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Gelsenwasser AG heute und vor 20 Jahren (25.04.2005), 2.Teil (13.08.2005)

Nicht nur der Tod von Traute Kirsch haben mich nach dem Bericht vom 25.04.2005 auf die Gelsenwasser AG wieder aufmerksam gemacht. Es ist vor allem die Frage, ob die Übernahme durch die beiden Stadtwerke Dortmund und Bochum eine Kommunalisierung ist ?

Zunächst muss vermerkt werden, dass (wie es z. B. die Vertreter der anderen privaten Wasserunternehmen darstellen) keine Rekommunalisierung vorliegt, da die Gelsenwasser AG nie ein kommunaler Eigenbetrieb gewesen ist, sondern von Anfang an ein privates Unternehmen mit kommunaler Beteiligung war. Auch wird die private Rechtsform jetzt bestehen bleiben, sodass man jetzt wohl von einem privaten Unternehmen mit kommunaler Mehrheit sprechen kann.

Die kommunalen Beteiligungen werden von der Wasser und Gas Westfalen GmbH verwaltet. Nach deren Darstellung, die auch im Namen der Eigner erfolgt, wird für die Gelsenwasser AG auch nicht der Versorgungsauftrag in Anspruch genommen. In einer Erklärung gegenüber den restlichen privaten Einzelaktionären, die etwas über 5 % ausmachen, heißt es dazu :

"Nach der vorgenannten Erhöhung der Gesamtbeteiligung an der GELSENWASSER AG soll die GELSENWASSER AG unter der unternehmerischen Führung der Dortmunder Stadtwerke AG und der Stadtwerke Bochum GmbH in den Marktsegmenten Wasser, Gas und Abwasser expandieren"..
(lt. Pflichtveröffentlichung für die Aktionäre der Gelsenwasser AG nach §§35 Abs. 2 i. V. m. 14 Abs. 3 des deutschen Wertpapiererwerbs-und  Übernahmegesetzes, dort unter den Punkten D. DAS PFLICHTANGEBOT, 5. Wirtschaftlicher und strategischer Hintergrund des Angebots und relevante Vorerwerbe von GELSENWASSER-AKTIEN, 5.1 Wirtschaftlicher und strategischer Hintergrund).

Dann zunächst der 1. Teil vom 25.04.2005 :

Ein Bericht der FR vom 21.04.2005 schildert die Situation des größten deutschen Wasserunternehmens und spricht bei ihrer derzeitigen Organisation von "Rekommunalisierung" (vergl. Artikel "Hohe Erwartungen an Gelsenwasser - Größter deutscher Wasserversorger steht in der Kritik / Unternehmen baut auf Expansion in Deutschland )

Vor 20 Jahren (auch vor Landtagswahlen in NRW) wurden die Expansionspläne dieses damals vorwiegend von privaten Aktionären beherrschten Wasserkonzerns in Ostwestfalen (= Regierungsbezirk Detmold in NRW) zerschlagen, indem die dortigen Kommunen mit ihren aufkommenden rotgrünen Mehrheiten und Bürgerinitiativen einen grossräumiger Wasserverbund ablehnten.

Die damaligen Ereignisse werden in dem Bericht aus dem "IKT- Infodienst" 10/Januar 1988  - Herausgegeben von der Interessengemeinschaft zur Erhaltung der kommunalen Trinkwasserversorgung in Bayern (IKT) - mit dem Titel "Wasser-Konzerne in NRW"geschildert.

Ausserdem sollen dazu die folgenden Zeitungsberichte vor 20 Jahren den Abschluss eines siebenjährigen erfolgreichen Widerstandes gegen die Wasserprivatisierung einer ganzen Region zeigen (1978 - 1985) :

- Bericht der "Neuen Westfälischen" vom 01.04.1985 mit dem Titel "Statt Fehlbedarf Überangebot /70-Millionen-Projekt gescheitert - Matthiesen dreht Wasserverbund Ostwestfalen die Geldquellen zu"

- Bericht des "Westfalen- Blatts" vom 30.03.1985 mit dem Titel "Landesregierung sagt strikt Nein zum geplanten Verbund: Keine einzige Mark für Wasserleitung"

- Bericht des "Westfalen- Blatts" vom 04.04.1985 mit dem Titel "Klaus Matthiesen ließ Wasserverbund »sterben«  - Wie sich ein Minister verweigert und das Vertrauen verspielt". Hier ist deutlich die Parteinahme für den Wasserkonzern und die CDU im Landtagswahlkampf erkennbar. (Vorstandsvorsitzender der Gelsenwasser AG war CDU- MdL)

1983 wurde sogar zu den damaligen Ereignissen ein Film mit dem Titel "Börsenwasser", von dem ich noch eine Kopie besitze, gedreht (Vergl. dazu den Text des Prospekts).

