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Oberhessische Zeitung vom 06.03.1999

Wirtschaft

Salzgitter-Chef wirft Handtuch

Selenz kommt möglicher Abwahl zuvor - Glogowski: Gut für das Unternehmen

HANNOVER (AP). Salzgitter-Chef Hans-Joachim Selenz hat überraschend das Handtuch geworfen und damit die Konsequenzen aus einer seit Wochen schwelenden Führungskrise gezogen.

Ohne das Vertrauen auch der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat wolle er seinen Posten nicht weiter bekleiden, erklärte Selenz schriftlich. Er kam damit seiner möglichen Abwahl auf einer für Samstag anberaumten außerordentlichen Aufsichtsratssitzung zuvor. Die Sitzung wurde daraufhin abgesagt, wie der Konzernbetriebsratsvorsitzende Ernst Schäfer erklärte. Ein Nachfolger für
Selenz ist noch nicht in Sicht. Hannovers. Ministerpräsident Gerhard Glogowski nannte den Rücktritt positiv für die Salzgitter AG. Dem Vernehmen nach steht auch die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Adams in Frage.

Entzündet hatte sich der Konflikt an den Fusionsverhandlungen mit dem luxemburgischen Stahlkonzern Arbed. Die Arbeitnehmerseite hatte Selenz vorgeworfen, er habe die Verhandlungen bis zu unterschriftsreifen Verträgen vorangetrieben, ohne die Belegschaft in die Gespräche einzuweihen. Hinter den Kulissen war es daraufhin zu einem Tauziehen zwischen den Anteilseignern,
dem Land Niedersachsen und der NordLB, sowie den Arbeitnehmervertreten um den Vorstandschef gekommen. Glogowski sagte der Nordwest-Zeitung", die Entscheidung von Selenz werde sich positiv auf das Unternehmen auswirken. Der Rücktritt sei nicht auf Druck der Anteilseigner geschehen. Glogowski, der jüngst seinen Aufsichtsratsposten bei Salzgitter zur Verfügung gestellt hatte, versicherte, daß er sich keineswegs aus der Verantwortung gestohlen habe. CDU-Chef Christian
Wulff wertete den Rückzug von Selenz als Fortsetzung der Führungskrise des Unternehmens.

Noch vor einem Jahr galt der 47jährige Selenz als Retter der Region, denn unter seiner Mitwirkung wurde ein Verkauf des Konzerns an 'die österreichische Voest Alpine verhindert. Daß ausgerechnet Selenz, der Mann des Stahls und der Region, nun den Sprung unter das Dach der Luxemburger mit vorbereitet haben soll, traf die Belegschaft hart und ließ die Rufe nach seinem Rücktritt laut
werden.