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Wider den Obrigkeitsstaat -

Der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz möchte den Bürgern mehr Transparenz in Bundesbehörden und Ministerialbürokratie garantieren

In der Regel gilt noch fast überall der Grundsatz, dass Informationen der Verwaltung nur im Ausnahmefall an Bürger weitergegeben werden. Die rot-grüne Regierung hatte in ihren Koalitionsverträgen versprochen, das zu ändern. Bislang hat sie nichts erreicht. Nun gibt es einen Vorschlag - von Bürger- und Berufsverbänden.

Unter "Informationsfreiheit" versteht man das Prinzip, dass die Unterlagen und Daten öffentlicher Stellen im Regelfall für jeden Bürger zugänglich sind. Deutschland ist neben Luxemburg das letzte Land in der Europäischen Union, das diese Offenheit nicht praktiziert, sondern am obrigkeitsstaatlichen Prinzip des so genannten "Amtsgeheimnisses" festhält: Bei uns gilt bisher der Grundsatz, dass Informationen der Verwaltung nur im Ausnahmefall an interessierte Bürger weitergegeben werden, z. B. wenn die Antragsteller Akteneinsicht in eigener Sache begehren. Ein Informationsfreiheitsgesetz würde dagegen einen Informationsanspruch für jeden schaffen - unabhängig von der direkten Betroffenheit und sogar ohne dass ein solcher Antrag begründet werden müsste. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) würde die Beweislast umkehren: Nicht mehr die Antragsteller müssten ihren Informationsanspruch begründen, sondern die Ämter oder Behörden müssten darlegen, warum sie im Ausnahmefall etwas nicht herausgeben können, weil z. B. der Datenschutz dem entgegensteht oder der Schutz von Betriebs- und Geschäftsge-heimnissen.

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Entwurf eines Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen

§ 1 Gesetzeszweck
Zweck dieses Gesetzes ist es, den freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen des Bundes vorhandenen Informationen sowie die Verbreitung dieser Informationen zu gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festzulegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen.

§ 2 Begriffsbestimmungen

§ 3 Anwendungsbereich
(1) Die Vorschriften über den Zugang zu Informationen gelten für die öffentlichen Stellen des Bundes.

§ 4 Informationsfreiheit
(1) Jeder hat Anspruch auf Zugang zu den bei einer öffentlichen Stelle vorhandenen Informationen.

§ 5 Ausgestaltung des Informationszugangsanspruchs
(1) 1 Die Behörde hat nach Wahl der Antragstellerin oder des Antragstellers Auskunft zu erteilen oder die Informationsträger zugänglich zu machen, die die begehrten Informationen enthalten.

§ 6 Antragstellung
(1) 1 Der Zugang zu Informationen wird auf Antrag gewährt. 2 Einer Begründung des Antrages bedarf es nicht.

§ 7 Entscheidung über den Antrag
(1) 1 Die zuständige Stelle macht die begehrten Informationen unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Wochen zugänglich.
(2) 1 Die Ablehnung eines Antrags oder die Beschränkung des begehrten Zugangs zu Informationen ist innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist schriftlich einschließlich einer Begründung zu erteilen.

§ 8 Kosten
(1) 1 Kosten können nur für die Überlassung und Übersendung von Kopien von Informationsträgern in Rechnung gestellt werden. Insbesondere werden die ersten 100 Fotokopien, die erste Diskette sowie die erste CD-ROM kostenfrei überlassen. Kosten des Personals der öffentlichen Stelle einschließlich der Gemeinkosten werden nicht berücksichtigt.
§ 9 Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung
(1) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, soweit und solange das Bekanntwerden der Informationen die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung oder die innere Sicherheit schädigen würde.
(2) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, soweit und solange 1. durch die Bekanntgabe der Informationen der Verfahrensablauf eines anhängigen Gerichtsverfahrens oder Disziplinarverfahrens erheblich beeinträchtigt würde oder 2. die Bekanntgabe der Informationen den Erfolg eines strafrechtlichen Ermittlungs- verfahrens gefährden würde und diese Informationen der öffentlichen Stelle nur aufgrund des jeweiligen Verfahrens zugehen.

