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Neue Westfälische vom 01.04.1985

Statt Fehlbedarf Überangebot /70-Millionen-Projekt gescheitert

Matthiesen dreht Wasserverbund Ostwestfalen die Geldquellen zu

Von Dietrich Eickmeier

Bielefeld (Eig. Ber.). Als die Gesellschafter der "Wasserverbund Ostwestfalen-Lippe GmbH" (WOL) am Freitagabend in "Haus Neuland" erfuhren, daß das Land die erwarteten Zuschüsse von 50 Millionen Mark für ihr umstrittenes 70-Millionen-Projekt einer 150 Kilometer langen Fernleitung von Höxter bis Minden nicht zahlen wird, waren sie, so Staatssekretär Hans-Hermann Bentrup, überrascht: "Darauf waren die nicht vorbereitet." Sie hätten es besser wissen können. Schon am 6. November 1984 hatte Regierungspräsident Walter Stich in einem Gespräch mit dieser Zeitung die Entscheidung von Minister Klaus Matthiesen vorweggenommen, indem er indirekt für kleinere Wasserverbünde plädierte und erklärte, daß er sich "in absehbarer Zeit" eine Wasserentnahme aus den Brunnen in Höxter, die hauptsächlich den Großverbund speisen sollten, nicht vorstellen könne.

"Schon beim ersten Lesen der Akten", sagte Matthiesen am Freitag bei einer gemeinsamen Sitzung von Bezirksvorstand, den Ausschüssen für Umwelt- und Kommunalpolitik der ostwestfälisch-lippischen SPD (die den Verbund auf ihrem letzten Parteitag einstimmig abgelehnt hatte), seien bei ihm "Zweifel an den vorausgeschätzten Bedarfsmengen" der WOL aufgekommen. Denn statt des für die 80er Jahre vorhergesagten Wassermehrverbrauchs von 6 bis 8 Prozent stagniert der private Verbrauch schon seit Jahren, ging der Wasserverbrauch der Industrie sogar um 1,8 Prozent zurück.

Zweifel

Und die von Matthiesen veranlaßten genauen Nachrechnungen ergaben, daß statt eines Felhlbedarfs in Ostwestfalen-Lippe sogar ein Überangebot an Trinkwasser besteht. Damit aber war ein "erhebliches Landesinteresse", nach Paragraph 23 der Haushaltsordnung maßgebend für eine Bezuschussung, nicht mehr gegeben.

Hatten die Kritiker des Großverbundes vor allem Zweifel an der Qualität des Wassers aus den Brunnen "In den Wellen" und "Kapellenbreite" geäußert (die Gutachter konnten sich nicht einmal darauf einigen, ob das Grundwasser aus dem Solling oder aus den Muschelkalkgebieten westlich der Weser kommt), beschränkte sich der Minister allein auf den tatsächlichen Wasserbedarf. Dem von Bielefeld, Verl, Rietberg und Rheda-Wiedenbrück angemeldeten Bedarf von 1,42 Millionen Kubikmeter steht ein Lieferangebot aus Paderborn und Gütersloh von 1,8 bis 3,8 Millionen Kubikmeter gegenüber, an der Aabachtalsperre spricht man sogar von einem "Wasserberg". Und für die mit 8 Millionen Mark teure Leitung von Minden nach Bad Salzuflen gibt es nach dem Ausstieg der Stadt Herford aus dem Verbund nicht nur keine weiteren Abnehmer, für Matthiesen steht auch fest, daß "die Mindener wegen der erheblichen Nitrat-Probleme ihr Wasser doch selber brauchen"

"Spottpreis"

Mit Matthiesens Zusage, bei der Lösung der im Raum Salzuflen "tatsächlich bestehenden Probleme" die Hilfe des Landes für einen Teilverbund nicht zu versagen (der Herforder SPD-Landtagsabgeordnete Günter Meyer zur Heide bot Salzuflen bereits Gespräche über eine Zusammenarbeit an) scheint eine Rückkehr zum Prinzip "solidarischer" gegenseitiger Hilfen auf kommunaler Ebene, wie sie bereits 1979 von mehreren Städten als Gegenkonzept zum Großverbund geplant waren, vorgezeichnet. Dabei schien zunächst alles für das Konzept des Gelsenwasser-Konzerns zu laufen, dessen 100prozentige Rhedaer Tochter VWGV 1977 den Stadtwerken Paderborn zuvorkam und der Stadt Höxter die Brunnen für 9 Millionen Mark abgekauft hatte.

Was Kennern damals als "Spottpreis" erschien, könnte sich nun als teure Fehlspekulation erweisen. Zwar könnte der Waserverbund WOL - unter Verzicht auf die Landeszuschüsse" weitermachen, in Kreisen der "Teutonenriege" der SPD-Landtagsfraktion wird jedoch fest damit gerechnet, daß die meisten der kommunalen Gesellschafter (Stadtwerke Paderborn, Bielefeld, Gütersloh, Minden, Detmold, Horn-Bad Meinberg, Lage, Bad Salzuflen und Blomberg) dem Herforder Beispiel folgen und den Gesellschaftervertrag kündigen. Das sieht auch Gelsenwasser-Aufsichtsratsvorsitzender Benno Weimann so. Vor ein paar Wochen erklärte Weimann, daß schon bei geringeren Landeszuschüssen "uns die Hühner sozusagen auseinanderflattern".

Petition

Und selbst wenn der Wasser-Multi den Alleingang wagen sollte, ist keineswegs sicher, ob er jemals auch nur einen einzigen Liter Wasser aus den Höxteraner Brunnen fördern kann. Gegen die noch ausstehende Bewilligung durch den Regierungspräsidenten (es werden noch Ergebnisse neuer von Matthiesen veranlaßter Untersuchungen abgewartet) haben 30 Umweltschutzverbände beim Landtag eine Petition eingereicht. Und der werden, nachdem Matthiesen dem Großverbund die Geldquellen zugedreht hat, recht gute Chancen eingeräumt.