beim Land.
Fazit: Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft -- ja. Da ist der sprachliche
Purismus der F.D.P. völlig absurd und entlarvt sich, wenn man Ihre
eigene Praxis ansieht.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Na, na!)
Wenn der Staat aber eingreift, muß es entweder klare, langfristige
Konzepte für notwendige, zukunftsweisende Veränderung geben --
die hat weder die F.D.P. noch Herr Schröder in Niedersachsen --, oder
es muß einen akuten Handlungsbedarf geben, um sinnvolle oder wenigstens
vertretbare Arbeitsplätze zu retten. Wie es aussieht, liegt dieser
akute Handlungsbedarf nicht vor.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten der F.D.P.)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht
der Abgeordnete Rolf Kutzmutz.
Rolf Kutzmutz (PDS): Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Ich will vorausschicken: Ich komme nicht aus Niedersachsen.
(Heiterkeit und Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Angesichts der die Menschen bewegenden Sorgen und Nöte -- ich
verweise nur auf den neuen Arbeitslosigkeitsrekord -- beweist die F.D.P.
mit der Wahl des heutigen Themas einmal mehr, wie weit sie von der Lebenswirklichkeit
mittlerweile entfernt ist.
(Beifall bei der PDS und der SPD -- Zuruf von der F.D.P.: Überhaupt
nicht!)
Ich hoffe, Herr Hirche, Sie erhalten dafür am 1. März in
Niedersachsen, am 26. April in Sachsen-Anhalt und am 27. September in der
ganzen Republik Ihre Quittung.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Herr Kutzmutz, Sie wissen, daß wir in
Brandenburg keine Verstaatlichung gebraucht haben!)
Verdient hätten Sie es, Herr Kollege Hirche und meine Damen und
Herren von der F.D.P., allein schon wegen Ihrer Wortwahl. Da will -- um
in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben -- das Land Niedersachsen eine Firma
vom Land Nordrhein-Westfalen erwerben. Die selbsternannten Pächter
wirtschaftlicher Kompetenz sprechen von "Rückverstaatlichung". Sollte
Ihnen tatsächlich entgangen sein, daß die Preussag von der West
LB kontrolliert wird und diese wiederum vom Land NRW?
(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch SPD-Leute!)
Für Ihren Kreuzzug wider staatliche Wirtschaftslenkung haben Sie
sich wirklich das denkbar ungünstigste Objekt ausgesucht.
Im übrigen: Wo war beispielsweise Ihr empörter Aufschrei,
Herr Bundesminister Rexrodt, als Ihr Landeskollege Otto Wiesheu ein bayerisches
Konsortium unter Beteiligung des Freistaates für den einstigen Elektronikriesen
Grundig zimmerte? Oder wo war Ihr Aufschrei, als er dem Keramikhersteller
Hutschenreuther mit Rettungsringen beisprang?
(Beifall bei der PDS)
Offenkundig ist auch für Sie aktive Industriepolitik nur Teufelszeug,
wenn sie von den "falschen" Parteien betrieben wird.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Schröder hat tolle Unterstützer!
Das muß man wirklich sagen!)
Es ist einfach Unsinn, wenn gesagt wird, das widerspräche sämtlichen
ordnungspolitischen Grundsätzen.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Daß die PDS Schröder begreift,
verstehe ich!)
-- Herr Hirche, ich habe Sie in Brandenburg auch begriffen. Sie sind
hierhergelobt worden, und deswegen meine ich, Sie sollten sich zurückhalten.
In Brandenburg kenne ich mich immer noch besser aus als Sie.
(Beifall bei der PDS)
Sie sollten einfach ehrlich sein. Wahlkampf verwandelt offensichtlich
die Sicht auf die Dinge. Deshalb sollten Sie es auch unterlassen, mit der
heutigen Aktuellen Stunde eine Scheinheiligkeit zu demonstrieren und zu
dokumentieren, die nicht am Platze ist.
Ich weiß zwar, wer hinter den am Deal beteiligten Konzernen steht.
(Zurufe von der CDU/CSU: Wer denn?)
-- Sie haben es doch erzählt. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie
vom Mond kämen. Das könnte man zwar vermuten, aber man muß
das nicht ausbauen.
(Lachen bei der PDS und der SPD)
Ich weiß nicht, ob Voest Alpine tatsächlich die 13 000 Arbeitsplätze
in Peine, Salzgitter und Ilsenburg bedroht hätte. Sie behaupten, das
sei unrichtig. Ich will aber einmal unterstellen, daß hinter der
Entscheidung nicht Gerhard Schröder als Aufsichtsrat von VW steht,
der seinem Konzern vielleicht nur einen scheinselbständigen Blechlieferanten
sichern will, sondern Gerhard Schröder als verantwortungsbewußter
Wirtschaftspolitiker.
(Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh!)
In diesem Falle -- da können Sie rufen, wie Sie wollen -- wäre
auch die Zustimmung der PDS prinzipiell möglich.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Der sozialistische Modernisierer!)
Dann bliebe allerdings -- erstens -- zu bedauern, daß seine Parteifreunde
in der vergangenen Wahlperiode in diesem Bundestag dem von der PDS geforderten
Erhalt von industriellen Kernen als Hauptaufgabe von Industriepolitik in
Ostdeutschland nicht zugestimmt haben.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Herr Struck, das war eine Ohrfeige!)
Herr Ministerpräsident, Ihr Wirtschaftsstaatssekretär Alfred
Tacke nannte als ein Hauptmotiv für das Preussag-Stahl-Engagement:
"Wir wollen die Unternehmenszentralen im Land haben", weil es auf intelligente
Wertschöpfung ankomme; nachzulesen in der "FAZ" vom 31. Januar. Nichts
anderes haben wir mit unserer Initiative Anfang der 90er Jahre für
die neuen Länder bezweckt.
Zweitens hoffen wir, Herr Schröder, daß Ihr Verantwortungsbewußtsein
nach dem Ende des Landtagswahlkampfes nicht nachläßt, sondern
auch bundesweit anhält, falls Sie sich in diesem Jahr tatsächlich
noch in höhere bundespolitische Verantwortung begeben sollten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wenn das Oskar hört!)
Aber ich habe nicht nur in dieser Beziehung meine Zweifel. Denn auch
die SPD will öffentliche Gelder für zukunftssichere Arbeitsplätze
nur herausrücken, wenn die Betroffenen den Gürtel enger schnallen.
Ihr Parteichef, Herr Schröder, und der Landesvater meiner Heimat haben
noch in der vergangenen Woche den ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
Beteiligung am Produktivkapital versprochen, aber nur, wenn sie -- ich
zitiere -- "produktivitätsorientierte Löhne akzeptieren". Sie,
Herr Ministerpräsident, setzten zur selben Zeit das Projekt einer
20 prozentigen Belegschaftsbeteiligung bei Preussag-Stahl auf die Schiene.
Während die Herren Lafontaine und Stolpe im Osten sinkende Monatseinkommen
verordnen, wollen Sie in Peine und Salzgitter die betriebliche Altersvorsorge
verfrühstücken lassen.
Beide Vorhaben, so unterschiedlich sie im Detail auch sind, eint eines:
Die Beschäftigten gewinnen keinen Einfluß auf die Unternehmensgeschicke,
sollen aber erworbene Ansprüche gegen ungewisse Schecks auf die Zukunft
eintauschen. Warum bieten Sie -- jetzt kommt der Aufschrei gleich von rechts
-- den Stahlkochern statt 20 Prozent Belegschaftsaktien nicht 51 Prozent
Entscheidungsbefugnis im Unternehmen an? Das Land wäre der Mehrheitsbesitzer,
dessen Kompetenzen aber von der Belegschaft wahrgenommen werden. Oder glauben
Sie ernsthaft, Ministerialbeamte und Landesbanker hätten in dem Geschäft
mehr Durchblick als jene, die tagtäglich Preussag-Stahl entwickeln,
produzieren und vermarkten? Letztere würden gewiß nach besten
Kräften ihre eigenen Monatseinkommen und auch ihren bestehenden Pensionsfonds
sichern. Die Dividende dieses Tuns käme allen zugute, deren Steuermillionen
diese Arbeitsplätze jetzt sichern helfen. Dieses Konzept einer stillen
Beteiligung der öffentlichen Hand, eine Idee unserer Gruppe, wird
derzeit in den Ausschüssen dieses Hauses beraten.
Ich will, weil die Zeit drängt, ein letztes Wort sagen. Bei dem,
was jetzt betrieben wird, Herr Schröder, wird, wie bei der Koalition,
darauf gesetzt, daß eine Vergesellschaftung der Verluste bei Privatisierung
der Profite stattfindet. Das ist Kouponschneiderei, und das wollen wir
nicht. Das ist Kasinokapitalismus, der auch in den Farben der SPD nichts
taugt.
Herrn Thiele möchte ich raten, zur SPD bei Tucholsky nachzulesen:
"Man kann immer etwas für Sozialismus tun, aber mit der Partei kommt
er auf keinen Fall." Da brauchen Sie keine Angst zu haben.
(Beifall bei der PDS)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht
in der Aktuellen Stunde Bundesminister Rexrodt.
(Gerd Andres [SPD]: Eine neue Wunderwaffe der Regierung!)
Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft: Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die Reverstaatlichung der Preussag Stahl AG steht
in totalem Kontrast zu dem, was in der europäischen und deutschen
Stahlindustrie an der Tagesordnung ist. Sie steht nach Einschätzung
der Bundesregierung in Kontrast zu dem, was wirtschaftspolitisch und betriebswirtschaftlich
notwendig ist, um die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen mittel-
und langfristig zu sichern.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Sie steht in Kontrast zu dem, was der niedersächsische Ministerpräsident
vollmundig in seinen Thesen zur modernen Wirtschaftspolitik verkündet.