§ 10 Schutz des behördlichen Entscheidungsbildungsprozesses
(1) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht für Entwürfe zu Entscheidungen sowie die Arbeiten zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der jeweiligen Entscheidung vereitelt würde.
(4) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht für Protokolle vertraulicher Beratungen.
(5) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, wenn das Regierungsgeheimnis der Bundesregierung berührt ist und schutzwürdige Interessen der Offenbarung entgegenstehen.

§ 11 Schutz personenbezogener Informationen
(1) Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, soweit durch das Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Informationen offenbart werden,

§ 12 Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
(1) 1 Der Anspruch auf Zugang zu Informationen besteht nicht, soweit und solange durch die Übermittlung der Informationen ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und die schutzwürdigen Belange des Betroffenen das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit überwiegen.

§ 13 Einwilligung des Betroffenen

§ 14 Beschränkter Informationszugang

§ 15 Erschließung von Informationen
(3) Eine Information, die mehrfach nachgefragt wurde, ist unverzüglich elektronisch zu veröffentlichen.
(4) Informationen, die in einem elektronischen Format vorliegen, sollen elektronisch veröffentlicht werden.

§ 16 Statistiken

§ 17 Verordnungsermächtigung

§ 18 Anrufung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz
(1) Eine Person, die der Ansicht ist, dass ihr Informationsersuchen zu Unrecht abgelehnt oder nicht beachtet worden ist oder dass sie von einer Behörde eine unzulängliche Antwort erhalten hat, kann den Bundesbeauftragten für den Datenschutz anrufen.

§ 19 Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung

§ 20 Verhältnis zu anderen Informationszugangsrechten Rechtsvorschriften, die einen weitergehenden Zugang zu Informationen ermöglichen, bleiben unberührt.

Artikel 2 Anpassung von Rechtsvorschriften: Innerhalb von 12 Monaten prüft das Bundesministerium für Inneres die Vereinbarkeit geltender Rechtsvorschriften mit diesem Gesetz, um zu gewährleisten, dass diese an die Vorschriften dieses Gesetzes angepasst werden können.

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Keine zusätzliche Bürokratie

Bisher wurden Informationsfreiheitsgesetze in den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingeführt. Die Erfahrungen dort zeigen, dass die meisten Bürger die Transparenzverpflichtung nutzen, um ganz nahe liegende Dinge aus ihrem Wohnumfeld oder Interessengebiet zu erfragen: So kann man per Akteneinsicht oder durch eine schriftliche Auskunft (Aktenkopien) z. B. in Erfahrung bringen, was die Brandschutzbegehung im Kindergarten um die Ecke ergeben hat, wie die jüngste Verkehrszählung ausgefallen ist, oder was bei der Lebensmittelkontrolle gefunden wurde. Die befürchtete "Antragsflut" und zusätzliche Bürokratie, die die Gegner der Informationsfreiheit gerne ins Feld führen, ist nirgendwo eingetreten. Im Gegenteil: Das Mehr an Demokratie, das mit einer bürgernahen und offenen Verwaltung einhergeht, wurde mit dem IFG "günstig eingekauft", so der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Fritz Behrens, über die Praxiserfahrungen auf Länderebene.

Auf Bundesebene kommt der Versuch, ein IFG einzuführen, trotzdem bisher nicht voran: Obwohl dieses Reformprojekt in den Koalitionsverträgen von 1998 und 2002 enthalten ist, scheiterte schon die Vorlage eines abgestimmten Gesetzentwurfes an Widerständen aus der Ministerialbürokratie und der Wirtschaft.

