A b s c h r i f t
ZOV
Zweckverband
Oberhessische
Versorgungsbetriebe
Hanauer Straße 9 - 13
61169 Friedberg
Ansprechpartner
Arnold Führer
An alle Fraktionsvorsitzenden der Kreistage
des Vogelsberg- und Wetteraukreises
und des Kreises Gießen
Telefon
06031 82-1310
Telefax
06031 82-1485
E-Mail
fuehrer@ovag.de
Datum
02.03.2004
Wasserver- und Abwasserentsorgung durch die OVAG
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie sind mit Schreiben der ATTAC-Gruppe Alsfeld/Vogelsberg aufgefordert
worden, über ihre Mitglieder in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes
Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) darauf hinzuwirken, dass die Oberhessische
Versorgungsbetriebe AG (OVAG) den Kommunen der drei Landkreise keine Angebote
mehr zur Übernahme der Wasserver- und Abwasserentsorgung macht. Uns
ist es ein Anliegen, einige unrichtige Behauptungen, die in dem Schreiben
der ATTAC-Gruppe Alsfeld/Vogelsberg aufgestellt worden sind, mit diesem
Brief richtig zu stellen.
1. In dem Schreiben der ATTAC-Gruppe Alsfeld/Vogelsberg wird behauptet,
dass die OVAG die Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen übernehmen
möchte und den betroffenen Städten und Gemeinden „schnelles Geld
zur Teilsanierung“ zukommen lässt. Richtig ist, dass der ZOV die Wasserver-
und Abwasserentsorgungsanlagen sowie das auf den Anlagen vorhandene Personal
übernimmt. Der ZOV zahlt hierfür an die Kommunen einen Kaufpreis
bzw. übernimmt die vorhandenen Verbindlichkeiten in diesen Ver- und
Entsorgungsbereichen, so dass es zu einer echten Entschuldung kommunaler
Haushalte kommt und nicht zu der in dem ATTAC-Schreiben proklamierten Neuverschuldung
der Kommunen. Primär sieht das ZOV-Modell damit auch keine Verpachtung
der Anlagen und somit nicht das von ATTAC angesprochene Factoring vor.
Die Verpachtung des Anlagevermögens ist lediglich eine Variante im
ZOV-Modell, die von den Kommunen frei gewählt werden kann. Eine Erklärung,
inwiefern Banken bei dieser Variante durch eine lediglich kapitalisierte
Auszahlung der Pachterlöse (Factoring) zu Lasten der Bürger profitieren
können, bleibt das ATTAC-Schreiben schuldig.
2. Das ZOV-Modell ist keine Form der Privatisierung, die man mit Cross-Border-Leasing
(CBL) oder Sale-and
-Lease-Back-Geschäften (SLB) etc. vergleichen kann. Im Gegensatz
zu diesen Geschäften wird im ZOV-Modell die Aufgabe der Wasserver-
und Abwasserentsorgung auf eine öffentlich-rechtliche Körperschaft
(ZOV) übertragen. Dies ist also ein Modell der interkommunalen Zusammenarbeit,
wie es in vielen kommunalen Be-reichen der Landkreise erfolgreich praktiziert
wird, u.a. im Zweckverband Abfallwirtschaft Vogelsbergkreis (ZAV) oder
im Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke (ZMW). Lediglich einzelne Tätigkeiten
im Rahmen der Aufgabenerfüllung werden der OVAG, einem rein kommunalen
Unternehmen, übertragen, dass hierfür ein unbestrittenes Know-how
aus fast 100 Jahren Wasserversorgung mitbringt. Von einer (echten) Privatisierung
kann daher durch die Einschaltung einer rein kommunalen Eigengesellschaft
(OVAG) in ein Zweckverbands-modell daher nicht die Rede sein.
3. In dem ATTAC-Schreiben wird behauptet, dass die Laufzeit der Pachtverträge dreißig Jahre beträgt. Richtig ist, dass - wie bereits erwähnt - ein Kaufvertrag geschlossen wird und die übrigen Vereinbarungen eine Laufzeit von fünf Jahren haben.