Diese Reverstaatlichung ist Ausdruck von Hilflosigkeit und kurzem Atem
vor der Niedersachsenwahl.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
In der europäischen Stahlindustrie -- in Großbritannien,
Italien, Belgien und auch in Frankreich -- geht es seit 20 Jahren in Richtung
Privatisierung. Unübersehbar und auch unvermeidlich ist ein Konzentrationsprozeß
in diesem Wirtschaftszweig, vor allem beim Massenstahl.
(Zuruf des Abg. Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD])
-- Das ist doch eine nüchterne Beschreibung. Darüber müssen
Sie sich doch nicht so aufregen bzw. schreien. Machen Sie das an der richtigen
Stelle, wenn Sie das überhaupt können.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Arrogant sind Sie!)
Prominente Beispiele für diese Konzentration sind British Steel,
Usinor-Sacilor, Krupp/Hoesch und jetzt Thyssen und Krupp/Hoesch. Überall
hat man erkannt: Privatisierung und -- ob man das nun mag oder nicht --
auch Konzentration sind die Schlüssel zu moderner, kostengünstiger
Produktion
(Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Und zum Abbau von Arbeitsplätzen!)
und damit auch zu wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
In Deutschland hat die Bundesregierung im Jahre 1989 das letzte große
staatliche Stahlwerk, die Salzgitter Stahl AG, durch Verkauf an die Preussag
AG privatisiert.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Verschenkt habt ihr es!)
Fünf Jahre später begann die Muttergesellschaft Preussag
AG den Umbau zu einem technologie- und dienstleistungsorientierten Konzern.
Sie trennt sich jetzt aus nachvollziehbaren und erkennbaren Gründen
von der Stahlproduktion.
Nun stand mit der österreichischen Voest-Alpine ein potenter Übernahmeinteressent
zur Verfügung. Eine Übernahme durch Voest-Alpine bot den Vorteil,
daß Preussag den schweren Weg nicht hätte allein gehen müssen.
Nach allen Informationen wollte Voest-Alpine sämtliche Arbeitsplätze
erhalten. Die Verträge wären unterschriftsreif. Entlassungen
waren nach Aussagen des Unternehmens überhaupt kein Thema. Das ist
der Sachverhalt. Die Voest-Alpine und die Preusssag hätten sich in
weiten Bereichen optimal ergänzt.
(Otto Schily [SPD]: Wie privat ist denn die Voest-Alpine?)
Daß ein Übernahmeinteressent aus dem Ausland kommt, ist
auch für die deutsche Stahlbranche nicht ungewöhnlich.
(Otto Schily [SPD]: Sagen Sie uns doch einmal, wie privat Voest-Alpine
ist!)
EKO Stahl wurde von der belgischen Cockerill-Sambre übernommen,
Stahlwerke Bremen von einem luxemburgisch/belgischen Unternehmen. Das italienische
Unternehmen Riva führt in Brandenburg sehr erfolgreich zwei Stahlwerke.
(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für Niedersachsen will nun der niedersächsische Ministerpräsident
eine solche Lösung nicht.
(Otto Schily [SPD]: Wie privat ist denn Voest-Alpine?)
Warum eigentlich? Liegt es an der Unruhe der Belegschaften in Peine,
Salzgitter und Ilsenburg? Aus meiner Sicht sind die Unruhe und die Verunsicherung
der Stahlwerker nachvollziehbar. Sie sind verständlich.
(Bernd Reuter [SPD]: Bei dieser Regierung ja! -- Weitere Zurufe von
der SPD)
-- Das finde auch ich. -- Diese Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz.
Sie suchen Sicherheit und Anlehnung an öffentliche Institutionen,
von denen sie wissen, daß dort ihr Einfluß direkt und indirekt
sehr viel stärker ist. Sie suchen Schutz vor Wettbewerb.
So verständlich diese Orientierung ist, so falsch ist sie. Unzählige
Beispiele zeigen, daß der Staat der schlechtere Unternehmer ist.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Er ist nicht der schlechtere Unternehmer, weil die Menschen beim Staat
weniger fähig sind oder weil sie weniger fleißig arbeiten, sondern
deswegen, weil die notwendigen Anpassungen auf Grund der dort bestehenden
Abstimmungs- und Machtprozesse weniger konsequent und weniger schnell vorangebracht
werden können. Das sind die Ursachen.
Am Ende stehen immer die Crash-Lösungen. Sie sind teuer und führen
zu größerer Arbeitslosigkeit als marktwirtschaftliche Lösungen.
(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das haben Sie in Ostdeutschland
erfolgreich bewiesen!)
-- Hören Sie doch auf die Fakten. -- Dies ist im übrigen
auch das traurige Ergebnis in den neuen Ländern immer dann, wenn Privatisierungen
zu lange hinausgeschoben wurden oder hinausgeschoben werden mußten.
(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das stimmt mit den Fakten überhaupt
nicht überein!)
Herr Schröder muß sich auch fragen lassen, woher er eigentlich
das Geld für diese wirtschaftlich unsinnige und teure Transaktion
nimmt. Es geht um 1,3 Milliarden DM; das ist schon gesagt worden. Die äußerst
prekäre Finanzlage Niedersachsens ist seit Jahren bekannt: Die Gesamtverschuldung
des Landes beläuft sich auf 59 Milliarden DM. Das Land hat zwischen
1990 und 1996 neue Kredite in Höhe von 20 Milliarden DM aufgenommen,
mehr als jedes andere Flächenland, bezogen auf den jeweiligen Haushalt.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Rekordhalter der Schulden Schröder!)
Die Verschuldung liegt bei 7600 DM pro Einwohner. Sie wird mittlerweile
nur noch vom Saarland und von Schleswig-Holstein übertroffen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert denn da?)
Da hilft es auch nicht, daß die Nord LB einen Teil des Kaufpreises
aufbringen soll. Das schafft keine echte Entlastung; denn die Bank handelt
im Auftrag und auf Rechnung des Landes. Am Ende geht dies zu Lasten des
Steuerzahlers und des Mittelstandes.
(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und da hilft auch nicht der Hinweis -- ich weiß, daß er
noch kommen wird --, daß das Land und die Nord LB die Anteile möglicherweise
nur vorübergehend halten. Meine Damen und Herren, warum soll denn
bei einem derart transparenten Markt wie dem Stahlmarkt in Zukunft ein
attraktiveres Angebot vorliegen als heute, bei einem Stahlmarkt, der gerade
jetzt in exzellenter Verfassung ist? Kein Mensch weiß doch, in welcher
Verfassung er in absehbarer Zeit sein wird.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Hans Büttner [Ingolstadt]
[SPD]: Es geht um die Sicherung der Arbeitsplätze!)
Wer ist denn bereit, bessere Konditionen zu bieten, wenn die öffentliche
Hand als Verkäufer auftritt, zumal jeder die Zwänge und Abhängigkeiten
der öffentlichen Hand kennt? Meine Damen und Herren, das ist ein ungedeckter
Wechsel. Das Unternehmen bleibt beim Staat, oder es wird ein riesiges Verlustgeschäft
für das Land Niedersachsen. Das sage ich Ihnen voraus.
Leider muß man festhalten: Durch die Intervention des Ministerpräsidenten
in laufende Verhandlungen zwischen den Unternehmen ist das Schicksal von
Preussag Stahl heute unsicherer denn je.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Das ist die eigentliche Wahrheit!)
Hinzu kommt: Unser Ruf als weltoffener Standort für Investitionen
hat Schaden genommen.
(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Den haben Sie doch schon vorher
ruiniert!)
Wir kämpfen um Investitionen im Interesse der Arbeitsplätze.
Deutschland für Investoren attraktiv zu machen ist Ziel unserer gesamten
Wirtschafts-, unserer gesamten Reformpolitik.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr erfolgreich, wie man sieht!
-- Dr. Peter Struck [SPD]: Was haben Sie denn erreicht?)
Ob der Interessent aus dem Inland oder dem Ausland kommt, spielt keine
Rolle, wenn er wirtschaftlich potent ist.
(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Wilhelm
Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie reden doch den Staat kaputt!)
Bei den Direktinvestitionen hatten wir 1996 einen Negativsaldo von
37 Milliarden DM.
(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD}: Wer hat denn regiert, Herr Rexrodt?)
Im Jahr 1997 bewegte er sich in ähnlicher Größenordnung.
Meine Damen und Herren, was würde Herr Schröder denn sagen,
wenn der britische Premierminister ein Engagement von VW bei Bentley unterbinden
würde unter Hinweis darauf, daß man bei Ausländern nicht
weiß, woran man ist?
Es gibt aber einen Unterschied. Dieser ist, daß in Großbritannien
ein Tony Blair existiert, der moderne Wirtschaftspolitik verstanden hat
und sie praktiziert, während es in Niedersachsen einen Gerhard Schröder
gibt, der von moderner Wirtschaftspolitik redet und das Gegenteil tut.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Lachen bei der SPD -- Hans
Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Der Karneval läßt grüßen!
-- Dr. Willfried Penner [SPD]: Das war die kraftvollste Rede, die wir seit
langem gehört haben! -- Gegenruf des Abg. Walter Hirche [F.D.P.]:
Auf jeden Fall sachkundig!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt der niedersächsische
Ministerpräsident Gerhard Schröder.
Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen): Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß
nicht, Herr Rexrodt, was ich für bemerkenswerter halten soll: Ihren
absoluten Mangel an sozialer Sensibilität oder Ihre Dreistigkeit.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Ihre Dreistigkeit ist deshalb bemerkenswert, weil Sie als amtierender
Wirtschaftsminister für fast 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich
sind, sich aber trotzdem hier hinstellen und anderen Leuten Ratschläge
geben wollen. Dieses Maß an Dreistigkeit ist tatsächlich verwunderlich.
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Mit Ihrer
Blockade im Bundesrat produzieren Sie die Arbeitslosen!)
