Einer der Hauptpunkte der Großen Koalition von 1966 - 1969 war u. a. die Diskussion um die Einführung des Mehrheitswahlrechtes mit dem Ziel, eine stark aufkommende NPD ( sie erreichte bei den Bundestagswahlen 1969 fast 5 % der Stimmen) abzublocken. Eine dementsprechende Änderung des Wahlrechts stiess nicht nur bei der FDP, sondern auch bei der Basis der SPD auf sehr starken Widerstand, sodass das Ziel nicht weiter verfolgt wurde. Das geht auch aus einem Bericht vom Bezirksparteitag meines damaligen SPD- Bezirks Ostwestfalen. Lippe hervor, der im "express international" vor dem SPD- Bundesparteitag in Nürnberg 1968 erschien. Der Bericht stammte von einem Juso aus Warburg (Westfalen). der dort bei der "Neuen Westfälischen" beschäftigt war. An dem Zustandekommen des Berichts war ich damals auch beteiligt.
Ob in der heutigen (wahrscheinlich zustande kommenden) Großen Koalition ein Mehrheitswahlrecht in Erwägung gezogen wird (z. B. wegen des Anwachsens der Linkspartei), ist fraglich, zumal wegen der FDP und den Grünen ein stärkerer Widerstand zu erwarten ist.
Die Große Koalition war 1966 nicht von einem SPD- Parteitag, sondern
nur vom versammelten Parteivorstand, Parteirat und der Kontrollkommission
(sog. "Kleiner Parteitag") im Vorfeld beschlossen worden. Auf dem nächsten
ordentlichen Parteitag in Nürnberg 1968 wurde sie dann mit knapper
Mehrheit gebilligt, nachdem sich bereits 1967 Arbeitsgemeinschaften
Sozialdemokratischer Gewerkschaftler in Rheinland- Pfalz und Nordhessen
zu einer innerparteilichen Opposition gesammelt hatten (vergl.
"Wie die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD
entstand" (lt. Anlage)).
In der damaligen Großen Koalition von 1966 - 1969 wurden folgende wichtige Gesetze beschlossen
- Parteiengesetz (1967) mit neuem Organisationsstatut (in der SPD : ohne Maßnahmen gegen Organisationsgliederungen)
- Stabilitätsgesetz (1967)
- Notstandsgesetzgebung (1968 gegen den Widerstand einer ausserparlamentarischen Opposition)
Außerdem wurden diskutiert :
- Mehrheitswahlrecht (in der SPD : Blockwahlrecht)
- Anfänge zu Änderungen der Ostpolitik (Anerkennung der DDR).
In dem Bericht "SPD- Parteitag vor 33 Jahren
- Wie 1968 auf dem Nürnberger SPD- Bundesparteitag sich die Mitgliedschaft
gegen die Notstandsgesetze und Einschränkung
ihrer Rechte wehrte" (siehe Anlage) habe ich aus meiner Sicht als Delegierter
des (jetzt in den Landesbezirk NRW zentralisierten) Bezirks Ostwestfalen-
Lippe die Vorgeschichte und den Ablauf dieses Parteitages geschildert.