Um die Debatte über Informationsfreiheit zu beleben, hat sich ein Bündnis von fünf Organisationen zusammengefunden, das einen eigenen Gesetzesvorschlag zur Diskussion stellt: Die Journalistenorganisationen Deutscher Journalisten-Verband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di und netzwerk recherche sowie die Nichtregierungsorganisation Transparency International und die Bürgerrechtsgruppe Humanistische Union präsentieren hiermit einen eigenen Vorschlag für ein modernes, bürgerfreundliches und weit reichendes Informationsfreiheitsgesetz. Wir sehen in einem solchen Gesetz einen wichtigen Schritt zur Stärkung der demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürger. Außerdem bauen wir auf einen Kulturwandel in Politik und Verwaltung, der durch dieses Gesetz angestoßen werden kann - hin zu mehr Transparenz und Bürgernähe. Für Journalisten würde das IFG die Recherchemöglichkeiten verbessern, vor allem indem Originaldokumente eingesehen werden können. Ferner trägt die Informationsfreiheit zur Korruptionsprävention bei, wie sich in den Staaten gezeigt hat, die auf eine lange Tradition der Behördentransparenz zurückblicken können.

Wir halten es für überfällig, dass die deutsche Verwaltung endlich ihr obrigkeitsstaatliches Erbe hinter sich lässt und mehr Offenheit gegenüber den Bürgern wagt. Es geht dabei nicht mal um einen "mutigen Reformschritt", sondern letztlich nur darum, den Anschluss an längst erreichte Standards anderer westlicher Demokratien wiederzuerlangen.

Zentrale Punkte des Gesetzentwurfs

Öffentlichkeit von Informationen wird von der Ausnahme zur Regel: Bisher gilt in Deutschland das Prinzip des Amtsgeheimnisses. Danach haben Behördeninformationen internen Charakter, sofern sie nicht auf Grund besonderer Regelungen zugänglich sind. Durch das Informationsfreiheitsgesetz wird die Öffentlichkeit von Informationen bei staatlichen Stellen zur Regel und die Verweigerung des Zugangs zu Informationen die begründungsbedürftige Ausnahme. Diese Öffentlichkeit macht die Verwaltung transparenter und beugt Korruption vor.

Weit gefasster Anspruch auf Zugang zu Informationen: Zu diesem Zweck wird ein weit gefasster Anspruch auf Zugang zu Informationen konstituiert. Jeder Person und Organisation steht dieser Anspruch als subjektives Recht zu. Der Nachweis eines Interesses oder sonst eine Begründung des Anspruches ist nicht erforderlich.

Weit gefasster Anwendungsbereich des Gesetzes: Die Verpflichtung, Zugang zu Informationen zu gewährleisten, trifft alle öffentlichen Stellen des Bundes einschließlich solcher Privater, auf die der Bund Einfluss nehmen kann. Ausgenommen sind nur der Bundestag als Gesetzgeber sowie die Gerichte und sonstige Stellen, die in richterlicher Unabhängigkeit handeln.

Eng gefasste Ausnahmeklauseln: Der erforderliche Schutz gewisser öffentlicher Interessen und privater Rechte wird gewährleistet. Regelungstechnisch wird der - international verankerte - Ansatz der "eng begrenzten, genau bestimmten" Ausnahmen zu Grunde gelegt. Das höchste Schutzniveau gilt für personenbezogene Informationen. Auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden einschließlich der Rechte am geistigen Eigentum streng geschützt. Die Ermittlungstätigkeiten von Polizei und Ordnungskräften sowie ein Kernbereich des behördlichen Entscheidungsprozesses behalten einen angemessenen Schutz. Das Informationsfreiheitsrecht vermittelt vor allem einen Rechtsanspruch des Bürgers gegenüber dem Staat. Entsprechend sind die Ausnahmeklauseln zum Schutz öffentlicher Interessen besonders eng gefasst.