Es gibt einen Abgeordneten namens Hirche, der einmal in Niedersachsen
Wirtschaftsminister war, zu einem Zeitpunkt
(Walter Hirche [F.D.P.]: Da waren die Zahlen besser!)
-- natürlich, ich sage Ihnen dazu gleich etwas --, als die Verschmelzung
der Salzgitter AG mit Preussag auf der Tagesordnung stand. Sein damaliger
Kabinettschef, mein Vorgänger, Herr Albrecht, hat am 17. Januar 1990
zu dem ganzen Vorgang folgendes gesagt -- Herr Pflüger, hören
Sie einmal zu; Herr Hirche, Sie waren damals Wirtschaftsminister --:
Die Landesregierung wollte gern verhindern, daß wir eines Tages
aufwachen und feststellen müssen, daß dieses für uns so
ungeheuer wichtige Unternehmen hinfort fremdbestimmt ist --
(Lachen bei der SPD -- Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört!
Hört!)
mit anderen Worten: daß eine andere industrielle Gruppe bei der
Preussag-Salzgitter das Sagen haben würde. Dafür ist diese Unternehmensgruppe
viel zu wichtig für unser Land, natürlich aber auch für
die Zigtausenden von Arbeitnehmern und, wenn man die Zulieferbetriebe und
Familien der Arbeitnehmer berücksichtigt, die Hunderttausenden von
Menschen, die unmittelbar von Preussag-Salzgitter abhängig sein können.
Herr Hirche, haben Sie gepennt, als Sie damals im Kabinett saßen,
oder was haben Sie da gemacht?
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Genau aus diesem Grunde ist damals versucht worden, eine für Niedersachsen
außerordentlich teure Holding als Gegengewicht aufzubauen, der Sie
einen Anteil von 15 Prozent verschafft haben -- als wenn man aktienrechtlich
damit etwas anfangen könnte! Das waren Ihre wirtschaftspolitischen
Großtaten. Darunter leiden die Niedersachsen noch heute. Das ist
das Problem, was wir haben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS
-- Walter Hirche [F.D.P.]: Ein Quatsch!)
Es wäre vernünftiger, Sie hätten dies nicht gemacht.
Lesen Sie die alten Protokolle nach, gehen Sie in sich, und verfolgen Sie,
was Sie damals gemacht haben! Sie haben die Schwierigkeiten verursacht,
die heute von uns beseitigt werden müssen. Das ist das Problem.
(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN -- Walter Hirche [F.D.P.]: Sie sind der Arbeitsplatzvernichter!
Das ist unglaublich!)
Jetzt kommen wir einmal zur Sache.
(Lachen bei der CDU/CSZU-- Walter Hirche [F.D.P.]: Das wäre schön!)
-- Über die Sache ist lange geredet worden. Bis jetzt mußte
ich mich mit einer Sache befassen, die Sie verkorkst haben, weil Sie nicht
gewußt haben, über was Sie entscheiden. Oder warum hat Herr
Albrecht genau die Position bezogen, die ich heute einnehme? Was war denn
der Grund dafür? Haben Sie sich denn gewehrt, als das im Raume stand?
(Walter Hirche [F.D.P.]: Natürlich!)
-- Wie denn? Mit Erfolg? Sie machen sich hier lächerlich.
(Beifall bei der SPD)
Reden wir jetzt also einmal über das, was ansteht und aktuell
gelöst werden muß.
(Walter Hirche [F.D.P.]: So angeschlagen habe ich einen Ministerpräsidenten
selten gesehen!)
-- Nun seien Sie doch wenigstens jetzt einmal ein bißchen ruhig!
(Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie schreien doch!)
Es müßte doch möglich sein, ein wenig zuzuhören,
wenn schon Kolleg gehalten wird über das, was Sie selbst verbockt
haben.
Es ist richtig: Der Preussag-Konzern hat entschieden, daß er
sich und seine geschäftlichen Aktivitäten neu positioniert --
eine Entscheidung, die nicht in der Macht der Landesregierung in Niedersachsen
liegt und auf die sie auch keinen Einfluß hat. Also haben wir das
zur Kenntnis zu nehmen gehabt, was die Konzernleitung entschieden hat.
Aber mit den Folgen dieser Entscheidung -- das ist unser Problem -- haben
wir uns auseinanderzusetzen. Die Folgen dieser Entscheidung, die Stahlaktivitäten
abzukoppeln, müssen bedacht werden. Ich erinnere an das Wort von Herrn
Albrecht: Diese industrielle Gruppe ist bestimmend für eine ganze
Region und seine Menschen. -- Er hat wenigstens noch gewußt, was
Sie offenbar vergessen haben: Die Folgen für eine ganze Region und
seine Menschen müssen bedacht werden.
Dann kam das Angebot der Voest-Alpine. Mehr als ein Angebot war es
nicht; Sie kennen ja die Verträge nicht, aber ich kenne sie. Das Angebot
-- unbeziffert und natürlich unter dem Vorbehalt der Bewertung durch
Wirtschaftsprüfer -- war, die Stahlaktivitäten der Preussag AG
zu übernehmen.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Das war mehr als ein Angebot!)
-- Ich sage: Ich kenne die Verträge, Sie nicht. Also reden Sie
nicht schon wieder über etwas, was Sie nicht verstehen!
(Beifall bei der SPD)
Natürlich stand das Angebot, wie es auch nur vernünftig ist,
unter dem Vorbehalt von Bewertungen durch Unternehmensprüfer. Diese
Bewertungen werden zur Zeit vorgenommen. Die Voest, die dieses Angebot
gemacht hat -- nur nebenbei für die Ordnungspolitiker --, ist ein
Unternehmen, das zu 43 Prozent im Besitz des österreichischen Staates
ist.
(Otto Schily [SPD]: So ist es!)
Das sage ich nur nebenbei für die Ordnungspolitiker.
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Das wissen
auch alle!)
-- Wenn Sie es wissen, warum sagen Sie es denn nicht?
Dieses Unternehmen hat das Angebot gemacht. Für die niedersächsische
Landesregierung stellte sich die Frage: Wie gehen wir mit diesem Angebot
um? Natürlich sagt die Voest nicht -- ich muß mich schon wundern,
wie sehr Sie Unternehmenssprechern glauben --: Selbstverständlich
werden wir im Rahmen der Neupositionierung des neuen Unternehmens im Stahlmarkt
das und das tun und diese oder jene Arbeitsplätze abbauen. Ich habe
noch nie gehört, daß so etwas bei einer Übernahme oder
bei einem Konzentrationsprozeß gesagt worden ist. Die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer wissen aber, daß immer das Gegenteil von dem eingetreten
ist, was vorher gesagt wurde. Das wissen sie ganz genau.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Es ist schon einigermaßen merkwürdig, wenn man sich hier
hinstellt und als Begründung für die eigene Position Erklärungen
eines Unternehmens vorträgt. Eine solche Erklärung wird doch
immer von Menschen verfaßt, die bestimmte Interessen haben. Ich bestreite
ja gar nicht, daß sie berechtigt sind. Aber man muß berücksichtigen,
daß es die Interessen einer Seite sind.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Ihre etwa nicht?)
Sie haben gesagt: Wir übernehmen dieses Unternehmen in Salzgitter.
Das haben sie nun nicht deshalb gesagt, weil es ihnen einfach so einfällt.
Vielmehr verfolgen sie doch wohl das klare ökonomische Ziel, durch
die Übernahme Synergieeffekte zu erzielen.
(Wolfgang Weiermann [SPD]: Richtig!)
Welchen Sinn sollte es denn sonst haben, ein Unternehmen zu übernehmen,
wenn man keine Synergieeffekte erzielen will?
(Walter Hirche [F.D.P.]: Macht Arbeitsplätze sicher!)
Synergieeffekte erzielen ist der etwas vornehme Ausdruck dafür,
bestimmte Anpassungsprozesse an veränderte Marktbedingungen vorzunehmen,
Anpassungsprozesse, die fast immer -- solange Sie an der Regierung sind,
sowieso immer -- zu Lasten der Arbeitnehmer ausgehen. Das ist doch so.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Dann stellt sich die ganz einfache Frage, die übrigens den Kern
der Äußerungen von Herrn Albrecht widerspiegelt -- Herr Pflüger,
Sie sollten sich wirklich einmal damit auseinandersetzen; ich persönlich
habe es nämlich getan, auch jüngst wieder --: Wenn bei einem
solchen Übernahmeprozeß Synergieeffekte erzielt werden sollen,
wenn also Entlassungen jedenfalls nicht auszuschließen sind, wenn
sie nach allen Erfahrungen sogar drohen, wo werden sie zuerst vorgenommen:
am Sitz der Unternehmenszentrale oder bei einer Tochter?
(Walter Hirche [F.D.P.]: Am schlechten Standort! -- Lachen bei der
SPD)
-- Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, wo das in aller Regel geschieht.
Das ist doch die klassische Erfahrung, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
gemacht haben.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
In jedem Fall passiert das nicht zuerst da, wo der Sitz des Unternehmens
ist -- schon gar nicht in diesem Fall, wo der österreichische Staat
43 Prozent des Unternehmens besitzt. Das werfe ich dem Kollegen Klima überhaupt
nicht vor. Er handelt genauso rational wie ich und nicht so irrational
wie Sie. So ist das.
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Ach Gott!)
Es geht doch nicht darum, ob ein Unternehmen ankündigt, daß
es soundso viele Arbeitsplätze abbaut, sondern es geht um die Frage
-- ich schaue dabei voraus; das ist ja die Aufgabe von Politik, jedenfalls
von einer Politik, wie ich sie verstehe --:
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Walter Hirche [F.D.P.]: Nach
der Wahl eine andere Wahrheit als vorher, das ist Ihre Politik!)
Haben wir zu befürchten, daß wir in dem Falle, daß
bestimmte Synergieeffekte erzielt werden sollen, mit diesen Folgen konfrontiert
werden? -- Das ist das Problem.