4. In dem ATTAC-Schreiben wird behauptet, dass im ZOV-Modell die Erzielung
von Gewinnen angestrebt wird. Richtig ist, dass durch die Übertragung
der Wasserver- und Abwasserentsorgung auf den ZOV das kommunale Abgabenrecht
nach dem hessischen Kommunalabgabengesetz (KAG) Anwendung findet. Der ZOV
muss daher die Gebühren nach den gleichen Grundsätzen, wie die
übertragende Kommune berechnen. Dies bedeutet, dass der Gebührenermittlung
im ZOV ebenfalls der Kostendeckungsgrundsatz zugrunde liegt, der eine Realisierung
von Gewinnen zu Lasten der Gebührenzahler ausschließt. Die Beachtung
des Kostendeckungsgrundsatzes im ZOV
-Modell führt auch die Behauptung im ATTAC-Schreiben ad absurdum,
dass die (Anm: hierfür nicht zuständige) OVAG aus Gewinnstreben
die Anlagen auf Verschleiß fahren würde.
5. In dem ATTAC-Schreiben wird behauptet, dass ein Verkauf der
OVAG an einen Großkonzern (RWE,
VIVENDI, SUEZ) gleichbedeutend sei mit der Umwandlung der Wasserversorgung
in eine x-beliebige Handels-ware und damit in möglichst viel Geld.
Richtig ist, dass das Bundeskartellamt einerseits bereits seit geraumer
Zeit den Verkauf von Versorgungsunternehmen an die sogenannten Großkonzerne
(RWE etc.) nicht mehr zulässt. Der angeführte Verkauf von EAM
an E.ON wäre nach derzeit geltendem Wettbewerbsrecht nicht mehr möglich.
Andererseits hätte der Verkauf der OVAG innerhalb des ZOV-Modells
keinerlei Auswirkungen auf die Versor-gungssicherheit oder die angesprochene
nachhaltige Wasserwirtschaft. Denn Aufgabenträger der Wasserversor-gung
bleibt in dem vorgeschlagenen Modell der ZOV, der sich lediglich zur Aufgabenerfüllung
der OVAG be-dient. Der ZOV könnte daher im Falle eines „hypothetischen“
Verkaufs die Wasserversorgung selbst erfüllen oder ein anderes Unternehmen
mit der Aufgabenerfüllung betrauen. Sollten trotz der Erklärung
der Anteilseigner, dass die OVAG in kommunaler Trägerschaft verbleiben
wird, bei einer Kommune noch Zweifel bestehen, könnte für den
Fall des Verkaufs der OVAG der übertragenden Kommune höchstvorsorglich
ein einseitiges Rücktrittsrecht eingeräumt werden.
6. In dem ATTAC-Schreiben wird suggeriert, dass die OVAG die Wasserversorgung als x-beliebige Handels-ware sieht. Richtig ist, dass das ZOV-Modell vertraglich vorsieht, dass Gewinnungsgebiete der übertragenden Kommunen nicht mit übernommen werden. Die Wasserrechte bleiben daher bei den Kommunen, die somit über die Wasserrechte auch in diesem Modell völlig frei verfügen können. Im übrigen sollte man in diesem Zusammen-hang nicht unbeachtet lassen, dass die OVAG als größter hessischer Einzelwasserversorger alle drei Landkreise und die Stadt Frankfurt auf höchstem qualitativen Niveau, unter Beachtung aller einschlägigen Gesetze und unter Einbindung aller Umweltschutzverbände und Behörden mit rund 35 Millionen Kubikmeter Wasser versorgt.
7. In dem ATTAC-Schreiben wird schließlich noch behauptet, dass den Gemeinden in Bezug auf die Wasser-versorgung eine gesetzliche Monopolstellung zukommt. Richtig ist, dass in vielen Städten (u.a. Frankfurt, Gießen, Bad Nauheim, Butzbach, Wetzlar) die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser bereits voll privatisiert ist und komplett von eigenständigen Gesellschaften übernommen worden ist. Diesem Umstand trägt auch der Gesetz-geber mit der Novellierung des hessischen Wassergesetzes Rechnung, in dem er die Übertragung der Wasserver- und Abwasserentsorgung auch auf private Gesellschaften zulassen will.
Da es sich im Ergebnis bei dem ZOV-Modell nicht um eine Privatisierung sondern lediglich um ein Modell der interkommunalen Zusammenarbeit handelt, möchten wir auf die dargestellte Situation in Großbritannien und Grenoble nicht eingehen.
Wir bitten Sie daher nur, das ZOV-Modell emotionsfrei und sachlich zu bewerten. Sofern Sie Fragen haben oder die Zusendung von Informationsmaterial zum ZOV-Modell wünschen, stehen Ihnen unsere Mitarbeiter Herr Dr. Thorsten Reichel, Abteilung Recht, (06031/82-1228) und Frau Daniela Müller, Abteilung Controlling und Revision (06031/82-1474) jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Lipphardt gez. Schwarz