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Wasser als Objekt der Begierde

Konzerne rangeln mit Kommunen um die Marktkontrolle

Von Joachim Wille

"Wir trinken was Gutes." Na also, endlich mal eine aufbauende Nachricht. Die Hörzu muss es wissen, denn die Redaktion der TV-Zeitschrift hat tief in die Kasse gegriffen, um einen der bisher aufwendigsten Trinkwasser-Tests durchführen zu lassen. Untersucht wurde kürzlich das kühle Nass, das in 270 deutschen Städten von Aachen bis Zwickau aus dem Hahn läuft, und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen: In keinem Fall wurden die strengen Grenzwerte - etwa für Nitrit und Nitrat, Pestizide und Chloroform - überschritten. In vier Städten ist das Wasser der Analyse zufolge sogar völlig frei von Schadstoffen, nämlich in Baden-Baden, Neustadt an der Weinstraße, Bayreuth und Erlangen.

Das deutsche Trinkwasser gilt als "das beste der Welt". So preisen nicht nur die Wasserwerke ihre Leistungen an, auch sonst kritische Umwelt- und Verbraucherschützer erkennen die Qualität des flüssigen "Nahrungsmittels Nummer eins" an - wobei sie allerdings große Sorge um diesen Standard haben, und zwar wegen der auch in Europa festzustellenden Tendenzen zur Privatisierung und Liberalisierung des Wassermarktes. Sie fahren schweres Geschütz auf: Eine Öffnung, wie sie die Weltbank, aber auch EU-Wettbewerbskommissar Frits Bolkestein fordern, führe zur Bildung von kaum noch kontrollierbaren Oligopolen, wettert zum Beispiel der Vizepräsident des Europaparlaments Gerhard Schmid (SPD). Und eine Phalanx von Attac über BUND, Verdi bis zum Verband Kommunaler Unternehmen fordert: "Schluss mit der Liberalisierung der Wasserversorgung". Bisher hätten Privatisierungen in vielen Fällen nicht nur zu Preissteigerungen, sondern auch zu Qualitätseinbußen geführt, warnt BUND-Experte Daniel Mittler.

Neue Gefahr für ein Lehrstück gelungener Umweltsanierung? Tatsächlich sind die Bürger damit, dass die Wasserversorgung in Deutschland als öffentliche, nicht als rein privatwirtschaftliche Aufgabe gilt, in den vergangenen Jahren gut - wenn auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern relativ teuer - gefahren. Die Zeiten, in denen Verbraucherschützer etwa wegen zu hoher Nitratwerte davor warnten, Wasser aus bestimmten Regionen für Baby-Tee zu verwenden, sind vorbei. Noch zu Beginn der 90er Jahre hatte ein Trinkwasser-Test nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Wasserwerker alarmiert. Inzwischen hält man die Fahne des "Vorbeugungsprinzips" hoch.

"Unsere Branche hat es verinnerlicht, dass es besser ist, die Einträge von Schadstoffen ins Grundwasser zu verhindern, als später das Wasser teuer aufbereiten zu müssen", sagt Andrea Nitsche vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Ebenso habe man die Lehren aus den Trockenperioden - etwa im legendären Hitzejahr 1976 - gezogen, als sinkende Grundwasserspiegel und niedrige Fluss-Stände die Versorgung in Teilen der Republik gefährdeten. Im Hessischen Ried, Wasserlieferant für den Ballungsraum Frankfurt, starb damals ein ganzes Waldgebiet ab. Im Vogelsberg, ebenfalls Reservoir der Main-Metropole, bekamen die Häuser Setzrisse. Ursache: Grundwasserspiegel im freien Fall.

Niemand müsse Sorge haben, dass wegen der Dürreperiode im Frühjahr und Frühsommer besonders im Osten und Süden Deutschlands das Wasser aus dem Hahn knapp werden könnte, sagt jetzt Professor Harro Bode, der Deutschland-Vorsitzende der Internationalen Wasservereinigung. Das hat mit der inzwischen aufgebauten Struktur zu tun: "In Deutschland wird das Trinkwasser zu 73 Prozent aus Grundwasser gewonnen", erläutert der Experte. Nur im Bodensee wird Oberflächenwasser direkt gezapft. Die Grundwasserspeicher aber sind dank zuletzt feuchter Winter gut gefüllt. In einigen Regionen allerdings melden die Talsperren niedrige Stände. Im Sauerland wird die angepeilte Marke derzeit um rund zehn Prozent unterschritten - "keine Gefahr, dass es deswegen zur Trinkwasserknappheit kommt", heißt es indes beim Essener Ruhrverband.