Alle Gutachten, die es darüber gibt -- dieses Unternehmen ist
sorgfältig untersucht worden --, besagen: In einem sich verändernden
Stahlmarkt -- er verändert sich; gar keine Frage -- ist die Preussag
Stahl AG so positioniert, daß sie sich alleine am Markt behaupten
kann.
(Gerd Andres [SPD]: Das ist wahr!)
Sie sind unternehmerisch so gut, sie haben ein so glänzendes Know-how
und verfügen in den drei Standorten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
über eine solch Klasse Mannschaft,
(Beifall bei der SPD)
daß sie sich auch als ein kleineres Unternehmen am Markt behaupten
können. Das ist gerade durch eine Untersuchung von McKinsey bestätigt
worden, die im Auftrag des Konzernvorstandes angestellt wurde. Er wollte
damit vermutlich etwas ganz anderes bezwecken, nämlich die Trennung
der Preussag von der Stahlbranche zu rechtfertigen. Diese Untersuchung
ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es in ganz Europa kein technologisch
so interessantes Unternehmen gibt, das auch fähig ist, alleine am
Markt zu bestehen, wie die PSAG in Peine und Salzgitter.
Wir müßten doch sehr merkwürdige Leute sein, wenn wir
jetzt nicht wenigstens versuchten, die notwendigen Anpassungsprozesse in
einem sich dramatisch verändernden Stahlmarkt, die auch die PSAG vor
sich hat, so vonstatten gehen zu lassen, daß sie aus dem jeweiligen
Land heraus bestimmt werden und nicht fremdbestimmt sind. Siehe die Ausführungen
von Herrn Albrecht aus dem Jahr 1990.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)
Das ist der Hintergrund, vor dem wir gesagt haben: Wir möchten
Ruhe und Stabilität in das Unternehmen bringen. Deshalb möchten
wir die Aktienmehrheit haben. Noch haben wir sie nicht. Da gibt es übrigens
sehr harte Preisverhandlungen, weil wir nicht mehr zahlen werden, als der
Markt es vorgibt. Wir denken gar nicht daran. Die andere Seite will das
auch nicht.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Ministerpräsident,
darf ich Sie darauf hinweisen: Bei Verlängerung Ihrer Redezeit --
--
Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen): Das macht
nichts, Frau Präsidentin.
(Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Beleidigung der Präsidentin!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Doch, das macht schon etwas!
Ministerpräsident Gerhard Schröder (Niedersachsen): Ich denke,
das ist ein ernstes Thema.
(Beifall bei der SPD)
Ich glaube, es macht überhaupt nichts, wenn im Deutschen Bundestag
auch wieder einmal über die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in Deutschland geredet wird. Das haben Sie doch verlernt!
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Unverschämte
Flegeleien sind das!)
-- Wann hatten Sie denn etwas mit den Interessen der Arbeitnehmer am
Hut? Nie! In Ihrem ganzen Leben noch nicht! Das weiß man doch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS -- Widerspruch
des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])
Ich sage es noch einmal: Wir mußten intervenieren, um das Unternehmen
in den Stand zu setzen, sich aus eigener Kraft auf dem Hintergrund seiner
wirklich guten Möglichkeiten in einem sich neu formierenden Stahlmarkt
zu behaupten. Dies ist der Kern unserer Intervention. Das ist im übrigen
der einzige Grund für unsere Intervention.
Eines können Sie mir glauben: Ich habe mir das nicht bestellt.
Mir wäre es lieber gewesen, wenn sich die Preussag in der Lage gesehen
hätte, sich nicht von einem Unternehmensteil zu trennen, der in der
Tat in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt 100 Millionen DM Profit
an die Mutter abgeführt hat. Das hätte ich lieber gehabt. Ich
habe mir das doch nicht ausgesucht. Ich darf aber auch nicht warten, bis
es zu spät ist.
Das Unternehmen ist so bestellt, daß es sich behaupten kann und
auch weiter behaupten wird. Wir schaffen ihm die Ruhe und die Möglichkeiten,
damit es die Anpassungen, die notwendig sind und die auch schmerzlich sein
werden, in eigener Regie durchführen kann.
Wenn Sie noch Beispiele brauchen, wie das anders laufen kann: General
Motors hat angekündigt, daß es Kostenprobleme hat, die es dadurch
lösen wird, daß es in Deutschland 30 Prozent seiner Arbeitsplätze
abbaut. Von Detroit habe ich in dem Zusammenhang nichts gehört.
Meine Damen und Herren, wollen wir jetzt auch noch über Boehringer
reden, wo die Leute seit Wochen -- von Ihnen gar nicht wahrgenommen --
auf der Straße sind, um Ihnen die negativen Folgen einer solchen
Fusion klarzumachen? Sie hören doch gar nicht mehr hin, wenn Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer ihre Interessen formulieren. Das ist doch Ihr Problem!
(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)
Ich meine, damit ist mehr als hinreichend belegt, daß das Steuergeld,
das wir dort treuhänderisch verwalten, vernünftig ausgegeben
wird, vorausgesetzt, daß die Verhandlungen positiv abgeschlossen
werden. Wir sind der Auffassung, Herr Hirche -- was Sie natürlich
nicht sind --, daß es besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu
bezahlen. Das ist doch Ihr Problem!
(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES
90/DIE GRÜNEN)
Sie sind in den letzten 15 Jahren mit Ihrer Wirtschaftspolitik total
gescheitert. Sie sind für 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich,
haben aber die Frechheit, sich hier hinzustellen und anderen Leuten Ratschläge
zu geben. Das ist wirklich die Spitze an Dreistigkeit!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der PDS -- Zuruf des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])
-- Jetzt sagt dieser Mann auch noch, wir marschieren in die falsche
Richtung. Sollen wir denn in Ihre Richtung marschieren, zu noch mehr Arbeitslosigkeit?
Oder was wollen Sie?
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Machen
Sie es wie Großbritannien und halbieren Sie die Arbeitslosigkeit!)
Meine Damen und Herren, dann reden wir einmal über das, was in
und mit diesem Unternehmen passieren wird, wenn die Phase der Konsolidierung,
der Neupositionierung im Markt abgeschlossen ist. Wir haben immer erklärt
-- wir haben das exerziert; ich komme gleich dazu --, daß wir gar
nicht daran denken, diesen Industriebesitz auf Dauer zu behalten. Warum
denn? Wenn die Neupositionierung abgeschlossen ist, macht es Sinn, zu reprivatisieren.
Es macht Sinn, eines zu realisieren, worüber geredet, aber eben nur
geredet wird, nämlich endlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
an dem zu beteiligen, was sie erarbeiten. Das werden wir durchsetzen.
(Beifall bei der SPD)
Hinsichtlich der Bewertung dieses Vorgangs bin ich ganz gelassen. Ich
räume ein, meine Damen und Herren: Das paßt nicht so ganz zu
den Lehrbuchweisheiten neoliberaler Angebotspolitiker. Das weiß ich
sehr wohl.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Das machen nur die Briten!)
Die Lehrbücher vor sich herzutragen und die Menschen allein zu
lassen, was Sie tun, ist das eine. Etwas anderes ist es, für die Menschen
einzustehen und Lehrbücher Lehrbücher sein zu lassen.
(Beifall bei der SPD)
Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wie das in der Region,
im Land und darüber hinaus bewertet werden wird.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Ein Bankrotteur, der die Zukunft verspielt!)
-- Darüber müssen Sie gerade reden. Gerade diese Regierung,
die für 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich ist, muß anderen
Vorwürfe machen. Wohin sind wir eigentlich gekommen, daß so
etwas möglich ist, daß Sie sich nicht schämen, so etwas
zu tun?
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Walter Hirche [F.D.P.]: Sie haben
das verlernt!)
Wenn wir diese Operation zugunsten der Beschäftigten im Einklang
mit den betrieblichen Vertretern, mit dem Management -- wir denken gar
nicht daran, uns in das operative Geschäft einzumischen -- abgeschlossen
haben werden, werden wir uns wiedersehen und darüber diskutieren.
(Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)
Dann werden Sie eine andere Bewertung vornehmen, wie Sie später
eine andere Bewertung vorgenommen haben, als Sie mir zunächst mit
den gleichen Argumenten gesagt haben -- ich höre sie doch noch --:
Schröder, was du da in Lemwerder machst, ist Teufelszeug, das darfst
du auf gar keinen Fall machen.
(Gerd Andres [SPD]: Richtig! -- Herbert Lattmann [CDU/CSU]: Bleiben
Sie bei der Wahrheit!)
Heute haben wir 600 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz erhalten
und das Unternehmen wieder privatisiert. Was wollen Sie denn eigentlich
mehr von Wirtschaftspolitik?
(Beifall bei der SPD)
Was haben wir gemacht, als wir herausbekamen, wie es mit der Conti
laufen sollte? Wir haben eine Niedersachsen-Holding gegründet, um
eine Übernahme zu verhindern. Diese Holding haben wir im Interesse
des Unternehmens und im Interesse der Beschäftigten wieder aufgelöst.
Meine Damen und Herren, es mag sein, daß das nicht zu Ihrer Philosophie
paßt. Aber glauben Sie mir: Weder mich noch die Beschäftigten
in der Region, ihre Familien und die Menschen, die mit davon betroffen
sind, interessiert Ihre Philosophie. Die interessiert einzig und alleine:
Wer steht für unsere materiellen Interessen, für unsere Lebensinteressen
als abhängig Beschäftigte? Das sind wir. Daß Sie es nicht
sind, haben die Leute längst begriffen. Verlassen Sie sich darauf!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Anhaltender Beifall bei der SPD -- Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN -- Walter Hirche [F.D.P.]: Der Mittelstand
und die Jugend bezahlen das!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete
Erich Maaß.
Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo ist das Selbstbewußtsein
eines Gerhard Schröder geblieben?
(Lachen bei der SPD)
Darüber, wie Sie heute hier aufgetreten sind, Herr Schröder,
kann man sich nur wundern. Er schreckt nicht einmal davor zurück,
die Präsidentin des Hohen Hauses anzuflegeln und sich dann noch als
Garant der Arbeitnehmer hinzustellen. Wer hat sich denn jahrelang in der
Gunst der Großen der Industrie gesonnt? Das waren doch Sie, Herr
Schröder. Sie sind doch beim Opernball und anderswo aufgefallen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Lieber Herr Schröder, Sie sind der niedersächsische Ministerpräsident.
Sie wollen hier versuchen, auszuweichen. Ich garantiere Ihnen: Die nächsten
24 Tage können Sie nicht überwintern. Die Antworten auf die Fragen,
die an Sie gestellt werden, müssen Sie geben.
(Lachen bei der SPD)
-- Bleiben Sie doch ruhig. Regt euch doch nicht auf, liebe Genossen.
Ich glaube nicht, was Konzernbosse -- vielleicht zur Rechtfertigung
-- erzählen. Aber ich glaube Herrn Dr. Schultze. Das ist Ihr Vorsitzender
des Wirtschaftsausschusses; das ist der oberste Personalchef von 13 700
Mitarbeitern.
(Zuruf von der CDU/CSU: Der neutrale Mann!)
Dieser Mann, ein Neutraler, hat gesagt -- ich zitiere --:
Natürlich wurden Sicherungen für Arbeitsplätze und Standorte
verabredet.
Und weiter:
Das eine dürfen Sie mir glauben, hätte in dem Voest-Papier
gestanden: Wir werden den Standort X oder Y halbieren oder gar aufgeben,
hätte ich dem unter keinen Umständen zugestimmt -- und die anderen
auch nicht.
Meine Damen und Herren, das sind wahre Worte. Hier wollen Sie untertauchen,
Herr Schröder.
(Zustimmung bei der CDU/CSU -- Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]:
Lächerlich!)
Herr Schultze sagte weiter:
Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht wurde, nicht
für angemessen, aber nun haben wir Wahlkampf, und es paßt da
rein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Herr Schröder, Sie spielen mit den Ängsten und Sorgen der
Mitarbeiter. Sie treten sie mit Füßen. Warum diese hektischen
Reaktionen Ihrerseits?
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Ich darf einen weiteren Punkt ansprechen. Was senden Sie, Herr Schröder,
für fatale Signale aus Niedersachsen? Wo waren Sie eigentlich,
(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Hier!)
als beispielsweise Iglo in Wunstorf mit den Holländern kooperierte?
Wo waren Sie, als beispielsweise bei Linke-Hoffmann-Busch in Salzgitter
ein französischer Investor auftrat? Von den 4000 Arbeitsplätzen
wurde keiner abgebaut, sondern zusätzliche wurden geschaffen. Wo waren
Sie da? Nur weil es Ihnen in den Kram paßte, waren Sie sechs Wochen
vor dem Wahltermin plötzlich in Salzgitter. Herr Schröder, Sie
senden falsche Signale. Was würden Sie sagen, wenn ein Jospin oder
ein Tony Blair bemerken würde: Die Deutschen kommen; macht die Schotten
dicht. Wie vereinbart sich das mit Europa?
Herr Schröder, ich darf Ihnen noch eines sagen -- jetzt zitiere
ich den "Focus"; das kommt hier beklemmend rüber, und das macht uns
Sorge --:
(Gerd Andres [SPD]: Nur Sie kommen beklemmend rüber!)
Die Jobs waren nie in Gefahr -- die Krise mußte eigens erfunden
werden, um den angeschlagenen Helden für die Schlacht um die SPD-Kanzlerkandidatur
zu stärken.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Genau das ist die Wahrheit! -- Zurufe
von der CDU/CSU und der F.D.P.: Sehr richtig!)
Herr Schröder, Sie schrecken nicht einmal davor zurück. Und
das ist schlimm!
Jetzt darf ich Ihnen folgendes sagen: Hier wurde von dem Mühlstein
für das Land Niedersachsen, der uns langsam erdrückt, gesprochen.
(Widerspruch bei der SPD)
-- Ich kann Ihre Nervosität verstehen.
(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was haben Sie noch vor zwei Tagen in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven
gesagt? Ich zitiere:
Er beschönigte nicht die derzeit schwierige finanzielle Lage des
Landes und kündigte an, sobald wieder mehr Spielraum bestehe, würden
zuerst Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung
getätigt.
Herr Schröder, wo sind sie? Sie gehen Verpflichtungen bei leeren
Kassen ein und verspielen Zukunftsoptionen für Niedersachsen. Das
ist doch das Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Lachen bei der SPD)
Herr Schröder, ich will hier eines noch kurz erwähnen: Wer
zur persönlichen Profilierung mit der Angst der Menschen Politik macht,
fügt der Demokratie in unserem Lande schweren Schaden zu. Sie tun
das. Sie verletzen Ihren Amtseid.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Wilhelm Schmidt [Salzgitter]
[SPD]: Das glaubt doch nun wirklich niemand! -- Dr. Willfried Penner [SPD]:
Wer war denn Vorstandsmitglied bei Olympia in Wilhelmshaven?)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat der Abgeordnete
Wolfgang Weiermann.
Wolfgang Weiermann (SPD): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ministerpräsident
Schröder hat recht, wenn er feststellt, daß bei Zusammenschlüssen,
bei Firmenübernahmen in allererster Linie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
die Zeche zu zahlen haben, nämlich dadurch, daß die Belegschaftszahlen
erheblich heruntergefahren werden. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn
ich feststelle, daß wir in dem Unternehmen, in dem ich jahrelang
tätig war, im Jahre 2001 nicht mehr von 10 000, nicht mehr von 8000,
sondern nur noch von 1500 Menschen, die im Stahlgeschäft tätig
sein werden, sprechen können. Das ist die Wahrheit. Darüber muß
man an dieser Stelle sprechen.
Hören Sie mit dem Vorwurf auf, Herr Schröder erinnere sich
nicht an seinen Amtseid, den er geleistet hat. Ich wünschte mir Politiker,
die so viel Verantwortung gegenüber der Gesellschaft haben, wie Schröder
sie an dieser Stelle bekundet hat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)
Dieser Schritt Niedersachsens beinhaltet, 14 000 Arbeitsplätze
zu sichern, für die Zukunft zu stabilisieren, für die Region
zu erhalten -- und das unter dem Eindruck, daß seit 1990 bundesweit
3,4 Millionen Stellen gestrichen worden sind. Wir können keinen weiteren
Arbeitsplatzabbau in diesem rasanten Maße über die 5 Millionen
Menschen hinaus mehr verkraften. Das sind wir den Menschen draußen
schuldig; oder unsere Politik, die wir hier machen, ist verkehrt.
(Beifall bei der SPD)
Wir wissen, daß wir gegenwärtig eine Beschleunigung des
Beschäftigungsabbaus in der Bundesrepublik von 1,3 Prozent haben.
Was wird denn dagegen getan, meine Damen und Herren? Hunderttausend Langzeitarbeitslose
-- das ist Ihre Empfehlung, Ihre Erklärung -- sollen über die
Kommunen wieder in Arbeit gebracht werden, wobei Sie sich in der Verantwortung
zurückhalten, die Maßnahmen entsprechend zu finanzieren; sie
bleiben nichts als Ankündigung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Tun Sie doch nicht so, als sei das ein Sündenfall und ein Verstoß
gegen die Marktwirtschaft! Dann haben Sie im Grunde genommen das Einmaleins
der Wirtschaftspolitik nicht begriffen. Wir brauchen genügend qualifizierte
Beschäftigung, sonst geht uns der gesamte Markt zum Teufel. Das ist
die Wahrheit.
(Beifall bei der SPD)
Ich kann Ihnen, liebe Kollegen von der F.D.P., den Vorwurf der Realitätsblindheit
nicht ersparen.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Auwei!)
Sie haben wirklichkeitsfremde Ideologien.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Wer hat denn die soziale Marktwirtschaft durchgesetzt?
Doch nicht die SPD!)
Es ist doch mehr als eigentümlich, daß ausgerechnet Sie
sich heute für die Belange der Stahlindustrie glaubhaft einsetzen
wollen. Das nimmt Ihnen doch keiner ab. Sie waren es doch, die über
eineinhalb Jahrzehnte durch ihre Wirtschaftsminister hier im Bund die deutsche
Stahlindustrie an den Rand des Wettbewerbs und an den Rand ihrer Existenz
gebracht haben.
(Beifall bei der SPD)
Das waren Männer wie Bangemann, Haussmann, Möllemann und
jetzt Rexroth,
(Zuruf von der SPD: Kein Fachmann!)
die die deutschen Stahlinteressen vernachlässigt haben, die sich
nicht gegen den Subventionswettlauf in anderen EG-Staaten gestemmt haben.
Sie waren diejenigen, die die Existenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in diesen Revieren aufs Spiel gesetzt und gefährdet haben.
Lassen Sie mich das sagen, weil das ein Teil der Geschichte der Stahlbranche
in den letzten anderthalb Jahrzehnten war: Sie haben nichts dagegen getan,
daß 140 Milliarden DM in anderen Staaten der EG für die Stahlindustrie
geflossen sind. Sie haben dabei in der Tat im Ministerrat hingenommen,
daß die deutsche Stahlindustrie diesem Wettbewerb beinahe nicht mehr
hätte standhalten können und aus dem Geschäft gedrängt
worden wäre. Sie wissen genauso wie ich, wieviel Substanz in diesen
eineinhalb Jahrzehnten hierbei in der deutschen Stahlindustrie verlorengegangen
ist. Das ist die Wahrheit.
