Zurueck zur Homepage
Zurueck zur Vorseite
Waldeckische Landeszeitung / Frankenberger Zeitung vom 27.08.2003

Entnommen : http://www.wlz-fz.de/schlagzeilen.asp?ID=14569

Geplatztes Immobilien-Geschäft löst im Landkreis politische Diskussion aus

Lange und lachende Gesichter nach der Pleite

von Peter Lahann

WALDECK-FRANKENBERG. Die Waldeck-Frankenberger Sozialdemokraten begrüßen ausdrücklich, dass das geplante Leasing-Geschäft mit Kreisimmobilien geplatzt ist. "Lächerlich", nannte Fraktionsvorsitzender Reinhard Kahl die Vorwürfe von Landrat Helmut Eichenlaub, dass der umstrittene Deal wegen der Intervention der SPD gescheitert sei. Der Landrat bekräftigte wiederum die Vorwürfe und wirft Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) Doppelmoral vor. Die Grünen bedauerten das Scheitern des Geschäfts.

Eichenlaub hatte in der Sitzung des Finanzausschusses des Landkreises am Dienstag bestätigt, dass das Geschäft geplatzt sei. Verantwortlich seien die Vorstöße der SPD-Landtagsabgeordneten Reinhard Kahl und Hannelore Eckhardt bei der Landesregierung in Wiesbaden (WLZ-FZ berichtete am Mittwoch).

"Wir nehmen gerne zur Kenntnis, dass wir so einen großen Einfluss auf den Finanzminister haben", sagte Kahl ironisch und ganz ernst: "Diese lächerlichen Schuldzuweisungen gehen an den Tatsachen vorbei." Seine Fraktion habe von Beginn an auf die Risiken bei dem Geschäft hingewiesen. Diese würden allein beim Landkreis liegen.

Risiko Grundsteuer

Geplant war, dass der Kreis rund 100 Schulen, Sporthallen und Verwaltungsgebäude an einen Investor verkauft, anschließend anmietet und in zehn Jahren zurückkauft. Das Geschäft lohnt sich für den Investor durch die unterschiedliche Besteuerung von Immobilien und Barvermögen. Von dem Gewinn sollte der Landkreis knapp acht Millionen Euro erhalten.

Die SPD habe laut Kahl stets auf steuerrechtliche Risiken hingewiesen. So sei unklar, ob bei dem Geschäft Grunderwerbssteuer angefallen wäre und wer sie hätte bezahlen müssen. Bei einem Schätzwert von rund 300 Millionen Euro hätte sie den Gewinn des Kreises aufgezehrt. Darüber hinaus sei in der Hessischen Gemeindeordnung der Verkauf von kommunalem Vermögen nur für den Fall erlaubt, dass es nicht mehr benötigt wird, sagte Kahl.

Das Regierungspräsidium in Kassel hat als zuständige Aufsichtsbehörde dem Landkreis Waldeck-Frankenberg zwar signalisiert, dass gegen die Genehmigung des Geschäftes keine Bedenken bestehen, "da die steuerrechtlichen Risiken nach den Verträgen von den privaten Investoren zu tragen sind", heißt es in einem Schreiben des Innenministers Volker Bouffier an Kahl. Offenbar sei die Vereinbarung deshalb gescheitert, weil der Investor nicht bereit war, dieses Risiko zu tragen.

Zweifelhaftes Geschäft

Durch das "zweifelhafte Geschäft" hätte die politische Moral großen Schaden genommen, kritisierte auch Hannelore Eckhardt. Ein verantwortungsvoller Landrat sei dem Wohlergehen des Landkreises verpflichtet. "So lange das Risiko nicht geklärt ist, kann man nicht mit dem Gewinn aus diesem Geschäft werben." Genau das hätte Eichenlaub im Landratswahlkampf getan.