Entwarnung? "Für einen Trinkwassernotstand müssen schon Jahrhundertereignisse passieren", sagt Bode. Die sind im verschärften globalen Treibhausklima zwar nicht mehr auszuschließen. Stärker noch brennen den Wasserwerkern in Deutschland aktuell jedoch die ökonomischen Probleme und das "Bolkestein-Syndrom" unter den Fingern. Denn die Zeiten, da das deutsche Trinkwasser nur von Stadtwerken oder kommunalen Unternehmen gefördert, aufbereitet und in die Häuser gepumpt wurde, sind vorbei. Die Finanznot der Städte und Gemeinden zwang eine Reihe von Kommunen, die Wasserversorgung zumindest teilweise zu privatisieren - und damit wenigstens einmal ordentlich Geld in die Kassen gespült zu bekommen.

Beispiel Berlin: Der Verkauf von 49 Prozent des Versorgers BWB an den französischen Konzern Vivendi (heute Veolia) sowie an RWE und die Allianz brachte 1999 rund 3,3 Milliarden Mark. Private Wasserwerker, zumeist Veolia und sein französischer Konkurrent Suez, sind auch in anderen Ost-Städten wie Rostock und Görlitz dabei, im Westen gilt der Eon-Ableger Thüga mit mehr als 100 Stadtwerke-Beteiligungen als der erfolgreichste Aufkäufer. Eine andere ebenfalls im Markt äußerst potente Eon-Tochter, die Gelsenwasser, steht derzeit - wenn auch nicht ganz freiwillig - zum Verkauf. Die Trennung ist eine Auflage, die mit der umstrittenen Ministererlaubnis für die Fusion von Eon und dem Gasgroßhändler Ruhrgas verbunden war.

Gleich vier Bietergruppen haben sich beworben, darunter die Stadtwerke Bochum und Dortmund, aber auch die Entsorgungsgruppe Rethmann und wieder Veolia, die zusammen mit den Stadtwerken Düsseldorf antritt. Das zeigt: Im Wassergeschäft ist noch Musik, auch wenn Eon Branchenkennern zufolge eher "nur" mit einem Kaufpreis von 800 bis 900 Millionen Euro rechnen kann, nicht mit den einmal als "Oberkante" genannten 1,3 Milliarden.
Die Tendenz geht zu den "PPP" - Private-Public-Partnerships, in denen Stadtwerke mit privaten Investoren zusammengehen - und ebenso zum Zusammenschluss von derzeit noch selbstständigen kommunalen Wasserwerken. Nur die größeren Einheiten sind offenbar in der Lage, die hohen Investitionen zu schultern, die nötig sind, um die Vorschriften der jüngst verschärften Trinkwasserverordnung einzuhalten, aufwendige Labors zu betreiben und die Leitungs- und Kanalnetze in Schuss zu halten. Ausgerechnet ein von den Umweltschützern heftig begrüßter Trend verschärft das Problem: Dadurch, dass der Wasserverbrauch nach dem Spitzenwert von rund 145 Litern pro Kopf und Tag in den 90er Jahren auf unter 130 gesunken ist, steigen die Fixkosten pro Liter. Wenn die Preise nicht weiter klettern sollen, muss etwas geschehen.

Kritische Wasser-Experten wie Nik Geiler vom Umweltverband BBU bestreiten, dass zur Effizienzsteigerung das Kapital der großen Konzerne nötig ist, die "mehr den Aktionären als der Belegschaft und der Ökologie" verpflichtet seien. Er nennt als leuchtendes Alternativ-Beispiel die Stadtwerke der Ruhrgebietsstadt Herten. Die beteiligten statt eines Energie- oder Wassermultis die Beschäftigten und Kunden, die Fondsanteile zeichnen konnten, an ihrem Geschäft. Der im Herbst 2002 aufgelegte "Hertenfonds" war ein solcher Renner, dass das Fondskapital verdoppelt werden musste. Die erwogene (Teil-)Privatisierung wurde überflüssig.