Deswegen sage ich an dieser Stelle: Was das Land Niedersachsen hier
an Prinzipien, an machbarer Praxis vorgibt, das ist ein Schritt in die
richtige Richtung. Wir alle von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion
werden diese Politik Niedersachsens hier im Parlament nachdrücklich
unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der PDS)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht
der Abgeordnete Carl-Detlev von Hammerstein.
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine ganz erstaunliche Geschichte
in der Bundesrepublik, daß ein einzelner Mann ein ganzes Stahlwerk
kauft, ohne auf die vielen Widerrufe seiner eigenen Partei -- ich denke
nicht nur an Herrn Schultze --, seiner eigenen Fraktion, seiner eigenen
Regierungsmitglieder zu hören.
Es gibt in einem hochinteressanten Blatt eine Zeichnung, über
der steht: "Mit Karacho in die Knautschzone" -- Herr Schröder, wie
er leibt und lebt und er sich selber darstellt und seine Regierungsarbeit
mit "befriedigend" benotet. Herr Schröder, nach dieser Verstaatlichung
werden in Niedersachsen 99 Prozent der Bürger "mangelhaft" aussprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Lachen bei der SPD)
Herr Schröder, bisher sind Sie eigentlich der Garant für
die Globalisierung der Märkte gewesen. Ich denke an eine Aussage,
die Sie vor wenigen Tagen einmal gemacht haben, nämlich daß
Sie als Aufsichtsratsmitglied im VW-Konzern großes Interesse daran
hätten, Rolls Royce zu übernehmen. Nun bot sich nach vielen Jahren
das erste Mal die Chance, daß zwei Länder -- nämlich Österreich
und England -- zwei Konzerne nannten, die Interesse hatten, in den sehr
diffizilen Markt des Stahles einzusteigen. Sie verhindern das!
Es ist interessant, ein Stahlwerk zu kaufen, ohne Geld zu haben.
(Heiterkeit bei der F.D.P.)
Nun finanziert Herr Schröder das zum einen über die Hannoversche
Beteiligungsgesellschaft. Herr Schröder, weil Ihre eigene Fraktion
im Hinblick auf diese Hannoversche Beteiligungsgesellschaft von einem Schattenhaushalt
mit einer maroden roten Zahl spricht, bitte ich Sie, dem Hohen Haus und
jedem Bürger in Niedersachsen einmal zu sagen, wieviel Geld dort drin
ist und wieviel Geld dort herausgenommen werden kann. Ihr Finanzminister
hat gesagt, da sei Geld drin, und zwar das Aktienkapital von VW. Wollen
Sie VW auch noch schwächen?
Für mich ist aber viel wichtiger und interessanter, daß
ein Teil der Finanzierung über die Nord-LB laufen soll. Da müßte
meines Erachtens der Aufschrei der Sparkassen und aller niedersächsischen
Bürgerinnen und Bürger kommen. Die haben nämlich das Geld,
das sie mühselig verdient haben, bei den Sparkassen angelegt; und
nun soll die Nord-LB ein Stahlwerk kaufen.
Herr Schröder, was tun Sie denn für die vielen tausend kleinen
und mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen,
(Zurufe von der CDU/CSU: Nichts! Gar nichts!)
ohne daß der Staat kauft, weil das nichts mit moderner Wirtschaftspolitik
zu tun hätte? Es wird ein Großunternehmen gekauft, ohne daß
es wirtschaftliche Probleme hat. Das stößt bei vielen Menschen
im Lande Niedersachsen auf Unverständnis und gibt das Gefühl
-- das ist schmerzlich -- daß es zwei verschiedene Gruppen von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern gibt: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den kleinen
Betrieben und die anderen in den großen Betrieben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Ich halte das angesichts der Beschäftigungsanstrengungen des Mittelstands
gerade in Niedersachsen für ein verhängnisvolles Signal. Herr
Schröder, Sie und die SPD-Fraktion haben die heutigen Reden auf die
Arbeitnehmer abgestellt. Das ist auch richtig. Meines Erachtens ist es
aber ebenso wichtig, Herr Schröder, auch den vielen tausend mittelständischen
Unternehmen, die im Augenblick nicht in der Lage sind, finanziell zu überleben,
Hilfe zu geben. Das wird leider vergessen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das müssen Sie doch der Bundesregierung
und nicht uns sagen! Erzählen Sie das Herrn Rexrodt!)
-- Nein, nicht Rexrodt. Herr Schröder ist hierfür verantwortlich,
nicht Herr Rexrodt. Das muß man klar und deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Walter Hirche [F.D.P.]:
Niedersachsen ist schlechter als andere Bundesländer! Leider!)
Jedenfalls, Herr Schröder, würde ich bei leeren Kassen nicht
den Mut haben, ein Stahlwerk zu kaufen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. -- Zuruf von der SPD: Ihr habt
leere Köpfe!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Der nächste Redner ist
Dr. Otto Graf Lambsdorff.
Dr. Otto Graf Lambsdorff (F.D.P.): Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen! Meine Herren! Herr Ministerpräsident, Ihr Land hat
ein schönes Staatswappen -- im Mittelpunkt das Niedersachsenroß.
Wenn Ihre Landesregierung so weiterwirtschaftet, wie es die "Süddeutsche
Zeitung" -- Herr von Hammerstein hat mir das Exemplar freundlicherweise
gleich hiergelassen -- am Montag dieser Woche beschrieben hat, dann werden
Sie Ihr Staatswappen ändern müssen. Dann ersetzen Sie das Roß
durch ein Känguruh. Wappenspruch: Große Sprünge mit leerem
Beutel.
(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Wenn Sie, Herr Schröder, ein Unternehmen so leiten würden,
wie Sie mit der niedersächsischen Staatskasse umgehen, dann wäre
entweder der Laden pleite oder Sie wären rechtzeitig herausgeworfen
worden.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Das Sprichwort sagt: Nur ein Schelm gibt mehr, als er hat. Herr von
Hammerstein hat recht: Der niedersächsische Ministerpräsident
kauft ein Stahlwerk ohne Geld. Ist er ein Schelm, oder kann er nicht rechnen
-- oder beides? Sechs Wochen ist der Kaufentschluß her, aber bei
der Finanzierung ist das Ende immer noch offen. Das nenne ich ein Höchstmaß
finanzieller Unsolidität.
1,3 Milliarden DM hat Voest-Alpine für Preussag Stahl und den
inländischen Teil von Preussag Handel geboten. Herr Schröder,
Sie schütteln schon wieder den Kopf. Ihr Finanzminister Waike hat
das der "Braunschweiger Zeitung" wörtlich so erklärt.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Genauso ist es! -- Carl-Detlev Freiherr
von Hammerstein [CDU/CSU]: Er weiß es auch!)
Nun rechnen Sie einmal nach, meine Damen und Herren, und auch Sie bitte,
Herr Schröder. Sie müssen 1,3 Milliarden DM finanzieren, wenn
Sie keinen Käufer für die restlichen Anteile finden. Das kostet
das Land Niedersachsen bei einem Zinssatz von 5,2 Prozent für zehnjährige
Anleihen 68 Millionen DM im Jahr an Zinsen, ohne daß eine Mark an
Schulden getilgt wurde. Die Preussag Stahl AG hat in den letzten Jahren
eine durchschnittliche Dividende in Höhe von 51 Millionen DM an ihren
Aktionär ausgeschüttet. Also machen Sie jährlich für
das Land Niedersachsen einen Verlust von 17 Millionen DM.
(Jörg van Essen [F.D.P.]: Hört! Hört!)
Das Land hat einen teuren Ministerpräsidenten, einen zu teuren.
Aber Sie, Herr Schröder, haben das ja geübt: 20 Prozent hält
das Land am Stammkapital der Volkswagen AG. Der Dividendenertrag für
das Jahr 1996 betrug 50 Millionen DM. Der Marktwert des Aktienpaketes zum
gestrigen Schlußkurs betrug 5,9 Milliarden DM. Wenn das Land Niedersachsen
diesen Anteil verkaufen würde, betrüge die Zinsersparnis, ganz
vorsichtig gerechnet, 250 Millionen DM pro Jahr. Es geschieht aber das
genaue Gegenteil. Das Land Niedersachsen will sich an der geplanten Kapitalerhöhung
der Volkswagen AG wieder mit gepumptem Geld und wieder mit einem Minusertrag
beteiligen. Aktienkauf auf Kredit, das ist nun wirklich Spekulation. Ein
SPD-Ministerpräsident in der Rolle des Spekulanten -- Sie werden zum
Serientäter, Herr Schröder.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident Schröder begründet
seinen "Hoppla, jetzt komm ich"-Entschluß mit dem drohenden Verlust
von Arbeitsplätzen.
(Zuruf von der SPD)
Herr Schröder, richtig ist: Diese Krise haben Sie erfunden. Diese
Krise besteht nicht. Die Voest-Alpine erklärte, es habe zu keiner
Zeit die Absicht bestanden, Arbeitsplätze abzubauen. Darauf entgegnen
Sie, die Leute, die so reden, sagen sowieso nicht die Wahrheit. Das haben
Sie uns hier gesagt. Der Vorstand der Preussag AG bestätigt aber doch
genau das gleiche. Er bestätigt, daß bei einem Kauf kurzfristig
keine Arbeitsplätze in Gefahr gewesen seien.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt! Kurzfristig nicht!)
Diese Krise ist von Ihnen erfunden worden, damit Sie in Rambo-Manier
Ihre Industriepolitik durchsetzen können.
(Siegmar Mosdorf [SPD]: Herr Lambsdorff, was sagen Sie denn zu Alcatel?)
