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Gesetzliche Ziele der Wirtschaftspolitik der BRD ("Stabilitätsgesetz")

"Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht"

1. Teil

Ziel und Gründe

- Stabilität des Preisniveaus
- Gefährdung sozialer Sicherheit/Gerechtigkeit
- Erfahrungen mit der Hyperinflation (1923)
- hoher Beschäftigungsstandun
- soziale Auswirkungen
- politische Gefahren von Massenarbeitslosigkeit (1933)
- außenwirtschaftliches Gleichgewicht
- Vermeidung negativer Auswirkungen auf den Binnenhandel
- stetiges/angemessenes Wirtschaftswachstum
- Förderung des allgemeinen Wohlstandes
- Vereinbarkeit der Ziele des Stabilitätsgesetzes
- Komplementarität [d.h. die Zeile passen zusammen bzw. ergänzen sich] der Ziele:
- Wachstum und Vollbeschäftigung
- Konflikt zwischen den Zielen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität
- Kontroverse um die "Philippskurve":
- behauptete Unvereinbarkeit von Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität [Bei Vollbeschäftigung sind Lohnerhöhungen leichter durchsetzbar, die zuPreissteigerungen führen]
- Problem der "Stagflation" in den Jahren 1974/75 und 1980-1982: gleichzeitiges Auftreten von Arbeitslosigkeit und relativ hohen Preissteigerungsraten

2. Teil

Auszug aus dem Stabilitätsgesetz

§ 1 Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsgrad und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.

§ 2 (1) Die Bundesregierung legt im Januar eines jeden Jahres dem Bundestag und dem Bundesrat einen Jahreswirtschaftsbericht vor. Der Jahreswirtschaftsbericht enthält: 1. die Stellungnahme zu dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates auf Grund des § 6 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963 (Bundesgesetzblatt I S. 685) in der Fassung des Gesetzes vom 8. November 1966 (Bundesgesetzblatt I S. 633); 2. eine Darlegung der für das laufende Jahr von der Bundesregierung angestrebten wirtschafts- und finanzpolitischen Ziele (Jahresprojektion); die Jahresprojektion bedient sich der Mittel und der Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, gegebenenfalls mit Alternativrechnungen; 3. eine Darlegung der für das laufende Jahr geplanten Wirtschafts- und Finanzpolitik. (2) Maßnahmen nach § 6 Abs. 2 und 3 und nach den §§ 15 und 19 dieses Gesetzes sowie nach § 51 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes und nach § 19c des Körperschaftsteuergesetzes dürfen nur getroffen werden, wenn die Bundesregierung gleichzeitig gegenüber dem Bundestag und dem Bundesrat begründet, dass diese Maßnahmen erforderlich sind, um eine Gefährdung der Ziele des § 1 zu verhindern.

§ 3 (1) Im Falle der Gefährdung eines der Ziele des § 1 stellt die Bundesregierung Orientierungsdaten für ein gleichzeitiges aufeinander abgestimmtes Verhalten (konzertierte Aktion) der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmensverbände zur Erreichung der Ziele des § 1 zur Verfügung. Diese Orientierungsdaten enthalten insbesondere eine Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge im Hinblick auf die gegebene Situation. (2) Der Bundesminister für Wirtschaft hat die Orientierungsdaten auf Verlangen eines der Beteiligten zu erläutern.

§ 4 Bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, deren Abwehr durch binnenwirtschaftliche Maßnahmen nicht oder nur unter Beeinträchtigung der in § 1 genannten Ziele möglich ist, hat die Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination zu nutzen. Soweit dies nicht ausreicht, setzt sie die ihr zur Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel ein.

§ 5 (1) Im Bundeshaushaltsplan sind Umfang und Zusammensetzung der Ausgaben und der Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre so zu bemessen, wie es zur Erreichung der Ziele des § 1 erforderlich ist. (2) Bei einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung sollen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank oder zur Zuführung an eine Konjunkturausgleichsrücklage veranschlagt werden. (3) Bei einer die Ziele des § 1 gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit sollen zusätzlich erforderliche Deckungsmittel zunächst der Konjunkturausgleichsrücklage entnommen werden.

