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Finanzen

Wieder Ärger um öffentlich-private Partnerschaft

Von Tobias Rösmann

Beteuert, diesmal genauer gerechnet zu haben: Kämmerer Uwe Becker

12. Mai 2007

Um die Vergabe eines Bau- und Sanierungsauftrags für vier Frankfurter Schulen an ein Essener Unternehmen hat es im Magistrat heftigen Streit gegeben. Trotz erheblicher Bedenken des Revisions- und des Rechtsamts beschloss die schwarz-grüne Mehrheit schließlich die Vergabe in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP).

Die Ämter hatten zuvor kritisiert, sie hätten nicht genug Zeit gehabt, um das Vorhaben mit einer Investitionssumme von 127,8 Millionen Euro auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen.

Einen Antrag der Opposition, die Entscheidung um eine Woche zu verschieben, lehnten CDU und Grüne mit dem Hinweis auf „Eilbedürftigkeit“ ab. Die FDP enthielt sich. Nun müssen noch die Stadtverordneten zustimmen.

Zweifel an der Transparenz

In dem Streit geht es um das bislang größte Projekt, das die Stadt im ÖPP-Verfahren verwirklichen will. Nach Wunsch des Magistrats soll von Sommer 2007 bis Sommer 2009 die Hochtief PPP Solutions GmbH die Freiherr-vom-Stein-Schule und das Bikuz Höchst neu bauen sowie die Carl-von Weinberg- und die Heinrich-Kleyer-Schule aufwendig sanieren. Anschließend soll das Unternehmen die vier Schulen 20 Jahre lang instand halten und betreiben. Die Stadt zahlt dafür bis 2029 eine Leasingrate, die im  ersten Jahr 12,2 Millionen Euro beträgt. Am Ende der Vertrags gehören die Schulen der Stadt.

Die Vergabe ist deshalb so umstritten, weil beim ersten großen ÖPP-Projekt, dem Bau des Bildungszentrums Ostend, bis heute nicht geklärt ist, ob die Stadt besser selbst gebaut hätte, statt den Auftrag an Private zu vergeben. Das Revisionsamt war nach Prüfung der Unterlagen zu diesem Ergebnis gekommen. Demnach soll die Vergabe an ein Mannheimer Finanzinstitut vier Millionen Euro teurer gewesen sein als ein Eigenbau. Die Kämmerei dagegen behauptet, die ÖPP-Vergabe sei 16,9 Prozent billiger gewesen.

Auch ein Akteneinsichtsausschuss brachte kein Licht ins Dunkel. Fest steht mittlerweile aber, dass die Entscheidung, das Zentrum in öffentlich-privater Partnerschaft zu bauen, nicht in der Kämmerei  dokumentiert ist. Während der Akteneinsicht waren auch Zweifel an der Transparenz des Vorgangs aufgekommen; ein Mitglied des Akteneinsichtsausschusses sprach von einem „Prestigeprojekt der Oberbürgermeisterin“, bei dem die Wirtschaftlichkeit „nicht ganz oben“ gestanden habe.

Wirtschaftlichkeit nicht geprüft

Seit Freitag gibt es wieder Zweifel: In einer vertraulichen Stellungnahme des Revisionsamts, die der F.A.Z. vorliegt, heißt es, die Vorlage sei per Eilantrag erst am 9. Mai, also zwei Tage vor der Magistratssitzung, eingegangen. Die „äußerst knappe Zeitspanne“ reiche nicht für eine fachliche Prüfung. Ein solches Vorgehen führe dazu, „Projekte mit erheblicher finanzieller Tragweite der grundsätzlich notwendigen Prüfung durch Zentralämter zu entziehen“. Eine Wirtschaftlichkeitsprognose sei trotz mehrmaliger Aufforderung nicht geschickt worden.

Auch seien die Datengrundlagen der Entscheidung „nicht hinreichend erläutert“. Laut Revisionsamt bleibt somit offen, ob „ein belastbarerer Nachweis über die Wirtschaftlichkeit des Projekts gegeben ist“. Das Rechtsamt seinerseits kritisiert, dass wichtige Unterlagen, die eine Beurteilung des gewählten Vergabeverfahrens ermöglichten, ebenso wenig hätten geprüft werden können „wie unterschriftsreife Vertragswerke“.

Auf Anfrage begründete Kämmerer Uwe Becker (CDU) die Eile damit, dass sonst der Beginn der Arbeiten im Sommer gefährdet werde. Es gebe auch „keine Notwendigkeit, die Entscheidung zu schieben“, weil die Stadtverordneten sowieso noch zustimmen müssten. Becker sicherte zu, dass die Kämmerei diesmal sowohl für den Eigenbau als auch für das ÖPP-Projekt die Wirtschaftlichkeit berechnet habe. Trotzdem müssten wegen der Laufzeit von 20 Jahren „manche Zahlen hochgerechnet“ werden.

SPD: Projekt wurde „durchgepeitscht“

Aus der Vergabe beim Bildungszentrum Ostend hat die Kämmerei Becker zufolge gelernt: Es habe eine engere Absprache mit den Schulen gegeben, um deren Wünsche zu berücksichtigen. Das hessische Innenministerium, das als Aufsichtsbehörde den Vorgang genehmigen muss, werde informiert oder sei es schon. Das Schuldezernat wollte sich auf Anfrage nicht zu den Schulen äußern.

Die SPD warf Schwarz-Grün vor, das Projekt „durchgepeitscht“ zu haben. Es sei kaum Zeit gewesen sei, die „zum Teil hochkomplexen Rechnungen nachzuvollziehen“, äußerte der Sprecher der Magistratsgruppe, Hans-Dieter Bürger. CDU und Grüne hätten aus den Schwierigkeiten beim Bildungszentrum Ostend nichts gelernt.

Stadtrat Achim Kessler (Linke/WASG) nannte es einen „Skandal“, dass die Entscheidung nicht verschoben worden sei. Lehrer, Eltern und Schüler erwarteten zu Recht eine schnelle Sanierung der Schulen, doch dürfe dies „nicht gegen die Notwendigkeit einer soliden und eingehenden Prüfung ausgespielt“ werden. Stadträtin Ursula Fechter (FAG) sagte, sie sei von Schwarz-Grün „massiv unter Druck gesetzt“ worden. Natürlich sei auch sie für eine baldige Sanierung, zuvor müsse die Kämmerei aber die mangelhafte Wirtschaftlichkeitsberechnung überarbeiten.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z. - Bergmann

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