-- Ich kann leider keine Zwischenfragen beantworten, Herr Mosdorf,
das tut mir leid. Ich finde es auch schon ziemlich unerhört, wieviel
Redezeit der Ministerpräsident hier in Anspruch genommen hat. Man
selber soll dann in fünf Minuten darauf antworten.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die Stahlproduktion läuft dank der Automobilkonjunktur
auf hohen Touren. Herr Weiermann, die deutsche Stahlindustrie ist -- sicherlich
auch gegen den Widerstand und gegen das Übel der Subventioniererei
in Europa, wogegen wir uns in allen Regierungen, auch schon zur Zeit der
sozialliberalen Koalition gewehrt haben -- heute in einer ganz vorzüglichen
Verfassung, zugegebenermaßen nach erheblichen Arbeitsplatzverlusten.
Das ist nicht zu bestreiten. Aber wettbewerbsfähig ist sie.
Ihnen, Herr Schröder, sage ich aber zu all dem, was Sie uns hier
erzählt haben und was auch sonst berichtet wird: Langfristig wird
die Preussag Stahl AG in einen größeren Verbund hineinmüssen.
Diesen Weg erschwert die Rückverstaatlichung, die Sie jetzt vorgenommen
haben; langfristig, Herr Schröder, gefährden Sie Arbeitsplätze.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Herr Schröder, Sie wollten keinen Verkauf an Voest-Alpine. Sie
halten wirklich gewaltige und eindrucksvolle Reden. Das können Sie
auch. Das wissen wir ja. Sie wollen den Eindruck erwecken, Sie hätten
das Zeitalter der Globalisierung viel besser als Ihr Rivale Oskar Lafontaine
verstanden. Warum agieren Sie denn hier mit dem Horizont eines Hühnerhofs?
Wie kann man denn von "fremdbestimmt" reden, wenn sich ein Unternehmen
aus einem Land der Europäischen Union -- 43 Prozent hält der
Staat, das ist richtig -- an einem niedersächsischen Unternehmen beteiligen
will? Es ist doch richtig, daß man Sie gefragt hat, was Sie sagen
würden, wenn dem Erwerbsinteresse von VW an Rolls Royce aus England
mit dem Argument begegnet würde: Wir wollen keine niedersächsischen
Ausländer.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Jörg van Essen [F.D.P.]:
Eine sehr berechtigte Frage!)
Deutschland, Herr Schröder, das wissen Sie, braucht Investitionen.
Die Lücke ist groß genug. Das ist schlimm. Es braucht sie gerade
auch von ausländischen Unternehmen. Das ist mit Recht gesagt worden.
Heute morgen hat die SPD im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages
darauf gedrängt, daß das verbessert und verstärkt wird.
Sie haben dem Standort Deutschland und erst recht dem Standort Niedersachsen
mit dieser provinziellen Entscheidung einen Bärendienst erwiesen.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU -- Walter Hirche [F.D.P.]:
Schweren Schaden zugefügt!)
Sie sind offenbar auch noch ohne Landtag und Haushaltsausschuß
-- aber das mögen Sie zu Hause ausmachen -- eine milliardenschwere
Verpflichtung eingegangen. Sie belasten den niedersächsischen Steuerzahler
für dieses industriepolitische Gehabe. Wenn Sie so weitermachen, werden
Sie nicht ein Känguruh auf dem Staatswappen haben, sondern einen Pleitegeier.
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Das Wort hat jetzt der Abgeordnete
Thomas Rachel.
Thomas Rachel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die nicht
gerade CDU-lastige Wochenzeitung "Die Zeit" titelte am 15. Januar dieses
Jahres: "Ministerpräsident Schröder stoppt den Verkauf von Preussag
Stahl an Ausländer -- und schadet dem Land." Unterzeile: "Plumper
Populismus".
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist schon auffällig, wie kritisch,
ja ablehnend die Presse die Aktion des niedersächsischen Ministerpräsidenten
Schröder kommentiert.
Drei Fragen interessieren uns in diesem Zusammenhang. Erstens. Was
bedeutet der Vorgang für das betroffene Unternehmen und seine Zukunftsperspektive?
Zweitens. Was bedeutet der Vorgang für die betroffenen Beschäftigten?
Diese Frage interessiert mich als Christdemokrat genauso wie die erste
Frage. Ich sage das hier in aller Deutlichkeit. Drittens. Welche Bedeutung
hat der Vorgang für ausländische Investitionen?
Um es klar zu sagen: Preussag Stahl ist ein bestandsfähiges Unternehmen;
es ist nicht gefährdet gewesen. Es ist ein technisch gut ausgerüstetes
Stahlunternehmen; es ist gut geführt und hat vernünftige Gewinne
in der Vergangenheit gemacht. Es handelt sich also keineswegs um ein Unternehmen,
das vor dem Konkurs gerettet werden mußte. Es läßt sich
deshalb feststellen, daß es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit
zum Kauf von Preussag Stahl durch das Land Niedersachsen nicht gegeben
hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Ich kündige Ihnen an, daß Ihnen alle Ihre Aktionen gar nichts
nützen; denn letztlich wird sich das Unternehmen am Markt bewähren
müssen. Sie haben mit Ihrer Aktion den Eindruck erweckt, daß
Preussag ohne Ihr Eingreifen nicht wettbewerbsfähig ist. Das wird
Ihnen nicht nur bei den weiteren Verkaufsverhandlungen, sondern auch hinsichtlich
der Perspektiven dieses Unternehmens erheblich schaden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. -- Walter Hirche
[F.D.P.]: Das ist die Geldzerstörung, von der ich gesprochen habe!)
Sie haben angeführt, daß die Standorte in Niedersachsen
gefährdet und die Arbeitsplätze bedroht seien. Wir haben es da
mit einem sensiblen Thema zu tun. Betroffen sind Menschen, die für
sich und ihre Familien eine Perspektive suchen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Diesen Eindruck kann man bei Ihnen
eigentlich nicht haben!)
Die eigentliche Unverschämtheit besteht darin, daß die Argumente
der SPD-Landesregierung nicht stichhaltig sind. Voest-Alpine hat klargestellt,
daß keiner der niedersächsischen Standorte gefährdet gewesen
wäre, daß keine Arbeitsplätze hätten abgebaut werden
sollen.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das wird auch durch dauerndes
Wiederholen nicht besser!)
Herr Schröder, erklären Sie sich in aller Deutlichkeit! Wenn
Sie bei Ihrem Kurs und Ihrer Argumentation bleiben wollen, dann bezichtigen
Sie die Vertreter des österreichischen Unternehmens der Lüge.
Das möchte ich hier gern von Ihnen erleben!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. -- Reinhard Freiherr
von Schorlemer [CDU/CSU]: Sehr wahr!)
Sie haben mit den Gefühlen der betroffenen Menschen gespielt;
das ist keine politische Führungsstärke, deren Sie sich gerne
rühmen. Sie haben Gefahren in den Raum gestellt, die in Wirklichkeit
nicht vorhanden sind; das ist Wahlkampf, wie Ihr Parteikollege Schultze
diesen Vorgang zu Recht bezeichnet hat. Das ist ein abschreckendes Bild
von SPD-Politik für dieses Land.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. -- Wilhelm
Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Blasen Sie sich doch nicht so auf!)
Zu meiner dritten Frage: Welche Wirkungen hat Ihre Politik auf ausländische
Investoren? Glücklicherweise bieten viele ausländische Unternehmen
Arbeitsplätze in Deutschland an. Es ist doch überhaupt keine
Frage, daß das in diesem Land so bleiben muß.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)
Wenn Sie, Herr Schröder, von Wirtschaft und Globalisierung reden
-- Sie tun das besonders gern bei den Wirtschaftsbossen -- und im gleichen
Atemzug durch Ihr konkretes Tun Unternehmen brüskieren, diskriminieren
und ausgrenzen, dann ist das unmoralisch und zutiefst unglaubwürdig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Schröder, Ihre Ohrfeige für das österreichische
Unternehmen, für einen ausländischen Investor, tut auch anderen
ausländischen Investoren weh. Sie müssen nicht glauben, daß
das nicht von anderen beobachtet wird. Ich bin der Meinung, daß das
Wort "Globalisierung" Ihnen künftig im Halse steckenbleiben sollte,
wenn Sie an die Ausarbeitung Ihrer nächsten wirtschaftspolitischen
Reden gehen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als vorletzter Redner der
Abgeordnete Gerd Andres.
Gerd Andres (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem im
Jahre 1990 die Sozialdemokratische Partei in Niedersachsen die Regierung
übernommen hat und Ministerpräsident Gerhard Schröder dort
regiert, gibt es einen Grundsatz. Dieser Grundsatz lautet: Arbeitsplätze
sichern und Arbeitsplätze schaffen ist eine Chefsache. Er kann für
einen Zeitraum von vielen, vielen Jahren für ganz unterschiedliche
Bereiche nachweisen -- Lemwerder ist als Beispiel genannt worden; aber
es gibt auch andere Beispiele aus dem mittelständischen Bereich --,
daß das Land große Anstrengungen unternommen hat, um gefährdete
Arbeitsplätze zu sichern, und daß das Land dabei immer auch
ordnungspolitisch vernünftig gehandelt hat. Lemwerder ist genau ein
solches Beispiel. Gerhard Schröder hat hier geschildert, welche Argumente
es dafür gab. Heute haben wir die Situation, daß 600 Arbeitsplätze
gesichert sind und ein wettbewerbsfähiger Standort vorhanden ist.
Der Erhalt und die Privatisierung dieses Unternehmens waren in diesem Bereich
ganz wichtig.
(Beifall bei der SPD)
In einer solchen Linie wird auch ein anderes wirtschaftspolitisches
Verständnis deutlich, das man wie folgt umschreiben kann: das Selbstverständnis
einer aktiven, modernen Wirtschaftspolitik, die bereit ist, gerade unter
den verschärften Markt- und Wettbewerbsbedingungen aktiv zu handeln
und bewußt zu gestalten.
(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Unglaublich!)
Sie tut damit exakt das Gegenteil von dem, was Sie hier während
ihrer 15 jährigen Regierungsverantwortung getan haben.