§ 6 (1) Bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplanes kann im Falle einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung die Bundesregierung den Bundesminister der Finanzen ermächtigen, zur Erreichung der Ziele des § 1 die Verfügung über bestimmte Ausgabemittel, den Beginn von Baumaßnahmen und das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre von dessen Einwilligung abhängig zu machen. Die Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft schlagen die erforderlichen Maßnahmen vor. Der Bundesminister der Finanzen hat die dadurch nach Ablauf des Rechnungsjahres freigewordenen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden oder der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen. (2) Die Bundesregierung kann bestimmen, dass bei einer die Ziele des § 1 gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit zusätzliche Ausgaben geleistet werden; Absatz 1 Satz 2 ist anzuwenden. Die zusätzlichen Mittel dürfen nur für im Finanzplan (§ 9 in Verbindung mit § 10) vorgesehene Zwecke oder als Finanzhilfe für besonderes bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Artikel 104a Abs. 4 Satz 1 GG) verwendet werden. Zu ihrer Deckung sollen die notwendigen Mittel zunächst der Konjunkturausgleichsrücklage entnommen werden. (3) Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, zu dem in Absatz 2 bezeichneten Zweck Kredite über die im Haushaltsgesetz erteilten Kreditermächtigungen hinaus bis zur Höhe von fünf Milliarden Deutsche Mark, gegebenenfalls mit Hilfe von Geldmarktpapieren, aufzunehmen. Soweit solche Kredite auf eine nachträglich in einem Haushaltsgesetz ausgesprochene Kreditermächtigung angerechnet werden, kann das Recht zur Kreditaufnahme erneut in Anspruch genommen werden.

§ 7 (1) Die Konjunkturausgleichsrücklage ist bei der Deutschen Bundesbank anzusammeln. Mittel der Konjunkturausgleichsrücklage dürfen nur zur Deckung zusätzlicher Ausgaben gemäß § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 verwendet werden. (2) Ob und in welchem Ausmaß über Mittel der Konjunkturausgleichsrücklage bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplans verfügt werden soll, entscheidet die Bundesregierung; § 6 Abs. 1 Satz 2 ist anzuwenden.

§ 8 (1) In den Bundeshaushaltsplan ist ein Leertitel für Ausgaben nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 einzustellen. Ausgaben aus diesem Titel dürfen nur mit Zustimmung des Bundestages und nur insoweit geleistet werden, als Einnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage oder aus Krediten nach § 6 Abs. 3 vorhanden sind. Die Vorlage ist gleichzeitig dem Bundestag und dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat kann binnen zwei Wochen dem Bundestag gegenüber Stellung nehmen. Die Zustimmung des Bundestages gilt als erteilt, wenn er nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat. (2) In den Bundeshaushaltsplan ist ferner ein Leertitel für Einnahmen aus der Konjunkturausgleichsrücklage und aus Krediten nach § 6 Abs. 3 einzustellen.

§ 9 (1) Der Haushaltswirtschaft des Bundes ist eine fünfjährige Finanzplanung zugrunde zu legen. In ihr sind Umfang und Zusammensetzung der voraussichtlichen Ausgaben und die Deckungsmöglichkeiten in ihren Wechselbeziehungen zu der mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens darzustellen, gegebenenfalls durch Alternativrechnungen. (2) Der Finanzplan ist vom Bundesminister der Finanzen aufzustellen und zu begründen. Er wird von der Bundesregierung beschlossen und Bundestag und Bundesrat vorgelegt. (3) Der Finanzplan ist jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen.

