Während sich die Konkurrenz noch warmläuft, hat Gerhard Schröder
(SPD) im beginnenden niedersächsischen Wahlkampf seinen ersten Coup
gelandet: Wegen der überraschenden Ankündigung, das Land Niedersachsen
werde Mehrheitsaktionär bei der Preussag Stahl AG, der ein Verkauf
durch die Konzernmutter ins Ausland drohte, läßt sich der Ministerpräsident
mit Kanzlerambitionen als Retter von 12 000 Arbeitsplätzen feiern.
Nach dem riskanten Drahtseilakt dürfte Schröder aber auch aufatmen:
Er ist nur knapp an einem Debakel vorbeigeschrammt.
"Es gibt eine Menge ungeklärter Fragen und offensichtliche Ungereimtheiten
vor allem im Zusammenhang mit den Entscheidungen führender Sozialdemokraten",
schimpfte CDU-Chef Christian Wulff nach dem am späten Freitag bekanntgewordenen
Deal. Schröder sei durch eigene Parteigenossen in der Preussag-Führung
zu der "Stahlnotrettungsaktion" erpreßt worden, kommentierte der
wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im niedersächsischen
Landtag, Michel Golibrzuch.
Tatsächlich scheint für den Ministerpräsidenten nicht
alles nach Plan gelaufen zu sein. Schon im November hatte er den Stahlarbeitern
in Salzgitter, Peine und im sachsen-anhaltischen Ilsenburg Hilfe versprochen.
Zuvor waren Gerüchte über einen möglichen Verkauf der als
gesund geltenden Preussag-Tochter an ein britisches Unternehmen ruchbar
geworden; die Belegschaft fürchtet für diesen Fall einen massiven
Abbau von Arbeitsplätzen. Auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember
nutzte Schröder einen Auftritt empörter Stahlkocher, um sich
auch Kritikern in der eigenen Partei als das zu präsentieren, was
er unter einem zupackenden, modernen Industriepolitiker versteht.
Schon kurz darauf gab die Landesregierung Entwarnung: Für die
Preussag Stahl solle ein einheimischer Investorenpool gebildet werden;
Gespräche seien angelaufen. Der Ministerpräsident selbst machte
sich auf die Suche nach Interessenten und versprach, das Land werde sich
an einem kontrollierten Börsengang indirekt durch geeignete Partner
beteiligen. Der Verkauf ins Ausland schien abgewendet: Schröder ließ
sich feiern.
Zu früh, wie sich vorige Woche zeigte: Plötzlich war doch
wieder von einem Verkauf an europäische Konkurrenten die Rede. Unterschriftsreife
Verträge mit der österreichischen Voest Alpine lägen vor,
hieß es. Für den Wahlkämpfer Schröder eine Katastrophe;
er stand im Wort. Sollte es doch zu einem "Ausverkauf" kommen, könnte
sich in Salzgitter die Wut schnell auch gegen ihn richten - zumal, wie
CDU und Grüne nicht müde werden zu betonen, angefangen von Konzernchef
Michael Frenzel bis hin zu Stahl-Aufsichtsrat und Innenminister Gerhard
Glogowski zahlreiche Sozialdemokraten in Top-Positionen bei Preussag agieren.
Vor allem Konzernchef Frenzel wird jetzt vorgeworfen, er habe in einer
"Nacht und Nebel-Aktion" die ungeliebte Stahltochter doch noch über
die Grenzen verscherbeln wollen. Über entsprechende Gerüchte
informierte der niedersächsische IG-Metall-Chef Jürgen Peters
nach Angaben der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung Schröder am vorigen
Donnerstag in einem Eilbrief. Peters forderte den Ministerpräsidenten
zum Handeln auf. Die Landtagswahl am 1. März vor Augen griff der zum
letzten Mittel und verabredete nur einen Tag später mit Konzernchef
Frenzel überraschend, das Land werde die Mehrheit der Stahlaktien
vorerst selbst kaufen.
Zwar ist die Zukunft weiter ungewiß, da das teure Engagement
nur vorübergehend sein soll. Vorerst aber herrscht Ruhe an der Stahlfront
bis zum Wahltag. Selbst CDU und Grüne befürworten den gewagten
Einsatz - nur die FDP ist dagegen, weil sie grundsätzlich Landesbeteiligungen
ablehnt.