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Frankfurter Rundschau vom 18.12.1973

Blockwahl verletzt Rechte der Minderheit

Berliner SPD unterlag auch vor dem Bundesgerichtshof / Parteiwahlen von 1969 ungültig

Von unserem Korrespondenten. Hellmuth Rieber

KARLSRUHE, 17. Dezember. In grundsätzlichen Ausführungen über das "Blockwahlsystem" stellte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem am Montag verkündeten Urteil fest, daß nach Artikel 21 des Grundgesetzes die innere Ordnung einer Partei und daher auch ihre innerparteilichen Wahlen demokratischen Grundsätzen entsprechen müssen. Der Berliner Laandesverband hatte 1963 bei der Wahl des Vorstandes und der Delegierten für die höheren Parteigremien teilweise die sogenannte Blockwahl eingeführt. Sämtliche zu besetzenden Funktionen (bei einem Ortsverein von 400 Mitgliedern zum Beispiel 20 Kreisdelegicrte), mußten nach diesem System gleichzeitig in einem Wahlgang gewählt werden. Jeder Wählende mußte für jede der zu besetzenden Positionen eine Stimme abgeben. Eine teilweise Stimmenthaltung wnr nicht möglich und führte zur Ungültigkeit des Wahlzettels.

Das umstrittene und inzwischen veränderte System hatte zu einer Revisionsverhnndlung vor dem Bundesgerichtshof geführt. Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob das Block-Wahlsystem die Rechte der Minderheit verletze.

In dem Urteil des Bundesgerichtshofs, das der Vorsitzende des Senats, Walter Stimpel, kurz begründete und das demnächst schriftlich vorliegen wird, heißt es: Beim Biockwahlsystem sei damit zu rechnen, daß es stimmberechtigte Mitglieder gebe, die nicht genügend Bewerber unterstützen könnten und wollten. Diese Parteimitglieder hätten also Kandidaten die Stimme geben müssen, die nicht ihre politische Auffassung vertraten. Oder sie hätten ganz auf die Wahl verzichten müssen.

Der Bundesgerichtshof erklärte weiter: Eine Abweichung vom einfachen Mehrheitswahlrecht, wie sie die Blockwahl darstelle, müsse in der Wahlordnung ausdrücklich geregelt werden. Da dies im Jahre l969 nicht der Fall war. seien jene Wahlen "allein schon aus diesem Grunde" ungültig gewesen. (Aktenzeichen: II ZR 47/71).

Durch die Berliner Blockwahlcn von 1969 könnten Minderheiten in einer Größenordnung von immerhin zehn Prozcnt betroffen worden sein, Nach dem neuen Wablstatut der Gesamtparlei von 19171 gilt ein gemäßigtes Blockwahlsystem: Danach muß nur für die Hälfte der zu wählenden Kandidaten die Stimme abgegeban werden.