§ 10 (1) Als Unterlagen für die Finanzplanung stellen die Bundesminister für ihren Geschäftsbereich mehrjährige Investitionsprogramme auf und übersenden sie mit den sonstigen Bedarfsschätzungen dem Bundesminister der Finanzen zu dem von ihm zu bestimmenden Zeitpunkt. Die Geschäftsbereiche, für die Investitionsprogramme aufzustellen sind, bestimmt die Bundesregierung. (2) Die Investitionsprogramme haben nach Dringlichkeit und Jahresabschnitten gegliedert die in den nächsten Jahren durchzuführenden Investitionsvorhaben zu erfassen. Jeder Jahresabschnitt soll die fortzuführenden und neuen Investitionsvorhaben mit den auf das betreffende Jahr entfallenden Teilbeträgen wiedergeben. Finanzierungshilfen des Bundes für Investitionen Dritter sind bei Anwendung gleicher Gliederungsgrundsätze unter Kenntlichmachung der Finanzierungsart in einem besonderen Teil zu erfassen. (3) Die Investitionsprogramme sind jährlich der Entwicklung anzupassen und fortzuführen. Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1967, Teil I, S. 582), geändert durch Artikel 12 des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1971, Teil I, S. 1426).

3.Teil

Aus der Neuen Solidarität Nr. 28/1999:

Statt "Bündnis für Arbeit" Stabilitätsgesetz anwenden!

Wirtschaftspolitik. Ein Gesetzespaket aus den 60er Jahren, das tiefgreifende staatliche Eingriffe in das Verhalten von Industrie und Banken vorsieht, ließe sich heute mit genauso großem Erfolg anwenden.

Von der Bundesbank zur Nationalbank

Beispiele

Die Diskussion um das Bündnis für Arbeit zeigt, daß die Bundesregierung sich der Verantwortung entziehen will, die schweren wirtschaftlichen Probleme durch ein energisches Eingreifen anzugehen. Wenn man genauer hinsieht, entlarvt sich der "große Durchbruch" von Bonn, Mitte der letzten Woche, als eine Ansammlung wenig konkreter Absichtserklärungen: Die Industrie will sehen, daß sie zwischen 10000 und 20000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche schaffen kann, und die Regierung will ein Internet-Schulungsprogramm auflegen, das einmal 40000 Jugendliche in Ausbildung bringen soll.

Einzelheiten sind noch nicht geklärt, und während der Sommerpause wird das wohl kaum noch geschehen, so daß es im Herbst die Lücke von etwa 120000 fehlenden Ausbildungsplätzen für Schulabgänger, die es in den vergangenen Jahren gab, wiederum geben wird. Weder ändert das Bündnis für Arbeit wesentlich etwas an der nach wie vor hohen Zahl von offiziell vier Millionen, in Wirklichkeit aber etwa doppelt so vielen Arbeitslosen, noch gibt es einen genügend großen Impuls für die reale Wirtschaft, die Produktion realer Güter, so daß sichtbar mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Wenn die Regierung es ernst meinte, ernster jedenfalls als die vorherige Regierung, dann würde sie auf ein bereits bestehendes Gesetz zurückgreifen, das ihr ohne zeitliche Verzögerung eine wirksame Strategie zur Bekämpfung der Wirtschaftsdepression gestattete: das Stabilitätsgesetz von 1967. Das Gesetzespaket wurde auf dem Höhepunkt der Rezession Mitte der 60er Jahre von der damaligen Großen Koalition erlassen und sieht eine Reihe tiefgreifender staatlicher Eingriffe in das Verhalten der Industrie und vor allem der Banken vor. Ausgangspunkt des Stabilitätsgesetzes, das damals nur wenige Jahre lang zur Anwendung kam, ist das unter Ökonomen so genannte "magische Viereck", demzufolge die öffentliche Hand nicht nur die Preis- und Geldstabilität zu beachten habe, sondern drei weitere Faktoren: hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges, anhaltendes Wachstum. Will eine Regierung alle vier Aspekte gleichzeitig und gleichgewichtig wahren, so verbietet sich eine überwiegend monetaristische Politik, wie sie von dieser Regierung mit Hinblick auf die Maastricht-Kriterien betrieben wird. Die Regierung muß vielmehr folgende Schritte in die Wege leiten:

Zunächst müssen die Sonderklauseln des EWU-Stabilitätspaktes angerufen werden, die einem EU-Mitgliedsland erlauben, angesichts einer außerordentlich schweren Rezession eine wesentliche Milderung der Maastrichter Auflagen zu verlangen. Damit würde Spielraum für umfangreiche nationale Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts gewonnen. Sollte innerhalb der EWU darüber kein Konsens erreicht werden, bliebe der Bundesregierung im Interesse der deutschen Wirtschaft keine andere Wahl als das Ausscheiden aus dem Maastricht-Vertrag. Dieser zweifellos turbulente Vorgang würde, darauf muß man hier hinweisen, der Regierung erspart, hätte sie den Maastricht-Kriterien nicht zugestimmt, als sie im Mai 1998 noch die Opposition im Parlament stellte. Ein Ausscheiden des Schlüssellandes Deutschland wäre auch für den Rest Europas, der ebenfalls von den Maastrichter Klauseln finanziell eingeschnürt wird, von Nutzen, weil dann das gesamte monetaristische Vertragswerk in sich zusammenfiele.

Laut Paragraph 6 des Stabilitätsgesetzes, das praktisch sofort zur Anwendung kommen kann, darf die öffentliche Hand "zusätzliche Ausgaben" über das laufende Haushaltsvolumen hinaus tätigen, und zwar vorrangig für "besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden". 1967, als die offizielle Arbeitslosenzahl die damals erschreckende Höhe von 200000 erreichte, gestand das Stabilitätsgesetz dem Bundesfinanzminister die zusätzliche Aufnahme von Krediten in Höhe von bis zu 5 Mrd. Mark jährlich zu. Heute, 32 Jahre später, ist die offizielle Arbeitslosenzahl 20mal höher, demnach wäre theoretisch eine außerordentliche Kreditaufnahme von bis zu 100 Mrd. DM jährlich angebracht. Diese Kreditneuaufnahme erübrigte sich allerdings großenteils, wenn der Bundesschuldendienst in Höhe von 82 Mrd. DM jährlich, der den Haushalt mit einem Anteil von 22% belastet, eingefroren würde. Genaugenommen brauchte der Finanzminister dann nur noch die fehlenden 18 Mrd. DM, um den durch das Stabilitätsgesetz gegebenen Rahmen voll auszuschöpfen.

Die Regierung könnte dieses Vorgehen mit den Banken einvernehmlich aushandeln - laut Gesetz wäre sie dazu nicht verpflichtet, denn Paragraph 19 des Stabilitätsgesetzes sieht ohnehin drastische Eingriffe des Staates in die allgemeine Kreditvergabe vor. Demnach kann "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" die gesamte Kreditaufnahme der öffentlichen Hand beschränkt werden -
mit der wichtigen Ausnahme der "Finanzierung von Investitionsvorhaben"! Das bedeutet, daß Kredite der öffentlichen Hand nur noch für reale Investitionen, nicht aber für nichtinvestive Ausgaben, wie sie Schuldendienste darstellen, aufgenommen werden dürfen. Das wird den Banken und ihren neoliberalen Nachbetern nicht gefallen, aber die Bankiers müssen darauf hingewiesen werden, daß auch sie dem Gesetz unterliegen.

Von der Bundesbank zur Nationalbank

Das Stabilitätsgesetz sieht im weiteren laut Paragraph 29 "Änderungen im Bundesbankgesetz" vor, um die Durchführung der investiven Maßnahmen zu erleichtern.