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Autoren

Der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz wurde vorgelegt von:

netzwerk recherche (nr) c/o Dr. Thomas Leif Marcobrunnerstraße 6 65197 Wiesbaden Tel.: 06 11 / 49 51 51 Fax: 06 11 / 49 51 52 info@netzwerkrecherche.de www.netzwerkrecherche.de

Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Bundesgeschäftsstelle Potsdamer Platz 10 10785 Berlin Telefon: 030 / 69 56 23 22 Fax: 030 / 69 56 36 57 dju@verdi.de www.dju.verdi.de

Deutscher Journalisten-Verband (DJV) Bennauerstraße 60 53115 Bonn Tel.: 02 28 / 201 72 - 0 Fax: 02 28 / 201 72 - 33 djv@djv.de www.djv.de

Humanistische Union e. V. Greifswalder Straße 4 10405 Berlin Tel.: 030 / 20 45 02 56 Fax: 030 / 20 45 02 57 info@humanistische-union.de www.humanistische-union.de
Transparency International Deutsches Chapter e. V. Alte Schönhauser Str. 44 10119 Berlin Tel.: 030 / 54 98 98 - 0 Fax: 030 / 54 98 98 - 22 office@transparency.de www.transparency.de

Fachautor: Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg

Der komplette Gesetzentwurf ist im Internet zu finden unter: www.humanistische-union.de ber

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Einfache, aber strenge Verfahrensregelungen: Ohne strenge Verfahrensregelungen kann ein Informationszugangsrecht nicht wirksam werden. Der Gesetzentwurf trifft solche Regelungen in knapper und auch für die Allgemeinheit verständlichen Form. Es gelten enge Fristen für den Informationszugang. Antragsteller haben die Wahl hinsichtlich der Form des Informationszugangs (Auskunft, Einsicht in Unterlagen, Überlassung von Kopien). Bei teilweiser Unzugänglichkeit von Informationen müssen Restinformationen zugänglich bleiben.

Keine Kostenbarriere: Die Kosten für den Informationszugang werden bewusst niedrig angesetzt. Erstattet werden muss höchstens der Materialaufwand, nicht der Arbeitsaufwand öffentlicher Stellen.

Wegbereitung für die Informationsgesellschaft: Der Gesetzentwurf trägt der steigenden Nutzung elektronischer Medien, insbesondere des Internets, Rechnung. Als Anreiz, die Verwaltung auf die Informationsgesellschaft vorzubereiten, sieht der Gesetzentwurf vor, dass individuelle Auskunftspflichten staatlicher Stellen entfallen, wenn diese auf einschlägige Veröffentlichungen im Internet verweisen können. Der Gesetzentwurf beschreibt außerdem einen Kernbestand an Informationen, die im Internet veröffentlicht werden müssen.

Mindeststandard definiert

Anpassung der Vorschriften über den Rechtsschutz: Das gerichtliche Verfahren im Streit um den Zugang zu Informationen weist viele Eigenheiten auf, die eine Anpassung des geltenden Rechtsschutzsystems erforderlich machen. Der Gesetzentwurf verfolgt eine "mittlere" Linie: Ergänzend zum gerichtlichen Rechtsschutz erhält der Bundesbeauftragte für Datenschutz die Rechte und Pflichten eines Informationsfreiheitsbeauftragten. Erfahrungen in anderen Bundesländern haben gezeigt, dass dies nicht nur die Gerichte entlastet, sondern in hohem Maße dazu beiträgt, den betroffenen Bürgern rasch und unbürokratisch zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Verwaltungsgerichtsordnung wird angepasst, damit Prozesse um Informationszugangsrechte zügig und kostengünstig durchgeführt werden können. Insbesondere wird der Rechtsweg schon dann eröffnet, wenn die öffentliche Stelle auf einen Antrag nicht rechtzeitig reagiert.

Verhältnis zu anderen Informationszugangsrechten: Das Gesetz definiert einen Mindeststandard der Zugänglichkeit von Informationen. Andere Gesetze können einen weitergehenden Informationszugang erlauben, einschränken dürfen sie ihn nicht.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 04.04.2004 um 16:40:14 Uhr
Erscheinungsdatum 05.04.2004