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SvS: Keine Insel der Seligen im Privatisierungsstrom

Wir sind seit einigen Jahren wenig aufgeklärte Zeugen eines gesamtgesellschaftlichen Privatisierungsprozesses. Noch weit entfernt von seiner Vollendung werden seine Konturen und die Lebensbedingungen der Unterworfenen und der Rausgeworfenen sichtbar.

Alle Staatsbetriebe, aus denen sich Profit schlagen lässt, befinden sich im Zielbereich des Privatisierungskapitals. Alle Betroffenen wehren sich, so gut sie können und so weit sie sich dieses radikalen Wandels bewusst sind. Wo die Privatisierung zugeschlagen hat, kehren Arbeitslosigkeit, Arbeitszeiterhöhung, Angst und Unsicherheit des Lebens ein.

Von der Verschlankung des Staates ist die Rede, von seiner Rückführung auf Kernbereiche, auf Militär, Polizei, Justiz und einige Verwaltungen.

Die Vision des verbleibenden Staats ist die eines Gewaltapparats.

Schon im letzten Jahrhundert wurde dieser radikale Wandel von langer Hand und unter dem Mantel der journalistischen und parteipolitischen Verschwiegenheit vorbereitet.

Ein Kollege des DL: SvS selbstmörderisch

Ein DL-Kollege beschreibt Stufen dieser Entwicklung in der Zeitung des  DL (Blickpunkt Bildung 04 2005) erfrischend klar:

1994 wurde in der sogenannten Uruguay-Runde beschlossen, auch Dienstleistungen wie "Bildung und Erziehung" als Handelsware anzusehen. Es handelt sich hierbei um eine "Allgemeine Übereinkunft über den Handel von Dienstleistungen". Die englische Abkürzung dafür ist GATS (General Agreement on Trade in Services). Für Handesverträge zuständig ist aber nicht der Hamburger Senat, auch nicht die Bundesregierung, sondern die Welthandelsorganisation WTO mit ihrem Sitz in Genf. Die Welthandelsorganisation hat 144 Mitglieder. Wenn also die Hamburger Politiker behaupten, "Bildung sei keine Ware", so übersehen sie GATS. Vor diesem Hintergrund bekommt die "selbstverantwortete Schule" einen völlig andere Stellenwert. Sie ist ein Zwischenschritt (Herv.von mir) um die Schulen letztlich privaten Firmen zu übereignen, die die Schule wie ein Geschäftsunternehmen führen. Die Aufgabe der Schulinspektoren bestünde dann darin, dem "Geschäft Schule" zu bescheinigen, dass es solide geführt wird, im anderen Fall muss es umstrukturiert oder geschlossen werden. Damit steht das Personal auf der Straße. Das Geschäft Schule muss natürlich Gewinn abwerfen: Also werden die Lehrer in Zukunft  so billig wie möglich eingekauft werden und nur zeitlich befristete Verträge bekommen. Hierdurch kann eine Schule natürlich viel billiger und effizienter geführt werden. Der Staat wird also weniger Geld für die Bildung ausgeben müssen und für international agierende Bildungsfirmen fällt trotzdem noch Profit ab. Von einem Interessenverband wie es der Deutsche Lehrerverband Hamburg darstellt, zu erwarten, dass er diesen Weg mitgeht, halte ich für selbstmörderisch.

Der Kollege H. vom DL zieht den Bogen von der Staatspolitik, genauer: von der Politik gegenüber dem Staat, bis hin zur SvS.

Aufklärung, ein anderes Jahrhundert

Kollege, kennst Du als Bürger Deutschlands die Inhalte und Ergebnisse der GATS-Verhandlungen? Kennst Du die sogenannte europäische Verfassung?

Kennst du die verheerende Wirkung der Bolkestein-Richtlinie für Dienstleistungen? Bist Du bei Wahlen zu einer Politik der Entstaatlichung befragt worden? Die Parteien lassen sich heute gesichtslos wählen.  Wenn die Wähler erführen, was mit ihnen gemacht werden soll, gingen viele gar nicht hin.

Aber auch mit der Aufklärung in der gewerkschaftlichen Presse hapert es. Vor über 1½ Jahren im Mai 04 gab es einen Anfang - und dann war Schluss. Unter der guten Überschrift Lizenz zum Abkassieren schrieb die E&W: Quer durch die Republik sind in allen Bildungsbereichen Privatisierungsbestrebungen erkennbar. "Privatisierung" im Sinne von: Der Staat gibt die öffentliche Verantwortung für Bildung und Erziehung partiell an kommerzielle Träger oder Stiftungen ab...Die Beiträge und Gebühren, die der Einzelne fürs Lernen zahlen muss, steigen unaufhörlich.

Als Einfallstor der Bildungsfirmen wurde vor allem der tertiäre Bildungssektor mit den Fort- und Weiterbildungen und den Universitäten ausgemacht.