Und weiter geht es mit Teil 2, der sich 20 Jahre später  abspielt :

Als ich dieses Jahr (2005) die Einladung zur Hauptversammlung der Gelsenwasser AG (siehe Anlage) erhielt, war ich sehr erstaunt : Auf der Tagesordnung war nichts über die Dividende zu lesen, die doch die HV zu beschliessen hat. Ich fragte mich : Soll es dieses Jahr denn keine Dividende geben, was ich mir gar nicht vorstellen konnte ? Aus der Gewinn- und Verlustrechnung 2004 konnte ich ersehen, dass der gesamte Gewinn an die Wasser und Gas Westfalen GmbH überwiesen worden war. Um den Sachverhalt  zu klären, fand ich dann auch einen Wirtschaftsstudenten aus Köln, der die HV mit meiner Eintrittskarte in Gelsenkirchen besuchen wollte. Dieser klärte aber schon im Vorfeld mit seinem Professor den Fall und verzichtete deshalb auf den Besuch der HV.

Die Gelsenwasser AG hatte mit der Wasser und Gas Westfalen GmbH einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Diese erhielt damit den gesamten Gewinn, musste aber den restlichen Aktionären einen Ausgleich zahlen. Der Vertrag war auf der HV 2004 geschlossen worden und sein wesentlicher Inhalt war deshalb auch aus deren Tagesordnung zu ersehen (Vergl. Einladung mit Tagesordnung zur HV 2004  der Gelsenwasser AG).

Hier heisst es u. a. unter TOP 6: Beschlussfassung über die Zustimmung zu einem Gewinnabführungsvertrag zwischen der Wasser und Gas Westfalen GmbH und der GELSENWASSER AG :

: "- Die GELSENWASSER AG verpflichtet sich, ihren gesamten Gewinn an die Wasser und Gas Westfalen GmbH abzuführen............

Die Wasser und Gas Westfalen GmbH zahlt den außenstehenden Aktionären der GELSENWASSER AG einen Ausgleich von 17,74 € je Stückaktie der GELSENWASSER AG. Die Ausgleichszahlung erfolgt erstmals für das Geschäftsjahr, in dem der Gewinnabführungsvertrag wirksam wird.

Die Wasser und Gas Westfalen GmbH verpflichtet sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der
GELSENWASSER AG dessen Aktien gegen Abfindung zu erwerben. Die Wasser und Gas Westfalen GmbH gewährt jedem außenstehenden Aktionär für eine Stückaktie der GELSENWASSER AG eine Barabfindung von 353,14 €. ..........."

Dies war der gleiche Abfindungsbetrag, der bereits 2003 den Aktionären angeboten wurde.(Vergl. Freiwillige Barabfindung vom 28.10.2003 der Wasser und Gas Westfalen GmbH) (Die Aktien der Gelsenwasser AG wurden am 12.08.2005  in Düsseldorf mit EUR 423,26 notiert).

Aus diesem Antrag zur freiwilligen Barabfindung vom 28.10.2003 (s.oben), der wegen seiner öffentlichen Bekanntmachung den Titel "Pflichtveröffentlichung für die Aktionäre der Gelsenwasser AG nach §§ 35 Abs. 2 i. V. m. 14 Abs. 3 des deutschen Wertpapiererwerbs-und Übernahmegesetzes" trägt, sind die komplizierten Rahmenbedingungen, unter denen sich die Gelsenwasser zum derzeitigen Zeitpunkt genau erläutert.

Von einer zwangsweisen Barabfindung (Squeeze-Out = "Enteignung") ist (noch) nicht die Rede. Es gilt wohl noch der in dem Angebot zur freiwilligen Barabfindung von 2003 befindliche Hinweis : "Die Dortmunder Stadtwerke AG und die Stadtwerke Bochum GmbH beabsichtigen gegenwärtig auch nicht, nach Durchführung des Pflichtangebots die Beschlussfassung der Hauptversammlung der GELSENWASSER AG über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf die Dortmunder Stadtwerke AG, die Stadtwerke Bochum GmbH und/oder auf den Bieter gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung ("Squeeze-Out") herbeizuführen und/oder ein Delisting (= Beendigung der Börsennotierung) anzustreben."

Nach einem solchen Squeeze-Out könnte man wohl bei der Gelsenwasser AG von einem kommunalen Betrieb in privater Rechtsform sprechen.