Der BBU hat inzwischen nach dem Hertener Modell und analog zu den spartenbezogenen Metall- und Chemie-Fonds einen bundesweiten "Blauen Pensionsfonds" vorgeschlagen, mit dem die Beschäftigten der kommunalen Wasserbetriebe ihre private Alterssicherung ("Riester-Rente") auf eine solide Grundlage stellen und Kapital für die Stadtwerke ansammeln können (www. blauer-pensionsfonds.de).

Beim Branchenverband BGW sieht man den PPP-Boom naturgemäß weniger kritisch. Die Umwelt- und Verbraucherschutzanforderungen seien in Verordnungen und Gesetzen geregelt, "daran müssen sich alle Unternehmen halten", sagt Sprecherin Nitsche. Ganz andere Töne spuckt der BGW jedoch, wenn es um die zweite Stufe in der angeblichen "Modernisierung" des Wassersektors geht, und er weiß sich dabei einig mit den Parteien im Bundestag, mit den Kommunalverbänden, mit den Umweltschützern, dem Umweltbundesamt und sogar den Globalisierungsgegnern. Der Gegner heißt: EU-Kommission und Bolkestein. Der Kommissar greife "alle ollen Kamellen der Wasserliberalisierungsideologen wieder auf", die längst weggelutscht seien, befand der wasserpolitische Sprecher des BGW, Dieter Bongert.

In der Bundesrepublik schien der Versuch, auch in der Wasserwirtschaft die Monopole zu knacken und sie nach dem Modell des Strom-, Gas- und Telekommunkationssektors öffnen zu wollen, in der Tat abgehakt. Der Bundestag wies dieses - auch vom damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller gepuschte Ansinnen - im vergangenen Jahr zurück. Eine Modernisierung der deutschen Wasserwerkslandschaft, mehr PPP und größere Einheiten, seien zwar dringend angezeigt.

Beide gängigen Liberalisierungsmodelle seien aber wegen des besonderen Charakters der Versorgung mit dem sensiblen Lebensmittel H2O untauglich: sowohl der Wettbewerb im Markt, wenn mehrere Anbieter (wie beim Strom) ein und dieselbe Leitung benutzen, als auch der Wettbewerb um den Markt, wenn verschiedene Anbieter um das zeitlich befristete Recht zur Wasserversorgung konkurrieren.

Doch Bolkestein lässt nicht locker. Im "Grünbuch zur Daseinsvorsorge" der Kommission vom vergangenen Mai wird die Versorgung mit dem Lebenselixir als "Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" definiert. Auf Deutsch: Es gibt in Bezug auf den Wettbewerb keine Extrawurst. EU-Parlamentarier Schmid kommentiert trocken: "Der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht." Das Parlament werde den Alleingang des "Ordoliberalen" stoppen. Gegen Bolkestein sei FDP-Chef Guido Westerwelle ja "geradezu ein Verfechter der Planwirtschaft".

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2003
Dokument erstellt am 25.07.2003 um 18:12:45 Uhr
Erscheinungsdatum 26.07.2003
 
 

Von wegen "Wasser für die Armen"

Die einst hochgelobte Privatisierung der Versorgung in Manila erweist sich als Debakel

Von Uwe Hoering

Ende Dezember des vergangenen Jahres meldete die Firma Maynilad, zuständig für die Wasserversorgung von zwei Dritteln der zwölf Millionen Einwohner der philippinischen Hauptstadt Manila, "Schwierigkeiten, Versorgungsverpflichtungen einzuhalten und Ziele für die Verringerung von Wasserverlusten zu erreichen". Das war nicht die erste Hiobsbotschaft aus dem Unternehmen. Schon vorher war zu hören, das Management hätte Probleme, Investitionskredite zu beschaffen. Nachdem Maynilad bereits seit März 2001 keine Konzessionsgebühren mehr gezahlt hatte, zog die Firmenleitung jetzt die Notbremse: Sie kündigte den nur fünf Jahre alten Konzessionsvertrag mit dem staatlichen Versorgungsunternehmen MWSS auf. Der Partner MWSS, so Maynilad-Präsident Rafael Alunan, habe seinerseits seine Verpflichtungen nicht erfüllt und damit die Probleme verschuldet.

