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SPD- Parteitag vor 33 Jahren
Wie 1968 auf dem Nürnberger SPD- Bundesparteitag sich die Mitgliedschaft gegen die Notstandsgesetze und Einschränkung ihrer Rechte wehrte.

1. Im Vorfeld des Parteitages werden Vorbereitungen getroffen

Zu Beginn der Grossen Koalition ( 1966 ) war ein aktives Mitglied unseres Ortsvereins aus der SPD ausgetreten.. Er konnte es nicht verwinden, dass ( wie er es sagte ),"seine Partei", bei der er lange Zeit Mitglied war, "mit dem Nazi Kiesinger koalierte". Sein Onkel war übrigens im KZ gestorben.

Er hatte aber noch persönliche Verbindung mit uns, da er mit Mitgliedern unseres geschäftsführenden OV- Vorstandes, dem ich als relativ neues Mitglied damals noch nicht angehörte, weiterhin Skat spielte. Als dann die Diskussion um die Notstandsgesetze begann, brachte er im privaten Gespräch (er war übrigens damals Vorsitzender des DGB- Ortskartells) einen Antrag gegen diese grundlegende Änderungen des Grundgesetzes ein, der dann im SPD- Ortsverein diskutiert und angenommen wurde. (siehe Anlage 1 : Antrag gegen die Notstandsgesetzgebung des SPD.-Ortsverein H ö x t e r)

Im Hinblick auf den kommenden Unterbezirksparteitag drängte ich darauf, dass wir auch einen Parteitagsdelegierten nominieren muessten, der unseren Antrag auf dem Bundesparteitag vertreten sollte. Wir waren immerhin der staerkste Ortsverein im UB und stellten eine grosse Anzahl von Delegierten auf dem UB- Parteitag. . Das war aber nicht einfach, jemanden dazu zu finden. Schliesslich erklärte sich der stellv. Vorsitzende der SPD- Ratsfraktion dazu bereit.

Aber in der Zwischenzeit gab es internen Streit zwischen diesem und dem Fraktionsvorsitzenden, der gleichzeitig Ortsvereinsvorsitzender war, und gegen ihn wurde ein Parteiordnungsverfahren eröffnet.

Ich kümmerte mich darum, den o.a. Antrag ins richtige Licht zu setzen. Ich hatte aber zu dieser Zeit keine Vorstandsfunktion. Ich war (wie ich jetzt aus einer Unterlage ersehen konnte : siehe Anlage 2 : Mein Schreiben an die IG Metall zwecks Genehmigung einer Tonbandaufnahme mit der Rede des Vorsitzenden Brenner  ) nur UB- und Bezirksdelegierter . Mir schwebte damals als Idealfall vor, auf dem Parteitag einen Befuerworter und Gegner der Notstandsgesetzgebung im Zusammenhang mit unserem Antrag auftreten zu lassen. Da wir diese Vorstellung beim Unterbezirk nicht durchsetzen konnten, kam ich auf den Gedanken, auf dem Parteitag sollte eine von mir auf Band aufgenommene Stellungnahme des damaligen IG Metall- Vorsitzenden Brenner dazu vorgespielt werden, wozu ich mir ( aus Sicherheitsgründen ) die schriftliche Genehmigung holte. (s. Anlage 2 , vergl. oben, und Anlage 3 : Schreiben der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland - Vorstand).

Auf dem UB- Parteitag stellte ich dann fest,

- dass man unseren Bundesparteitags-Kandidaten wegen des Parteiordnungsverfahrens zum UB- Parteitag nicht zugelassen hatte und

- dass mein Tonband auf dem Rednerpult nicht angeschlossen werden konnte..

Ich wurde als Parteitagsdelegierter vorgeschlagen und war also gezwungen, selbst zu kandidieren und wurde bei einem Gegenkandidaten aus einem Nachbar- Ortsverein mit Mehrheit zum Bundesdelegierten gewählt.

Unser Antrag wurde auch angenommen.

