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Westfalenblatt - Donnerstag, 4. April 1985

Klaus Matthiesen ließ Wasserverbund »sterben«

Wie sich ein Minister verweigert und das Vertrauen verspielt

Von Hans Hoffmeister

Die überraschende Entscheidung des nordrhein-westfälischen Umweltministers Klaus Matthiesen (SPD), dem ostwestfälisch-lippischen Wasserverbund den erwarteten Zuschußbetrag vorzuenthalten und ihn somit »zum Tode zu verurteilen«, wird in weiten Teilen des politischen Raumes im Regierungsbezirk Detmold als parteitaktisches Manöver im Vorfeld der Landtagswahlen am 12. Mai betrachtet. Matthiesen hat den elf Städten, die mit Hilfe des Unternehmens Gelsenwasser über das Jahr 2000 hinaus ihre Versorgung mit dem »Lebensmittel Wasser« sichern wollten, die erwarteten Landesmittel von 50 Millionen Mark verweigert. Mit Hilfe des Geldes aus Düsseldorf sollte eine 150 Kilometer lange und 70 Millionen Mark teure Verbundleitung gebaut werden.

Wasser aus Höxter, Paderborn, Gütersloh und Minden sollte in dieses Leitungsnetz eingespeist werden - nicht allein, um akuten Mangelsituationen andernorts abzuhelfen, sondern auch, um durch eine »Mischung« des kostbaren Naß' örtlichen Qualitätsmängeln beizukommen (das WESTFALENBLATT berichtete).

Im Vertrauen auf die Zusage von Matthiesens Vorgänger Hans-Otto Bäumer (SPD), der die Planungskosten von 1,5 Millionen Mark zu 65 Prozent bezuschußt hatte, glaubten die Städte bislang, ihr vielleicht größtes Zukunftsproblem im Griff zu haben. Nun hat der Mann im Kabinett Rau, der den »grünen Flügel« abdecken soll, das Projekt »gekippt«: »Erhöhtes Landesinteresse« an einer großräumigen Verbundleitung in Ostwestfalen-Lippe fehle - ein Landesinteresse, das im Jahr 1982 noch klar und unmißverständlich bekundet worden war und auf dem die Kommunen ihre Planungen aufgebaut hatten!

Der Minister hat das »Aus« für die Leitungen zwischen Minden und Bad Salzuflen, zwischen Herford und Bad Salzuflen sowie zwischen Lage, Bielefeld und Verl verordnet. Er hat außerdem die Wasserzulieferer Paderborn, Gütersloh und Minden »gestrichen«. Denkbar ist jetzt nur noch eine »kleine Lösung« - eine 74 Kilometer lange Leitung von Höxter durch das Lipperland nach Bad Salzuflen (geschätzte Kosten: 38 Millionen Mark),

Wenn Matthiesen argumentiert, Bielefeld könne sich selbst helfen, zumal es eine Verbundleitung mit Paderborn schon gebe, so mag dies angehen. Mit Blick auf Minden spricht er von mangelnder Wasserqualität, ohne jedoch aufzuzeigen, wie denn der Kreis Minden-Lübbecke z. B. seine erheblichen Nitratprobleme anders lösen soll als durch einen »Verbund«. Der Umweltminister muß sich fragen lassen, welchen anderen Beitrag als den der Verweigerung er denn zur Lösung solcher Qualitätsprobleme leistet.

Der Herforder Stadtrat hat sich nach der letzten Kommunalwahl vom Wasserverbund getrennt und so sträflich das von Matthiesen nun selbst in einer Presseverlautbarung hochgelobte Prinzip der nachbarschaftlichen Solidarität verletzt (das WB berichtete). Die rot-grüne Mehrheit in Herford ist offenbar nicht bereit, über einen Zeitraum von vier Jahren hinauszuschauen und eine konsequente Politik zu betreiben. Sie befindet sich nun mit Matthiesen in guter Gesellschaft!

Der Minister ist angetreten, die Grünen in NRW bei der bevorstehenden Landtagswahl unter fünf Prozent zu halten und somit den Sozialdemokraten die absolute Mehrheit zu sichern. Zumindest soll er den möglicherweise notwendigen »Eintrittspreis« der SPD in eine rot-grüne Koalition senken.

Er meint tatsachlich, schon wegen des Herforder Ratsbeschlusses seien Zweifel an der Notwendigkeit der Leitung Bad Salzufleh-Herford angebracht! Dabei hatten die Herforder Stadtwerke eindringlich vor einem Austritt gewarnt.

Kein Zweifel: Die Ratsmehrheit in Herford, wo erstmals in Ostwestfalen-Lippe das Funktionieren des rot-grünen Bündnisses nachgewiesen werden soll, und der Umweltminister drucken sich an einer vorausschauenden Vorsorgepolitik vorbei. Dabei sieht Matthiesen selbst, daß bei einer Überbeanspruchung der Ressourcen örtlicher Wasserwerke in trockenen Sommern sogar ökologische Schäden eintreten können. Deren Vermeidung ist nur durch »Zuschußwasser« aus wasserreichen Gegenden möglich.

Der Minister aber verweigert sich den Wasserexperten ebenso wie den notleidenden Kommunen. Statt mit ihnen sprach er Ende letzter Woche in Bielefeld mit seinen Parteigenossen, um die neue Linie klarzumachen. Man darf gespannt sein, welchen Druck nun die sozialdemokratische Partei in Ostwestfalen auf die SPD-regierten lippischen Städte Horn-Bad Meinberg, Blomberg, Lage und Lemgo ausüben wird, um womöglich auch die »kleine Lösung« zu Fall zu bringen. Denn: Das Wasser aus der Wesertal-Aue in Höxter soll nach Meinung von Kritikern aus dem grünen Spektrum ja von schlechter Qualität sein.
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Zwar haben das Geologische Landesamt NRW, das Staatliche Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft in Minden, das niedersächsische Landesamt für Bodenforschung und die Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forsten allesamt das Gegenteil festgestellt. Aber es wird in der Wasserfrage weniger auf den Verstand als auf die Gefühle der Menschen gesetzt. Es wird auf deren Ängste spekuliert!

Noch bevor nun auch die letzte NRW-Fachbehörde, die Landesanstalt für Wasser und Abfall, ihre Prüfungen abschließen konnte, noch bevor auch der Petitionsausschuß des Landtages das Thema erschöpfend zu behandeln vermochte, mußte das Thema vor der Wahl vom Tisch. Die rote Landesregierung benötigt offenbar dringend ein grünes Mäntelchen - auch wenn dabei der Verdacht des Opportunismus nicht von der Hand zu weisen ist.

Die Verläßlichkeit eines Ministers gegenüber Gemeinden, die im Vertrauen auf klare und konsequente Meinungs- und Entscheidungsfindung ihre Planungen aufgebaut haben, ist nicht mehr gegeben. Wer erstattet nun nicht allein die dem Steuerzahler entstandenen Planungskosten für das WOL-Projekt, sondern auch den durch die parteipolitische Kehrtwendung der SPD verursachten Vertrauensschaden? Die Handlungsfähigkeit der Regierenden in NRW schwindet immer mehr. Und die Verwirrung der Geister im Lande wird immer größer!