Wann werden wir von den Computern und Robotern des Bertelsmann- Konzern
verwaltet ?
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HANDELSBLATT, Freitag, 24. November 2006, 11:59 Uhr
Von Lena Molitor
16 000 Säcke voller Schnipsel lagern in Berlin – gefüllt mit
geschredderten Überresten geheimer Stasi-Akten, die in den letzten Tagen der
DDR vernichtet wurden. 400 Jahre würde es dauern, die Schnipsel per Hand wieder
zusammen zu fügen. Doch bald bekommen die menschliche Rekonstrukteure
Unterstützung.
KÖLN. Die Sisyphos-Arbeit ist bald nicht mehr nötig. Ein so genannter
elektronischer Puzzler – eine Entwicklung des Fraunhofer IPK – soll
in den kommenden Jahren die Schnipsel aus 400 Säcken automatisch zusammensetzen.
„Mit unserem Verfahren lässt sich der Aufwand auf fünf bis sechs Jahre
verkürzen“, hofft Bertram Nickolay vom Fraunhofer IPK.
Das Pilotprojekt startet im Januar. Der Bundestag hat für das
„Stasi-Schnipsel“-Projekt insgesamt sechs Millionen Euro in den Haushalten
für 2007 und 2008 bereitgestellt. Bereits vor drei Jahren hatte das IPK
gemeinsam mit Lufthansa Systems den Auftrag erhalten, ein System zur
automatischen Rekonstruktion der zerstückelten Stasi-Akten zu entwickeln. Erst
vor kurzem wurde es fertig. „Es ist eben kein Verfahren von der
Stange“, sagt Nickolay.
Der elektronische Puzzler vergleicht die Form, Farbe, Struktur und Schrift
einzelner Schnipsel, nachdem das Gerät sie eingescannt hat. „Anhand
dieser Merkmale lässt sich die Zahl möglicher Rekonstruktionspartner
einschränken“, erklärt Fraunhofer-Experte Nickolay. Jedem Puzzleteil
ordnet das System den richtigen Nachbarn zu, bis eine vollständige virtuelle
Seite entsteht.
Endgültig freigeben muss jede Seite ein Mitarbeiter der Behörde. „Schließlich
kann auch eine auf den ersten Blick unvollständige Seite ausreichend lesbar
sein, wenn zum Beispiel nur eine unbeschriftete Ecke des Papiers fehlt“,
erklärt Nickolay.
In der Pilotphase soll zunächst nur ein elektronischer Puzzler zum Einsatz
kommen – bestehend aus einem Hochleistungsscanner und einem digitalen
Verarbeitungssystem mit einer Reihe von Rechnern. Während der ersten zwei Jahre
will das IPK letzte Fehler ausmerzen und die Verarbeitungsgeschwindigkeit
erhöhen.
Die zusammengesetzten Akten sind nach Angaben der Birthler-Behörde für die
Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit von großer Bedeutung. Die bereits per Hand
zusammengelegten Seiten deuten auf einen brisanten Inhalt hin: „Schon die
kleine Stichprobe hat gezeigt, dass es sich in der Regel um wichtige Vorgänge
handelt“, sagt Günter Bormann aus dem Leitungsbüro der Behörde.
Viele Informationen seien bisher nicht im Archiv zu finden, auch nicht als
Kopie oder Sicherheitsverfilmung. Allein in der zweijährigen Pilotphase soll
der elektronische Puzzler mehr Schnipsel bearbeiten, als es Mitarbeiter seit
der deutschen Einheit per Hand geschafft haben. Die Technologie sei schneller
und effizienter als die manuelle Technik, lobt Bormann.
Die Praxisphase beginnt das IPK nicht wie ursprünglich geplant mit Lufthansa
Systems, sondern mit Arvato. Die Bertelsmann-Tochter trat im vergangenen Herbst
an die Stelle von Lufthansa Systems und übernimmt das Einlesen der
Papierschnipsel. Nach Ablauf der Pilotphase wird der Bundestag entscheiden, ob
tatsächlich der Inhalt aller 16 000 Säcke mit Hilfe des elektronischen Puzzlers
rekonstruiert werden soll. Nickolay hofft derweil auf weitere Einsatzgebiete
für seine neue Technik: Zum Beispiel in der Archäologie, bei der Restaurierung
von Gemälden und in der Kriminaltechnik.
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Fr. 01.12.2006 - 17:51 Uhr