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Zwei Aufsätze von der Seite 11 aus "HLZ" - Zeitschrift der GEW
Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung, 59. Jahr, Heft 6, Juni
2006, welche Tendenzen
zur Privatisierung der hessischen Bildungspolitik zeigen :
Privatisierung -
Unabhängigkeit
Die Schulstrukturdebatte wird - weil politisch unerwünscht -
völlig ausgeblendet, obwohl die Selektionsmechanismen nachweislich
erhebliche Qualitätsverluste verursachen. Empfehlungen,
beispielsweise eine problematische Hauptschule in ein integriertes
System einzugliedern, gehören wohl nicht zum Auftrag der
Inspektoren. Empfehlen werden sie ein besseres Management durch die
Schulleitung, mehr Engagement und Kreativität der Lehrkräfte.
Schuld an der Misere ist das pädagogische Personal - nicht
milieubedingte Probleme, nicht fehlende Mittel, nicht eine verkorkste
Schulstruktur.
Demokratie: Fehlanzeige
Bei allen Innovationen des HKM bleiben demokratische Elemente, ohne die
eine pädagogisch fortschrittliche Entwicklung hin zur
selbstständigen Schule undenkbar ist, auf der Strecke. Das Wort
„Demokratie" kommt nicht einmal vor, ebenso wenig wie Begriffe wie
Solidarität oder Mitbestimmung. Eltern und Wirtschaft sollen in
den Inspektorenteams mitarbeiten, eine Beteiligung von
Lehrkräften, Personalvertretungen und Schülerinnen und
Schülern ist dagegen nicht vorgesehen. Dass die Bewertung der
schulinternen demokratischen Kultur nicht auf der Checkliste der
Inspektoren steht, kann bei einem zentralistischen „Top-down-Projekt"
nicht verwundern.
In Hessen gibt es - anders als in der Öffentlichkeit postuliert -
kein Mehr an Selbstständigkeit oder Freiheit für die Schulen.
Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt eine verschärfte
Gängelung und Kontrolle der Schulen gepaart mit einer
ständigen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Es bleibt
unterm Strich nur der Versuch, die Verantwortung für die Folgen
dieser Bildungspolitik von der Regierung auf die
„eigenverantwortlichen" Lehrkräfte und Schulleitungen
abzuwälzen.
Christoph Baumann
Droht eine Privatisierung der
Schulen ?
Seit längerem ist die Bestrebung des Hessischen Kultusministeriums
(HKM) deutlich, Schulen - vor allem in ökonomischer Hinsicht -
„unabhängig" zu machen. Vorreiter bilden derzeit die beruflichen
Schulen die an dem Modellversuch „Selbstverantwortung plus" teilnehmen.
Die Ergebnisse dieses Schulversuchs sollen auf sämtliche
hessischen Schulen übertragen werden. Im Zuge von
„Ünterrichtsgarantie plus" drängen vermehrt Privatfirmen auf
den Markt, um Unterricht an Schulen abzudecken. Die wohlwollende
Haltung des HKM lässt vermuten, dass hier
Ümwälzungsprozesse initiiert werden, die das öffentliche
Schulwesen in Hessen für den freien Markt öffnen sollen.
Im Zusammenhang mit „Unterrichtsgarantie plus" bieten
Unternehmensberatungen an, auf lokaler Ebene die Koordination zwischen
den einzelnen Schulen zu übernehmen. Im Bereich des Staatlichen
Schulamts Offenbach ist die Firma Ellendt und Heroldt aktiv geworden,
eine Partnerfirma der weltweit agierenden KPMG, die mit ihrem „Institut
für,den öffentlichen Sektor" die Privatisierung durch
PPP-Projekte (public private partnership) vorantreibt und über
gute Beziehungen zum Wirtschaftsrat der CDU verfügt. Das
Staatliche Schulamt Frankfurt schloss im Dezember 2005 eiäen
Rahmenvertrag mit der Firma CampuSerVice der Universität Frankfurt
über den Einsatz arbeitsloser Wissen-schaftlerinnen und
Wissenschaftler, die als Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter Unterricht
erteilen.
Die Auflösung der Staatlichen Schulämter hatten die
Unternehmerverbände in ihrer Bildungskonzeption für das Jahr
2015 gefordert. Das HKM prüft derzeit, welehe Äufgaben die
Schulämter noch wahrnehmen müssen und welche anderweitig
vergeben werden können. In einem ersten Schritt
ist die Reduzierung der Anzahl der Schulämter und die
Übertragung von Teilaufgaben an das Amt für Lehrerbildung
(AfL) und das Institut für Qualitätsentwicklung (IQ) geplant.
Die Lehrerfortbildung ist bereits weitgehend privatisiert, den Schulen
könnte Ähnliches bevorstehen. Am Ende könnte ein System
stehen, in dem keine Staatlichen Schülämter mehr existieren,
das HKM mit AfL und IQ vor allem akkreditiert und zertifiziert und sich
darunter ein freier Bildungsmarkt aus „selbstständigen Schulen",
die nach „wirtschaftlichen Gesichtspunkten" arbeiten, und
konkurrierenden Privatfirmen bildet - mit enormen Auswirkungen auf
Bildung, Arbeitsbedingungen und Mitbestimmungsrechte. Die Dominanz
ökonomischer Interessen, die „Verbetriebswirtschaftlichung" von
Bildung würde die Entwicklungsinteressen von Kindern,
Chancengleichheit, die Interessen der an der Schule Beschäftigten
und gewerkschaftliche Perspektiven in den Hintergrund drängen. Mit
dem Verschwinden der Schulämter würde auch eine Ebene der
Mitbestimmung beseitigt. Mit einer Beschränkung der
Personalvertretung auf die Schulebene würden regionale
Möglichkeiten der Information, der Kritik und Mitgestaltung
beschnitten.
Wir müssen alle Maßnahmen der Landesregierung daraufhin
überprüfen, wie weit sie einer derartigen Privatisierung den
Weg bereiten, und frühzeitig und umfassend Aufklärungsarbeit
und Widerstand leisten.
Michael Köditz, Herbert Storn