Ich kann mich noch erinnern, dass der UB- Vorsitzende ( er war hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär ) zu mir sagte, als ich ihm den schriftlichen Antrag ( Anlage 1 ) aushändigte : "Euch werden sie in Bielefeld schön abbügeln"

Ausserdem erhielt ich meine 1. Vorstandsfunktion : ich wurde Schriftführer des Unterbezirks und wurde damit Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des SPD- Unterbezirks Höxter- Warburg.
.
Ausserdem wurde ich vom UB- Parteitag noch zum Mitglied der Antragskommission gewaehlt, eine Regelung, die wir dann fuer alle Unterbezirke im Bezirk durchsetzen und in der Bezirkssatzung festlegten, Sie wurde bis zuletzt praktiziert. Wie dies nun nach der Auflösung der 4 Bezirke im neuen Landesbezirk Nordrhein- Westfalen geregelt ist, weiss ich nicht.

2. Erfolg auf dem Bezirksparteitag ermöglicht den Weg in eine für mich "grosse Politik"

Als ich die Anträge zum Bezirksparteitag erhielt, stellte ich fest, dass aus dem UB Herford auch ein Antrag zur Ablehnung der Notstandsgesetze vorlag.. Ich setzte mich  mit dem Antragsteller in Verbindung, den ich dann auch in der Antragskommission traf.. Obwohl sich ausser unseren 2 Stimmen alle anderen Vertreter fuer eine Notstandsgesetzgebung aussprachen, wurde auf dem Bezirksparteitag das Votum gegen die Notstandsgesetzgebung mit knapper Mehrheit erreicht. ( vergl. Anlage 4 : Bericht aus "express international" vom 02.03.1968, Jahrgang V , Nr. 54/55   : SPD Ostwestfalen-Lippe - Überraschendes Nein zu den Notstandsgesetzen. )

"express international" wurde damals von der GfP, d.h. der "Gesellschaft für Forschung und internationale Kooperation auf dem Gebiet der Publizistik e.V." herausgegeben. Mitglieder dieses Vereins waren linke Sozialdemokraten ( Jochen Steffen, Wilhelm Dröscher, Peter von Oertzen, Erwin Beck u. a. ). Redakteure waren u.a. Karsten D. Voigt und Michael Oppocinski ( heute : Wirtschaftsredakteur beim ZDF, er war auch zeitweise einmal Pressereferent vom SPD-Bezirk Hessen-Süd). Diese Zeitschrift gab 1968 zum SPD- Parteitag eine Sondernummer heraus,. in der dann u. a. auch der o. a. Bericht über den ostwestfälischen SPD- Bezirksparteitag  erschien, den ein Warburger Juso schrieb, der dort bei der "Neuen Westfälischen" beschäftigt war.

Der IG Metall in Frankfurt teilte ich diese Nachricht mit. Sie lud mich daraufhin zu einer Vorbesprechung von SPD- Linken nach Oberhausen ein, die am Rande einer IG Metall- Konferenz stattfand.. Den Vorsitz hatte der damalige Pressesprecher der IG Metall Olaf Radke, der gleichzeitig stellv. Vorsitzende des SPD- Bezirks- Hessen- Süd war. Davon habe ich in meinen Unterlagen ein von mir gefertigtes Protokoll gefunden, das ich damals an mir bekannte Delegierte zur Information weiterleitete. Interessant dürfte auch sein, dass hier vereinbart wurde, Johannes Rau als Mitglied zum Parteivorstand zu unterstützen, der dann auf dem Parteitag erstmalig in den SPD- Bundesvorstand gewählt wurde ( vergl. Anlage : Kurzbericht einer Besprechung von Delegierten zum SPD- Parteitag am 08.03.1968 in Oberhausen,  Hotel "Ruhrland" ).

Vor dem Parteitag hatte es in den Bezirken bereits heftige Debatten über die Probleme ( Notstandsgesetzgebung, grosse Koalition ) gegeben. Einige Bezirke hatten auch bereits ( satzungsgemässe ) Anträge zu einem ausserordentlichen Parteitag gestellt. Es war auch bereits vorher zum Thema Notstandsgesetzgebung eine Konferenz einberufen worden, zu dem Vertreter aller Unterbezirke eingeladen waren. Deshalb war der Termin des ordentlichen Parteitags vorverlegt worden.