Die Bundesregierung als souveränes Organ könnte demnach die Bundesbank, die kein souveränes Organ ist, ohne weiteres in eine Nationalbank umwandeln, deren Zwecke nicht länger monetaristisch, sondern produktionsfreundlich wären. Unter Beachtung der ureigenen Privilegien einer Nationalbank, wie Steuerung des Geldumlaufs und der Kreditmengen sowie Festsetzung der Zinshöhe, könnte die transformierte Bundesbank den privaten Banken Kredite in Höhe der ausgefallenen Bundesschuldendienste zu Niedrigstzinsen bereitstellen. Bedingung dabei wäre, daß die Kredite im Einklang mit dem Stabilitätsgesetz ausschließlich für reale Investionsvorhaben, die Produktion und Beschäftigung fördern, an Firmen und Projektkonsortien weitergegeben werden. Die Laufzeit der Kredite müßte lang sein, vielleicht 20 bis 25 Jahre, und müßte eine rückzahlungsfreie Zeit einschließen, um vor allem große Infrastrukturvorhaben, die mehrere Jahre zu ihrer Verwirklichung brauchen (Bahn-, Kanal-, Autobahnprojekte), nicht vorzeitig mit dem Zwang zu Kreditrückzahlungen zu belasten. Den privaten Banken entsteht hierdurch kein Nachteil, aber der realen Volkswirtschaft bietet sich ein wesentlicher Vorteil, wenn solche großen Projekte, die derzeit aus dem laufenden Bundeshaushalt nicht mehr finanziert werden können, verwirklicht werden.

Im übrigen kann die Regierung Paragraph 11 des Stabilitätsgesetzes anwenden, denn der sieht vor, bei Bedarf zur Ankurbelung der Konjunktur "die Planung geeigneter Investitionsvorhaben so zu beschleunigen, daß mit ihrer Durchführung kurzfristig begonnen werden kann". Der nachfolgende Paragraph 12 legt den Schwerpunkt dieser Vorhaben auf drei Bereiche: 1. "Erhaltung von Betrieben oder Wirtschaftszweigen"; 2. "Anpassung von Betrieben oder Wirtschaftszweigen an neue Bedingungen"; 3. "Förderung des Produktivitätsfortschritts und des Wachstums von Betrieben und Wirtschaftszweigen, insbesondere durch Entwicklung neuer Produktionsmethoden und -richtungen".

Beispiele

Zwei Beispiele zeigen, wie eine Wirtschaftspolitik unter dem Stabilitätsgesetz in der Lage vom Sommer 1999 konkret aussähe:

1. Die Regierung würde ein zunächst unbefristetes, außerordentliches Investitionsprogramm in Höhe von bis zu 100 Mrd. DM jährlich in Gang setzen. Die bisher fehlenden 3 Mrd. DM für die abgesicherte öffentliche Baufinanzierung des Transrapids Hamburg-Berlin wären darin ebenso enthalten wie die Mittel für eine schrittweise Erweiterung der Trasse in ein gesamteuropäisches Magnetschwebebahnnetz in Richtung Osten und Südosten/Balkan, aber auch in Richtung Westen, beispielsweise bis zur niederländischen und spanisch-portugiesischen Küste.

Die im laufenden Bundeshaushalt ohnehin nicht mehr finanzierbare ICE-Trasse über Erfurt könnte durch eine Transrapidtrasse Berlin-München-Norditalien ersetzt werden. Allein auf deutschem Gebiet bedeutete das die Schaffung von etwa einer Million Arbeitsplätzen beim Bau, bei der Fertigung der Trassenelemente und der Züge und Signalanlagen - unter der Bedingung, daß alle Projekte gleichzeitig anlaufen.
Zur Finanzierung dieser Großvorhaben würden jährlich 20-30 Mrd. DM benötigt. Zum Vergleich: Eine Million Arbeitslose, die ja nichts herstellen, belasten den Steuerzahler ohnehin mit jährlich ebenfalls 30 Mrd. DM.