Dabei hatte Maynilad anfangs alles getan, um den Vertrag zu bekommen. Das Gemeinschaftsunternehmen von Ondeo, der Tochter des französischen Versorgungskonzerns Suez, und der philippinischen Unternehmensdynastie Lopez machte dem staatlichen Versorger ein unwiderstehliches Angebot: Es übernahm 800 Millionen Dollar an Altschulden von MWSS und versprach, bis 2021 mehr als sieben Milliarden Dollar in das teilweise marode Leitungsnetz zu investieren. Innerhalb von zehn Jahren sollte es Wasser für alle geben - Mitte der neunziger Jahre hatte ein Drittel der Einwohner Manilas keinen Wasseranschluss. Der fehlte vor allem in illegalen Siedlungen und ärmeren Vierteln. Die Wasserverluste von 60 Prozent würden halbiert. Und das alles ganz preiswert: Die Wassergebühren wären mit umgerechnet zehn Cent je Kubikmeter nur halb so hoch wie die Tarife von MWSS. Die Übertragung des Betriebs an ein privates, erfahrenes internationales Unternehmen wie Ondeo, so verkündete der philippinische Präsident Fidel Ramos, werde eine "verlässlichere Versorgung zu niedrigeren Preisen" bringen.

Auch die Weltbank, die diese "öffentlich-private Partnerschaft" eingefädelt hatte, lobte: "Die Manila-Konzession hat neue, tatkräftige Akteure auf die Bühne geholt." Die philippinische Hauptstadt wurde zum Vorzeigemodell für ihr Credo, dass private Versorger effizienter seien als öffentliche Unternehmen, marode Wasser- und Kanalisationsnetze in den Metropolen auf der Südhalbkugel auf Vordermann zu bringen und die Versorgung für die ärmeren Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Ondeo, eine der Triebkräfte der Globalisierung in der Wasserbranche, schmückt sich in ihren Hochglanzbroschüren denn auch gerne mit dem Versprechen, "Wasser für die Armen" zu bringen.

Die Schwierigkeiten begannen bereits Anfang 1997, kurz nach Vertragsabschluss: Die Asienkrise halbierte den Wert des philippinischen Peso und machte die auf Dollar basierenden Kalkulationen des Unternehmens teilweise zunichte. Maynilad forderte zum Ausgleich höhere Wassertarife - und setzte sie durch, wenn auch erst nach heftigem Widerstand durch die Regulierungsbehörde. Seit Anfang dieses Jahres sind die Wasserpreise doppelt so hoch wie vor der Privatisierung.

Trotzdem machte Maynilad Verluste, was die Kreditwürdigkeit der Firma beeinträchtigte. Grund für die roten Zahlen, erläutert Jude Esguerra, sei allerdings weniger die Asienkrise als vielmehr mangelhaftes Management. Der Wasserexperte der Entwicklungsorganisation IPD kann das mit Zahlen belegen: statt zu sinken, stiegen die Wasserverluste durch Lecks, Diebstahl und unbezahlte Rechnungen weiter. Denn das Unternehmen investierte mit lediglich 82 Millionen Dollar in den ersten fünf Jahren nur ein Viertel der versprochenen Summe in eine effizientere Versorgung. Während die Einnahmen aus dem Wasserverkauf geringer ausfielen als kalkuliert, stiegen gleichzeitig die Betriebskosten - etwa durch hohe Gehälter für ausländische Manager. Gefangen zwischen hohen Kosten und geringen Einnahmen war die Bankrotterklärung unausweichlich.

Beobachter wie Esguerra sehen dahinter allerdings Methode. Die Versprechungen von niedrigen Tarifen, hohen Investitionen und größerer Effizienz waren lediglich "Lockvogelangebote", um den Zuschlag für die Konzession zu bekommen. Statt sie umzusetzen, versuchte Maynilad den einfachen Weg, um Reibach zu machen - durch den Verweis auf äußere Umstände wie die Asienkrise.