(Beifall bei der SPD)
Ich würde mir wünschen, daß es ein Einverständnis
darüber geben würde, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
und die Sicherung von Arbeitsplätzen auch hier Chefsache wäre.
Aber der Bundeswirtschaftsminister mit seiner herausragenden Leistung beispielsweise
im Rahmen der Liberalisierung des Ladenschlusses hat doch immer nur leere
Worthülsen verbreitet und nichts dafür getan, daß die Arbeitslosigkeit
in diesem Land bekämpft wird.
(Beifall bei der SPD und der PDS -- Erich Maaß [Wilhelmshaven]
[CDU/CSU]: Ihr macht Staatskapitalismus!)
-- Das hat doch mit Staatskapitalismus überhaupt nichts zu tun;
das ist doch dummes Zeug.
Herr Maaß, weil Sie sich hier so aufgeblasen haben, will ich
auch auf Ihren Beitrag noch eingehen: Erwin Teufel war in der vorigen Woche
in Peine und hat dort die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung
als goldrichtige Sache bezeichnet.
(Beifall bei der SPD)
Nehmen Sie sich an Erwin Teufel ein Beispiel!
Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang auch ein strukturpolitisches
Argument sagen. Es ist doch in der Tat so, daß das Flächenland
Niedersachsen nicht stark mit Headquarters von großen, weltweit operierenden
Unternehmen gesegnet ist. Es ist doch auch klar -- dafür gibt es viele
Belege und Beispiele --, daß bestimmte strategische Zusammenschlüsse
natürlich auch mit dem Ziel gemacht werden, Synergieeffekte zu erzielen,
insbesondere im Overhead-Bereich solche Synergieeffekte zu erzielen.
Strategische Entscheidungen, Forschung, Planung und ähnliche Dinge
tragen dort am besten und am meisten zur Sicherung von Arbeitsplätzen
bei, wo jeweils die Zentrale sitzt. Wer sich Beispiele anschaut -- Alcatel
oder General Motors --, der weiß ganz genau, daß die strategische
Entscheidung, einen Standort im Lande zu haben, auch dazu führt, daß
entsprechende Standortentscheidungen für diese Region und für
dieses Land gefällt werden.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])
Ich will einen dritten Punkt erwähnen, den ich ganz anders als
Sie, die Redner der Koalition, einschätze. Ich bin mir sehr sicher,
daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Peine, in Salzgitter
und in Ilsenburg sehr genau registrieren, was diese Landesregierung tut.
Sie merken, wer an ihrer Seite steht und wer nicht.
(Beifall bei der SPD)
Dies halte ich für einen ganz zentralen Punkt; denn darüber,
wie es weitergeht, entscheiden auch die Wählerinnen und Wähler
an diesen Standorten in Niedersachsen. Ich bin mir sehr sicher, daß
sie erkennen: Diese Landesregierung hat Wort gehalten, und wir kümmern
uns im Rahmen unserer Regierungsverantwortung in Niedersachsen darum, daß
Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Ich füge hinzu:
Damit gehen wir stolz in den Wahlkampf.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Die Mittelständler wissen genau, wer
die Zeche zahlt -- nämlich der Mittelstand!)
Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern ist in Niedersachsen
Chefsache. Das soll mit Gerhard Schröder auch nach dem 1. März
so bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS -- Walter Hirche
[F.D.P.]: Das war nur eine Anbetung des Ministerpräsidenten! -- Zuruf
von der CDU/CSU: Kein Wort zur inhaltlichen Begründung!)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als letzter Redner spricht
der Abgeordnete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schröder hat hier an Ernst Albrecht
erinnert. Auch ich will das tun. In meinem Wahlkreis sitzt das Unternehmen
BKB. Zu der Zeit, zu der Ernst Albrecht regiert hat, hat er bei uns die
Arbeitsplätze gesichert und das Unternehmen BKB gerettet. Schröder
war damals bereit -- so wird es auch heute noch von Gewerkschaftern gesagt
--, das Unternehmen plattzumachen. Wenn wir über niedersächsische
Geschichte sprechen, Herr Schröder, dann gehört auch das dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Damals war man bereit, ein Unternehmen plattzumachen.
(Zuruf von der SPD: Quatsch!)
Nicht irgend jemand, sondern die Politik wollte verhindern, daß
das Unternehmen weiter existiert.
Es sind hier einige Aussagen gemacht worden, daß es nicht um
die Rettung der Arbeitsplätze ging. Ich hätte es verstanden und
hätte es auch unterstützt -- ich bekenne mich eindeutig dazu,
wie sich auch Christian Wulff dazu bekannt hat --: Wenn es um die Rettung
der Arbeitsplätze gegangen wäre, hätten wir das toleriert.
Das ist doch wichtig. Ich kann doch die Sorgen und Nöte der Menschen
verstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Wir identifizieren uns mit den Sorgen und Nöten der Menschen in
der Region, die dort als Stahlwerker arbeiten und die das Unternehmen nach
vorne gebracht haben. Aber sie haben das Unternehmen als Privatunternehmen
nach vorne gebracht. Es ist besonders in der Zeit existenzfähig geworden
-- das ist hier nicht bestritten worden --, als es ein Privatunternehmen
war. Daß Herr Schultze -- er ist ein neutraler Mann; er ist mitbestimmend
in dem Unternehmen; das ist der Mann, der laut Mitbestimmungsgesetz für
die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmer in dem Unternehmen steht; wir
haben gemeinsam gewollt, daß es solche Leute in den Unternehmen gibt
-- total an Zielsetzungen vorbeiargumentiert, die Voest-Alpine hatte, glaube
ich einfach nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU -- Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Keine
Ahnung!)
Er hatte in die niedersächsische Politik das Argument eingeführt:
Das war nur Wahlkampf. -- Dieses Argument kommt doch nicht von uns, von
der CDU. Nein, das kommt von Herrn Schultze. Mein lieber Wilhelm Schmidt,
ich kann dir die Zitate geben. Erich Maaß und andere haben hier zitiert.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das wird durch Wiederholung nicht
besser!)
Herr Schröder ist mit keinem Wort auf diese Zitate eingegangen.
Er ist mit keinem Wort auf Herrn Schultze eingegangen.
Was ist denn mit Linke-Hofmann-Busch? Vor zwei Jahren wurde Linke-Hofmann-Busch
in Salzgitter mit 4000 Arbeitsplätzen von einem französischen
Konzern übernommen. Da hat sich Herr Schröder nicht eingeschaltet.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer sagt denn das?)
Wieso hat er dort dem französischen, mithin dem ausländischen
Konzern vertraut? Auch das ist ein in der Region dominierendes Unternehmen.
Ich hätte unterschrieben, daß es ein in der Region dominierendes
Unternehmen ist, aber es hat ihn nicht interessiert.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das stimmt doch überhaupt
nicht!)
Es gibt Aussagen im Niedersächsischen Landtag, daß er der
Auffassung ist, wenn sich etwas privat entwickle, solle das auch so sein.
Hier gab es eindeutige Garantien für die Standorte und für die
Arbeitsplätze. Hier gibt es nun einmal die Aussagen von Sozialdemokraten,
die anders argumentieren, als hier argumentiert worden ist.
Erich Maaß hat das deutlich gemacht: Herr Schröder sonnt
sich in dem Glanz von Managern. Drei Jahre und acht Monate einer Legislaturperiode
sonnt er sich in dem Glanz von Managern und zeigt der ganzen Nation, welchen
Einfluß er auf sie hat.
(Walter Hirche [F.D.P.]: Zu haben glaubt!)
In den letzten zwei Monaten sagt er: Ich habe keinen Einfluß
auf Manager. -- Da also entziehen sie sich angeblich seinem Einfluß.
Ist denn alles, was er vorher gemacht hat, Gaukelei gewesen?
Welche Manager sind das denn? Welche Sozialdemokraten haben eigentlich
die sozialdemokratischen Manager bei der WestLB eingesetzt? Wer ist denn
für Herrn Neuber verantwortlich? Doch nicht die F.D.P., doch nicht
die CDU/CSU, sondern die SPD und die SPD-Landesregierung!
(Lachen bei der SPD -- Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Von Wirtschaftspolitik
haben Sie wirklich keine Ahnung! Lächerlich!)
Wer hat da eigentlich mit wem was inszeniert? Herr Frenzel ist Sozialdemokrat.
Er war Fraktionsvorsitzender in einer Kommune in Nordrhein-Westfalen. Das
sind alles handelnde Sozialdemokraten gewesen!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)
Wenn der Regierungspräsident von Braunschweig, Herr Schneider,
Ihr Parteifreund, sagt, Unternehmer müßten auch die entsprechenden
Persönlichkeiten sein, dann habe ich den Eindruck, daß er damit
seine eigenen Parteifreunde kritisiert hat.
Dann werden nirgendwo die Risiken beschrieben. Die CDU-Landtagsfraktion
unter Christian Wulff hat ständig Fragen gestellt.
(Lachen bei der SPD)
Diese Fragen sind von Herrn Schröder auch heute noch nicht beantwortet
worden. Er will sie auch gar nicht beantworten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Schröder möchte Sandmännchen spielen. Wir sollen bis
zur niedersächsischen Wahl alle in den Schlaf gewiegt werden. Dann
werden wir aufwachen und sehen, welche Ergebnisse er wieder einmal gezeitigt
hat.
Im Grunde genommen ist es so: Gerhard Schröder will als niedersächsischer
Ministerpräsident abgewählt werden. Es ist doch so. Das könnte
er hier am Pult sogar bestätigen. Ich kann nur sagen: Wenn er schon
abgewählt werden will, sollten das die niedersächsischen Wählerinnen
und Wähler auch tun. Ich fordere jedenfalls nachdrücklich dazu
auf.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag,
den 5. Februar 1998, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
(Schluß der Sitzung: 16.34 Uhr)