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FR vom 09.03.2006

"Ohne Wasser keine Entwicklung"

Studie berechnet Investitionsbedarf für eine ausreichende Versorgung / Konferenz in Mexiko

Investitionen von mindestens zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr sind notwendig, wenn die internationale Gemeinschaft das "Millennium"-Ziel der Vereinten Nationen erreichen will, bis 2015 die Zahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben.

(Bild)
1,4 Milliarden ohne Zugang (ddp)

Paris · Eine Woche vor dem Weltwasser-Forum, das vom 16. bis 23. März in Mexiko mit rund 5000 Teilnehmern stattfinden wird, stellte der "Weltwasser-Rat" in Paris das Ergebnis einer Untersuchung vor. Nach wie vor hätten 1,4 Milliarden Menschen weltweit keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser, und 2,6 Milliarden leben ohne Abwasserbeseitigung oder -aufbereitung.

Loïc Fauchon, der Präsident des in Marseille angesiedelten Rates, der rund 300 Organisationen, Staaten und lokale Institutionen vereint, erinnerte daran, dass jährlich acht Millionen Menschen an Erkrankungen sterben, die auf mangelhafte Wasserversorgung zurückgehen. Es gehe darum, so Fauchon, "das Recht auf Wasser für alle", das für das Jahr 2015 von den Vereinten Nationen zum Ziel erhoben wurde, sicherzustellen. Die Bestandsaufnahme des Rates zeigt, dass die Investitionen für die Aufrechterhaltung der bestehenden Wasserversorgungssysteme in der Welt mit 15 bis 20 Milliarden US-Dollar jährlich noch deutlich höher angesetzt werden müssen.

Der Zugang zu Wasser und die Aufbereitung der Abwässer sind nach Darstellung Fauchons "die Voraussetzung für jede Form von Entwicklung". In Afrika beispielsweise seien zahllose Menschen ständig mit der Beschaffung von Wasser beschäftigt, was sie von Bildungs- und ökonomischen Chancen ausschließe.

Verteilung nur lokal

Während des Forums in Mexiko, das an die Konferenzen in Kyoto und Johannesburg anknüpft, soll vor allem über die Einbindung lokaler Institutionen in den "Millennium"-Prozess diskutiert werden. Die Verteilung von Wasser könne nicht zentralisiert oder privatisiert geregelt werden, sagte Fouchon, weshalb er sich auch dafür einsetze, dass der Zugang zu Trinkwasser als elementares Grundrecht in die Verfassungen der UN-Mitgliedstaaten aufgenommen wird. Hans-Helmut Kohl

Dazu :

FR vom 9.03.2006

KOMMENTAR

Lebenselixier

VON HANS-HELMUT KOHL

Wasser ist Leben. Die schlichte Wahrheit hat eine Kehrseite. Wo kein Wasser vorhanden ist oder seine Qualität zu wünschen übrig lässt, drohen Krankheit und Tod. Deshalb ist das ehrgeizige Millennium-Ziel der Vereinten Nationen, die Zahl der Menschen zu halbieren, die noch keinen Zugang zu Wasser haben, rund um den Globus mit Wohlwollen und Unterstützungszusagen aufgenommen worden.

Es reicht jedoch nicht aus, die Ziele zu formulieren. Hier wie auf den anderen Feldern der "nachhaltigen Entwicklung" müssen die Zusagen der reichen Nationen, an der Beseitigung dieses globalen Übels mitzuwirken, auch beständig eingehalten werden. Ebenso macht es keinen Sinn, die Hilfen für die ärmsten Staaten der Erde wie in der Vergangenheit in Form von "günstigen" Krediten zu gewähren, die doch nie zurückgezahlt werden können, sondern erlassen werden müssen: Der Teufelskreis wird so nicht durchbrochen.

Der Weltwasserrat hat jetzt die Dimensionen aufgezeigt, die notwendig sind, um das Ziel zu erreichen. Und er hat zugleich deutlich gemacht, dass sich die Wasserproblematik verschärft: Durch die Entwicklung zu immer gewaltigeren Megastädten in Afrika, Asien und Lateinamerika, durch den Klimawandel und die Umweltverschmutzung, durch den nach wie vor rasant steigenden Verbrauch in den Industrie- wie in den Schwellenländern.

Aber der Rat hat auch Hoffnungszeichen ausgemacht: Die Entsalzung von Meerwasser schreitet voran, in den Machtzentralen der Welt hat ein Bewusstseinswandel eingesetzt, und die befürchteten Kriege ums Wasser werden wohl doch nicht stattfinden. Im Gegenteil: Die Menschheitsgeschichte hat viele Beispiele dafür, dass selbst in Kriege verwickelte Völker und Staatswesen fähig waren, den Zugang zum Lebenselixier "friedlich" zu regeln und sich an diese Absprachen auch strikt zu halten. Wasser, so scheint es, ist nicht nur Leben, sondern manchmal sogar der Anlass für Frieden.