Dass Maynilad trotz der Zugeständnisse das Handtuch warf, kommt dem Eingeständnis gleich, dass sich das Unternehmen übernommen hatte. Die Erwartungen, durch den Einstieg in Manila ein schnelles Geschäft zu machen, erfüllten sich nicht. Jetzt soll der Ausstieg lukrativ werden: Mit dem Verweis auf Vertragsverletzungen durch den staatlichen Partner MWSS versucht der private Versorger, vor einer Schiedskommission unter Vorsitz der Internationalen Schlichtungsstelle (Court on Arbitration) eine Entschädigung von 303 Millionen Dollar zu erstreiten. So habe MWSS versäumt, genügend Rohwasser zur Verfügung zu stellen und weitere, notwendige Preiserhöhungen verhindert.

Die Probleme, die Ondeo in Manila hat, sind kein Einzelfall: Die Krise in Argentinien zwang das Unternehmen, 500 Millionen Euro abzuschreiben. Die Kreditwürdigkeit seines dortigen Tochterunternehmens Aguas Argentinos wurde von Standard & Poor's wegen Zahlungsverzugs auf "D" heruntergestuft, was so viel bedeutet wie: ausgesprochen wackliger Kantonist.

Die Ondeo-Tochter in der indonesischen Hauptstadt Jakarta klagt, dass die Regulierungsbehörde die Preise unwirtschaftlich niedrig hält. Gleichzeitig wächst der politische Widerstand gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft. Verbrauchergruppen und Studenten kritisieren steigende Preise, unzureichende Versorgung der ärmeren Bevölkerung und hohe Wasserverluste.
Wegen wirtschaftlicher Probleme strukturierte Suez, die Ondeo-Mutter, im Januar das Unternehmens um, schraubte die Investitionsziele um die Hälfte auf vier Milliarden Euro zurück und erwog, Beteiligungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, zu verkaufen, um die Schulden zu reduzieren. Außerdem will sich das Unternehmen stärker auf "solide" Märkte konzentrieren. "Das bedeutet, dass Suez Investitionen und Aktivitäten im Wassersektor der Entwicklungsländer verringern wird", urteilt David Hall vom gewerkschaftlichen Forschungsinstitut PSIRU.

Aber auch Suez ist kein Einzelfall: SAUR, ein anderer französischer Wasserkonzern, hat sich in den vergangenen zwei Jahren von Verträgen in Mosambik und Simbabwe zurückgezogen und forderte in Südafrika erhebliche Nachbesserungen des bestehenden Kontrakts. Im brasilianischen Bundesstaat Paranà hat der Gouverneur einen Vertrag zwischen Veolia, dem dritten großen französischen Versorgungskonzern, und dem staatlichen Versorgungsunternehmen für ungültig erklärt. Die neue Zentralregierung unter Präsident Inácio Lula da Silva hat sich gegen eine weitere Privatisierung bei der Wasserversorgung usgesprochen.

Die wirtschaftlichen und politischen Probleme führen dazu, dass die meisten Entwicklungsländer, die einen erheblichen Nachholbedarf in der Versorgung mit Trinkwasser und sanitären Einrichtungen haben, für die Konzerne weit weniger attraktiv sind als es noch Mitte der neunziger Jahre schien. Statt dessen konzentrieren sich die Unternehmen auf die USA, die EU-Beitrittsländer oder China. Aber auch dort gibt es Rückschläge: In Atlanta wurde im Januar das Privatisierungsabkommen, das United Water Resources, eine US-Tochter von Suez, mit der Stadt abgeschlossen hatte, rückgängig gemacht. Damit verlor Suez "einen seiner größten Verträge in einem als sicher geltenden Markt", meint Hall. Die Stadt will die Wasserversorgung wieder in öffentlicher Verantwortung betreiben.