"Es ging um den schnellen Euro mit einem Risiko für die Zukunft", ergänzte Kahl. Er rief Eichenlaub auf, zu einer soliden Finanzpolitik zurückzukehren. Die SPD sei zu einer konstruktiven Mitarbeit bereit. "Aber nicht für windige Geschäfte." Kahl rechnet mit einem erheblichen Defizit im Keishaushalt.

Mit ihrer kritischen Haltung zu dem Projekt seien die sozialdemokratischen Kreistagsabgeordneten ihrer Pflicht nachgekommen, offene Fragen zu klären, sagte Iris Ruhwedel. Die SPD hatte als einzige Fraktion gegen den Immobilien-Deal gestimmt. Zudem hatten sich die Landtagsabgeordneten in einer so genannten Kleinen Anfrage im April an die Landesregierung gewandt, um offene Fragen zu klären. Kahl: "Die Antwort steht nach wie vor aus."

Lösung parat

Eichenlaub bezeichnete dagegen das Risiko als "beherrschbar". Für das mögliche Problem der Grundsteuer hätten die Experten bereits eine Lösung parat gehabt.

Die Anfrage von Eckhardt und Kahl hätte seinen Parteifreund und Finanzminister Karlheinz Weimar offensichtlich veranlasst, "eine abenteuerliche Anweisung an die hessischen Finanzämter herauszugeben", schlägt Eichenlaub harte Töne an. Dieser Erlass widerspreche den rechtsstaatlichen Grundsätzen, so der Landrat. Damit hätte der Finanzminister das Projekt landesweit zum Scheitern gebracht.

"Schon bedenklich ist die Doppelmoral, die in der Haltung des Ministers zum Ausdruck kommt, indem er die steuermindernden Wirkungen von Sale-and-lease-back geißelt und gleichzeitig nichts gegen das mit hohen Risiken für die Kommunen behaftete Cross-border-Leasing einzuwenden hat", sagte Eichenlaub. Andere Minister hätten dem Projekt positiv gegenüber gestanden.

Mit ihrer Initiative hätten Kahl und Eckhardt nicht nur den Waldeck-Frankenbergern sondern auch den Bürgern der anderen Kreise einen Bärendienst erwiesen. Durch das Scheitern müssten in den anstehenden Haushaltsberatungen alle Investitionen auf den Prüfstand gestellt werden.

Traurige Grüne

Grünen-Fraktionschef Jürgen Frömmrich bedauert das Scheitern des Geschäfts. "Mit den zusätzlichen Mitteln hätten wir wichtige Investitionen vor allem im Schulbau tätigen können." Gleichwohl gebe es keinen Zusammenhang zwischen dem Scheitern und der Finanzierung der Kurhessenbahn.

Es gebe eindeutige Beschlüsse von Kreistag und Kreisausschuss zur Kurhessenbahn, sagte Jens Deutschendorf, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Eichenlaub hatte am Dienstag erklärt, dass über den geplanten Ausbau der Strecke von Korbach über Frankenberg nach Marburg erneut beraten werden müsse.

Frömmrich rief alle politisch Verantwortlichen zur Gelassenheit auf. Die zusätzlichen Einnahmen aus dem Geschäft wären die "Kür des nächsten Haushalts gewesen". Waldeck-Frankenberg stehe im Vergleich zu anderen Kreisen gut da.
Durch die von der rot-grünen Bundesregierung geplante Reform der Gemeindefinanzen werde die finanzielle Ausstattung der Kommunen verbessert. "Es gibt also keinen Grund für Pessismismus in unserem Kreis."

lokalredaktion@wlz-fz.de

--------------------------------------------------------------------------------
© 2000 Waldeckische Landeszeitung / Frankenberger Zeitung · Lengefelder Straße 6 · 34497 Korbach · Telefon: (05631) 560 - 00 · E-Mail: info@wlz-fz.de · Internet: www.wlz-fz.de · Umsetzung: echternacht new media Multimedia Agentur Marburg · Aktualisierung täglich ab 19:00 Uhr · Haftungsauschluss für Links ·