Mit Erstaunen liest man, Öffentliche Einrichtungen müssen betriebswirtschaftliche Strukturen schaffen, wollen sie der Konkurrenz auf dem Bildungsmarkt gewachsen sein. Mit dieser genialen Idee allerdings will der Autor den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Neoliberale Ideologien greifen um sich.

Haupthebel: Verarmung des Staates

Der Kollege H. vom DL ist entsetzt über den Plan, Bildung von einer Angelegenheit des Volkes gegenüber dem Staat zu einer Angelegenheit Einzelner gegenüber einem auf Profit ausgerichteten Unternehmen zu machen.Wie will die Politik über 100 Jahre erfolgreiche und erkämpfte Einrichtungen am Volk vorbei ins Profitsystem integrieren? Ihr Haupthebel ist die allmähliche, systematische Verarmung des Staates. Die Berliner Steuerreform, so hat Verdi vorgerechnet, brachte den Multimillionären zusammen so viele Milliarden ein, wie bei den Hartz IV-Beziehern ein"gespart" wurde. Man verzichtet nicht nur großzügig auf Steuerneinnahmen bei reichen Bürgern, seit vielen Jahren entlässt man auch die Großkonzerne aus der Steuerzahlung. Die 100 größten Konzerne zahlen keine Steuern mehr, las ich kürzlich. Auch an der von Attac propagierten Tobinsteuer zur Besteuerung von Auslandsgewinnen finden die Spitzenpolitiker keinen Gefallen. Man wundert sich schon gar nicht mehr. Schließlich ist der Wechsel aus Konzernetagen in Regierungsämter und wieder zurück an der Tagesordnung. Die sogenannten Milliardenlöcher sind selbstgemacht!

Verdi verfolgt diese Spuren in seinen Ausgaben von 'wipo-aktuell' erfreulich gründlich. Verdi schreibt unter "Kaputtgespart!":
Die Steuereinnahmen brechen weg. Steuergeschenke an Unternehmen und Reiche ruinieren den Staat, während zugleich Sozialkürzungen die Kaufkraft schwächen. Notwendig ist ein Kurswechsel: sinnvolle Arbeitsplätze und Stärkung der Binnennachfrage durch ein öffentliches Investitionsprogramm.

Verdi spricht von Umverteilung von unten nach oben, aber in diesem Zusammenhang leider kaum über Privatisierungen.

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Wirtschaft zahlt kaum noch Steuern

Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) zahlt die deutsche Wirtschaft kaum noch Steuern. Dagegen müssen nach einer Auswertung der jüngsten Steuerschätzungszahlen des Bundesfinanzministeriums (BMF) Arbeitnehmer und Verbraucher eine immer größer werdende Last bei der Finanzierung der Staatsaufgaben schultern. (2002)
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Finanzielle Schwächung privatisierbarer staatlicher Einrichtungen

Welchen Weg schlagen die Politiker ein, um diesen Prozess langfristig und ohne starke Reibungen gegen die Interessen der Mehrheit durchzuziehen? Es ist der Weg der schleichenden finanziellen Schwächung jener Einrichtungen, die man zerstören bzw. der Privatisierung zuführen möchte. Die wichtigste Bedingung für die Privatiserung ist die Verbilligung der Arbeitskraft. Schließlich soll bei zunächst gleichen Einnahmen neben den Ausgaben auch noch Profit entstehen. Wir erleben überall im Öffentlichen Dienst, dass Einkommen beschnitten und Arbeitszeiten erhöht werden. Planstellen werden neudeutsch "bewirtschaftet". Die Arbeit der Laboranten in den Schulen z.B. wurde einfach auf die Schultern der Sammlungsleiter übertragen oder sie bleibt halt liegen. Es ist ein Weg der Auspressung von Arbeitnehmern bis über jeden zumutbaren Rand und des Qualitätsabbaus, bis der systematische Dienstleistungsabbau und auch die Abwehr der verzweifelten Arbeitskräfte den Strippenziehern erlaubt, ins Privatisierungshorn zu stoßen: Der Staat sei unfähig, gesellschaftlich gebotene Leistungen zu erbringen, er sei zahlungsunfähig, seine Beschäftigten seien ohne ausreichende Dynamik. Erhebe sich privates Kapital als Phönix aus der Asche! Jenes lässt zu noch schlechteren Bedingungen arbeiten.

Die schleichende finanzielle Schwächung der staatlichen Einrichtungen erleben wir als 95%-Personalversorgung, als Lohnsenkung,  Mehrarbeit, Steigerung der Klassenfrequenzen, Streichung der kleinen Lernmittelfreiheit, Streichung der Fahrtkostenzuschüsse, Schulschließung usw. Wir sind alle gemeint, Eltern, Schüler und Lehrer. Es muss "gespart" werden, der gesellschaftliche Reichtum ist immens gewachsen, aber an uns muss "gespart" werden. Der Reichtum braucht mehr Reichtum.