In einem inoffiziellen Gespräch am Rande des Delegiertentreffens in Oberhausen erzählte Olaf Radke vom ruhigen Verlauf  des letzten Parteitags. Die Delegierten haetten alles ohne Widerspruch zur Kenntnis genommen. Willy Brandt habe das aber gar nicht gefallen, er sei zu den Delegierten des Bezirks Hessen- Süd gekommen und habe sie aufgefordert, sich doch zu Wort zu melden. Er habe aber abgelehnt und gesagt, das würde bei der derzeitigen Lage der Partei doch nichts bringen.

Damals wurden noch alle Anträge zum Parteitag im ( wöchendlich erscheinenden ) "Vorwärts" veröffentlicht, und zwar lange Zeit vorher, aber ohne Voten der Antragskommission. Überrascht war ich über das grosse Paket, das ich im Vorwärts vom  mit den fast 1000 Anträgen ( genau waren es 951 ) erhielt. Diese grosse Zahl war wohl auch der Grund, warum nachher ( angeblich aus Kostengründen ) eine Veröffentlichung im "Vorwärts" unterblieb. Zwar gelang es durch einen Antrag meines damaligen Ortsvereins Höxter, die Veröffentlichung  noch einmal eine Parteiwahlperiode zu verlängern, aber dann war Schluss damit. Nach einem Zwischenspiel mit einem besonderen Mitgliedermagazin erschien der "Vorwaerts" dann für alle Mitglieder monatlich als Mitgliederzeitung.

3. Das Blockwahlsystem.

Hiernach mussten bei Wahlen von mehreren Personen in gleichartige Parteifunktionen ( z. B. bei Beisitzern im Vorstand, Delegierten ) in einem Wahlgang soviel Leute angekreuzt werden, wie zu wählen waren. Sonst war der Wahlzettel ungültig. Dieses Wahlverfahren war zunächst von dem Berliner Landesverband der SPD eingeführt worden und wurde dann auch auf Bundesparteitagen praktiziert. Seine Folgen erlebte ich auf dem Nürnberger Parteitag von 1968. : Um Aussenseitern (Initiativvorschlägen ) überhaupt eine Chance zu geben, musste man zuerst überlegen, wen man nicht waehlen sollte : nämlich diejenigen, von denen man erwartete, dass sie wenige Stimmen erreichen würden. Prominente, die eine hohe Stimmenzahl sowieso  erreichen würden, musste man aus taktischen Gründen wählen. Eine echte personelle Alternative war nur durch die Abwahl eines Vorstandes möglich, was eine "Palastrevolution" bedeuten und damit die Gefahr eines Spaltens der Partei herbeiführen hätte können.

In der Berliner SPD wurden damals gegen dieses Wahlverfahren Prozesse geführt, die 1973 endgültig  vom Bundesgerichtshof entschieden wurden (vergl. Frankfurter Rundschau vom 18.12.1973 : "Blockwahl verletzt Rechte der Minderheit - Berliner SPD unterlag auch vor dem Bundesgerichtshof / Parteiwahlen von 1969 ungültig"). Nach dem Godesberger Programm sollten dadurch Linke von der Willensbildung ausgegrenzt werden. Jedenfalls sagten dies mir bekannte Gegner des Blockwahlsystems (vergl. Schreiben zu Unterlagen des  Blockwahlprozesses ). Allerdings hatte man dann bereits auf dem darauffolgenden Bundesparteitag  1970 in der SPD die Regelung getroffen, dass man bei dem o. a.  Blockwahlverfahren nur die Hälfte der zu wählenden Mitglieder ankreuzen müsse. ( vergl.  "Vorwärts" Nr.51 vom 20.12.1973 :" Blockwahlen")

Wir haben in dieser Zeit unsere Parteiwahlen ohne diesen auch hier noch (allerdings beschränkt) bestehenden Wahlzwang in einem Wahlgang durchgeführt , wobei sofort die relative Mehrheit galt, sodass dies auch zeitsparend war. So kam das bei uns jetzt noch in allen öffentlichen Wahlen vorherrschende Verhältniswahlrecht auch bei Parteiwahlen voll zum Zuge.

Weiter mit 4. "Alle Macht dem Vorstand " - Parteikommissare sollten für Ordnung sorgen.

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