2. Durch Aufstockung der Mittel und des Personals bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau würde diese in die Lage versetzt, Projekte zum Wiederaufbau des Balkans, besonders zur Errichtung von Baufirmen und anderen wichtigen produzierenden Industriebereichen dort, in großem Umfang zu finanzieren. Man bräuchte nicht erst eine ganz neue Institution ins Leben zu rufen, sondern verwandelte die bereits bestehende und erfahrene Kreditanstalt in eine Aufbaubank für Südosteuropa für die Übergangszeit bis zum Arbeitsbeginn von Nationalbanken der Balkanstaaten, die dann die Aufgaben vor Ort weiterführen können. Mit einer durch Bundeszuschuß um jährlich 20 Mrd. DM zusätzlich ausgestatteten Kreditanstalt könnte ein entsprechend großes Auftragsvolumen für Lieferungen der deutschen Industrie und des Auslandsanlagenbaus in den Balkan geschaffen werden.

Rainer Apel
 

4.Teil

Stabilitätsgesetz,

Kurzbezeichnung für das "Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" (StWG), durch das Bund und Länder seit 1967 verpflichtet werden, ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Wahrung des Geldwertes aufeinander abzustimmen. Das Stabilitätsgesetz soll zu einem stabilen Preisniveau und einem hohen Beschäftigungsgrad beitragen und darüber hinaus ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei angemessenem Wirtschaftswachstum gewährleisten (so genanntes "magisches Viereck"). Der Maßnahmenkatalog des Stabilitätsgesetzes (StabG) sieht die alljährliche Vorlage eines Jahreswirtschaftsberichts vor, in dem die Bundesregierung dem Bundestag und dem Bundesrat ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Zielsetzungen darlegt. Wirtschaftliche Orientierungsdaten für Gebietskörperschaften,
Unternehmerverbände und Gewerkschaften bilden die Grundlage für ein abgestimmtes Verhalten (siehe konzertierte Aktion), zu dem die Regierung bei Bedarf aufrufen kann.

Eher informativen Charakter haben die mittelfristige Finanzplanung, die mehrjährigen Investitionsprogramme und der zweijährige Subventionsbericht. Zur Unterstützung ihrer Aufgaben ist die Bundesregierung gehalten, einen beratenden "Konjunkturrat für die öffentliche Hand" zu bestellen. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist ein Instrument des keynesianischen Interventionismus (siehe Globalsteuerung).

Verfasst von:

Roland Detsch

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5.Teil

1967 - Stabilitätsgesetz

Um den wirtschaftlichen Aufschwung sicherzustellen, ziehen alle gesellschaftlichen Kräfte während der ersten Rezession 1966 an einem Strang. Mit dem Stabilitätsgesetz vom 8. Juni 1967 verabschiedet der Bundestag eine Reihe von staatlichen Maßnahmen, um der negativen Entwicklung der Wirtschaft gegenzusteuern:· Bund und Länder verpflichtet dieses Gesetz auf die Ziele des sogenannten "magischen Vierecks": Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und wirtschaftliches Wachstum. · In Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums sollen künftig Rücklagen gebildet werden, die während der Zeiten von Rezessionen wieder eingesetzt werden. Damit kann dann im Rahmen von staatlichen Auftragsprogrammen die Wirtschaftsbelebung initiiert werden. · Ein neu eingesetzter Konjunkturrat koordiniert die Wirtschafts- und Finanzpolitik von Bund, Ländern und Gemeinden. Gleichzeitig präsentiert die Bundesregierung künftig jeweils im Januar in einem Jahreswirtschaftsbericht Orientierungsdaten über die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung und ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Vorhaben. · Auf dieser Grundlage sollen alle am Wirtschaftsprozeß beteiligten Gruppen ihr Verhalten aufeinander und auf die Eckdaten abstimmen. Deshalb werden auch die im Februar 1967 ins Leben gerufenen Treffen der "Konzertierten Aktion" im Stabilitätsgesetz verankert und als feste Einrichtung bis 1977 fortgeführt.InfoPunkte: Weitere Informationen zum Auftrag und zur aktuellen Arbeit von Wirtschafts- Finanzausschusses finden Sie in unserem Online-Angebot. Zeit Punkte: Daten und Fakten der 5. Wahlperiode (1965 - 1969)