Das fordern entwicklungspolitische Organisationen auch für Manila. "Das Experiment, ausreichend bezahlbares und sauberes Wasser für jeden zur Verfügung zu stellen, besonders aber für die Armen, ist fehlgeschlagen", urteilt Lidy Nacpil, Generalsekretärin der Kampagne für Schuldenerlass, FDC, wegen der Kündigung durch Maynilad. "Wasser ist so lebenswichtig, dass die Versorgung zu Recht stets in öffentlicher Hand war".

Notwendig dafür seien aber erhebliche Reformen des staatlichen Versorgungsunternehmens MWSS, fügt sie hinzu. Orlando Hondrade, dessen Chef, wäre jedenfalls bereit, die Aufgabe wieder zu übernehmen: "Wir sind dazu in der Lage und könnten sogar Gewinne machen", verkündet er selbstbewusst.

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Dokument erstellt am 25.07.2003 um 18:12:43 Uhr
Erscheinungsdatum 26.07.2003
 

Wassermarkt

In Deutschland gibt es mehr als 6500 Wasserversorger, in Bayern alleine sind es mehr als 2500. Darunter sind Großunternehmen wie die Berliner Wasserbetriebe (BWB) mit 3,7 Millionen Kunden, aber auch Kleinstfirmen, die gerade einmal 500 Einwohner versorgen. In Frankreich, wo der Wassersektor bereits im 19. Jahrhundert privatisiert wurde, beherrschen drei Konzerne den Markt – besonders in den Großstädten, obwohl es noch mehrere tausend kleine Betriebe gibt.

Großbritannien, wo die kommunalen Wasserwerke ebenso wie die Eisenbahnen in den 80er Jahren unter der „eisernen Lady“ Margaret Thatcher an Private verkauft wurden, zählt nur noch zwölf große Versorger. In Deutschland liegt der Preis für Wasser (und Abwasser) relativ hoch: hier zu Lande kostet der Liter im Schnitt 0,18 Cent, in Frankreich nur 0,11 und in Großbritannien 0,12. Allerdings gilt hierzulande die Qualität als am höchsten.

Die französischen Konzerne, besonders Veolia (früher Vivendi) und Suez, sind auch stark im internationalen Wassergeschäft engagiert, ebenso einige der britischen Unternehmen. Zu den „Global Players“ zählt auch der Essener Stromriese RWE. Er hat sich durch den Kauf des englischen Versorgers Thames Water und der American Water Works als Nummer drei auf dem internationalen Wassermarkt etabliert. jw

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Dokument erstellt am 25.07.2003 um 18:31:04 Uhr
Erscheinungsdatum 26.07.2003
 

Zur Sache : Gelsenwasser

Gelsenwasser, einer der Großen, die hier zu Lande im Wassergeschäft mitmischen, gehört zu mehr als vier Fünfteln dem Energieriesen Eon. Der muss sich allerdings von seinem Ableger trennen. Dies hat allerdings nichts mit den Wasseraktivitäten des Unternehmens zu tun, sondern mit dem Gasmarkt, auf dem die Gelsenkirchener auch noch tätig sind. Denn als Eon per Ministererlaubnis und gegen den Willen des Bundeskartellamtes grünes Licht für die Übernahme von Ruhrgas erhielt, wurde dem Konzern die Auflage erteilt, sich von seinen Anteilen an Gasversorgern zu trennen. Auch von seinem Aktienpaket bei Gelsenwasser.

Von den restlichen Anteilen des börsennotierten Unternehmens halten Kommunen im Versorgungsgebiet der Gelsenkirchener 13 Prozent. Der größte Anteil entfällt auf die Stadtwerke Bochum. Knapp sechs Prozent des Aktienkapitals halten Kleinanleger. Jenseits der Grenzen versorgt Gelsenwasser Städte in Polen, Ungarn, Tschechien und im Kosovo mit Wasser und entsorgt dort die Abwässer. Der Expansionshunger des Managements ist noch nicht gestillt: „Wo Wasser auf den Markt kommt“, heißt es in der Firmenzentrale, „sind wir dabei.“ Ziel bleibt, nicht nur Anteile zu erwerben, sondern „operativ tätig zu werden“. Schärfster Konkurrent in Deutschland ist der französische Versorgunskonzern Veolia (ehemals Vivendi) mit seiner hiesigen Tochter Oewa. wal

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Erscheinungsdatum 26.07.2003