Wer den Privatisierungsweg studieren will, muss sich nur die Kliniken anschauen, wo die Beschäftigten aktuell gegen 30%ige Lohnsenkungen und massive Verschlechterungen ankämpfen. Mit der Privatisierung ist die Spirale nach unten noch lange nicht beendet.

Die Verlierer

Die unmittelbaren Verlierer der Steuerreform waren und sind die Kommunen, die Städte und die Länder.

Den strategischen Zusammenhang von Staatsverarmung und Privatisierungspolitik beschreibt Jügen Thumann vom BDI in einer Pressemitteilung zum Privatisierungsbeschleunigungsgesetzes so: "Der Wettbewerb unter den privaten Anbietern führt dort zu schnellen und effizienten Lösungen, wo die öffentliche Hand heute nur noch bedingt handlungsfähig ist." Bedingte Handlungsfähigkeit (bis zur Handlungsunfähigkeit) als Voraussetzung für die Privatisierung. Klare Worte, klare Zielbestimmung.

Das Herunterwirtschaften sowie das finanzielle Ausbluten-Lassen und die Übernahme durch privates Kapital gehören zusammen. Das ist profitliche Ökonomisierung, das ist kein gesellschaftlicher Fortschritt. "Effizienz" ist keine Steigerung der Qualität des Produkts, sondern der Auspressung der Arbeitskraft.

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2002: Für DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer sind die zunehmenden Unterschiede zwischen Lohn- und Gewinnbesteuerung skandalös. „Noch schlimmer ist allerdings, dass der Gesetzgeber durch die umfangreichen Steuersenkungen zu Gunsten der Wirtschaft die finanzielle Substanz der Gebietskörperschaften, insbesondere der Gemeinden, aushöhlt.“ Es stehe daher im zunehmenden Maße nicht genügend Geld für wichtige Zukunftsinvestitionen in Sach- und Humankapital zur Verfügung.
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Bildung im Visier milliardenschweren Kapitals

Kollege, mach Dir Deine eigenen Gedanken, wenn Du vom SPD-Fraktionsvorsitz über OePP (Öffentliche Private Partnerschaft) das Folgende erfährst: "Wir stehen erst am Anfang. Ein milliardenschwerer OePP-Markt ist in Deutschland im Entstehen. Allein im Hochbau und im Straßenbau ist ein OePP-Investitionsvolumen in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro in den kommenden Jahren realisierbar." Und jetzt für unsereinen: "Damit wäre das OePP-Potential noch nicht ausgeschöpft: Investitionen bei der militärischen Beschaffung, in Bildung ,,, können mit OePP häufig schneller, effizienter und kostengünstiger realisiert werden." Bildung im Visier von Großkapital.

Rolf Jüngermann konstatiert in seinem Artikel 'Bertelsmann & Schule GmbH' zum Auftrag der Bertelsmann-Agenten: "Das Terrain sondieren und aufbereiten für eine Privatisierung des Schulwesens. Was denn sonst außer "Shareholder Value" kann heute einen gigantischen internationalen Konzern dazu bewegen, die Manpower von knapp 300 Mitarbeitern, jährlich über 100 Millionen DM in "operative Stiftungen mit der größtmöglichen Hebelwirkung" (O.ton Bertelsmann) zu investieren."

SOS

Hamburg ist nach allem Anschein Vorreiter in der Umsetzung der Privatisierungsstrategie, die Senatorin Dinges-Dierig sagt zwar nicht öffentlich, wo es hingeht, aber ...  "Ich möchte die Legislaturperiode bis 2008 nutzen, um die Spuren so zu legen, dass es kein Zurück mehr gibt. Wir müssen konsequent sein in allem, was wir tun und denken."

Dieser von Dinges-Dierig in der Mopo vom 18.9.2004 in einem Interview geäußerte Traum soll zum Schuljahreswechsel 2006/2007 mit der Einführung der SvS und der Schwächung der Personalvertretung um ein weiteres Stück wahr werden. Die Politik des Hamburger Senats, die Forderungen der Handelskammer vom 31.1.2001 zur Privatisierung der Schulen (Pressearchiv www.hk24.de , Überschrift "Schulen privatisieren", siehe Kasten ....) schrittweise umzusetzen, ist nun nahe an dem Punkt, dass nur noch ein Schritt fehlt - die Umsetzung der Überschrift.
 

Schulpolitische "Reform"schritte  der Handelskammer auf dem zur Privatisierung (2001):
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- Begabtenförderung                                                erledigt

- zentrale Abschlussprüfungen                                   erledigt

- Abitur nach 12 Jahren                                            erledigt

- Kopfnoten                                                             auf dem Weg

- Qualitätsmanagement                                             auf dem Weg

Der wichtigste "Reform"schritt: die Senkung             auf dem Weg, da ist noch was drin
der Kosten der Lehrerarbeitskraft.