Städte und Kreise wollen durch Verkauf ihrer Schulen und Büros Millionen sparen / Steuersparmodell gekippt?
Bis zu 22 Millionen Euro können Kommunen und Landkreise in Hessen einnehmen, wenn sie nach dem Steuersparmodell des Verkaufens und Zurückmietens Immobilien auf Zeit veräußern. Eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt könnte dem aber einen Riegel vorschieben.
Von Carla Ihle-Becker und Jürgen Schultheis
FRANKFURT. Ende vorigen Jahres hat der Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg, Helmut Eichenlaub, vorgeschlagen, rund 100 Immobilien des Kreises befristet an einen Investor zu verkaufen und die Gebäude von ihm zurückzumieten. Bei einem Verkaufswert von 350 Millionen Euro hätte der Kreis nach dem Steuersparmodell "Verkaufen und zurückmieten (Sale and lease back)" etwa zehn Millionen Euro zusätzliches Geld in die Kasse bekommen und nach zehn Jahren die Immobilien wieder zurückgekauft.
Inzwischen zeigt auch der Vogelsbergkreis Interesse am Sale-and-lease-back-Modell. In seiner jüngsten Sitzung hat der Kreistag beschlossen, alle Schulen, Verwaltungsgebäude, Jugendheime und sonstigen Immobilien des Kreises für 150 Millionen Euro zu verkaufen und für zehn bis fünfzehn Jahre zu leasen, um sie dann wieder zurückzukaufen. Der Kreis kalkulierte mit einem Gewinn von zwei bis drei Millionen Euro.
Bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), die zusammen mit ihrer Tochter Hannover Leasing in München solche Geschäfte abwickelt, liegen inzwischen vier bis fünf Anfragen von Städten und Kreisen vor, die ihre Gebäude befristet verkaufen und Geld gutmachen wollen. Die Nachfrage hat nach Einschätzung von Karl Bart, zuständiger Fachmann der Hannover Leasing, in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zugenommen. Fast alle Kommunen steckten in argen Finanznöten und suchten Möglichkeiten, Geld zu sparen oder zu verdienen.
Das Volumen für solche Geschäfte in Hessen beziffern Experten auf 800 bis 900 Millionen Euro. Bei einem so genannten Barwertvorteil von 2 bis 2,5 Prozent, den die Kommunen bei diesem Modell nutzen, könnten Städte und Landkreise hessenweit demnach bis zu 22 Millionen Euro einnehmen.
Ob die Gebietskörperschaften solche Gewinne realisieren können, ist Mitte Juli fraglich geworden. In einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt an die 46 hessischen Finanzämter heißt es, dass solche Steuersparmodelle, bei denen ein Investor - das sind etwa große Stiftungen - Erbersatzsteuer sparen wollen, "steuerlich nicht anzuerkennen" seien. Zwar könnten Investoren und Kommunen solche Geschäfte abschließen - ob die Investoren aber die Steuereinsparungen geltend machen können, sei offen.
Bei der Landesbank hat die Verfügung vom 15. Juli, die der Frankfurter Rundschau vorliegt, Überraschung ausgelöst. Intern heißt es, dass Vertreter der Helaba, der Kommunen und der Oberfinanzdirektion nun ausloten müssten, ob es ein Problem gebe.
Die Länder reagieren bisher unterschiedlich auf das Steuersparmodell.
So hatte das Finanzministerium in Bayern bereits im November 2002 das Modell
abgelehnt und verfügt, dass es steuerlich nicht anerkannt werden soll.
SALE & LEASE BACK
Beim Steuersparmodell „Verkaufen und zurückmieten (Sale and lease
back)“ profitieren große Stiftungen und andere Geldgeber auf der
einen Seite sowie Städte und Landkreise, die ihre Immobilien befristet
verkaufen, auf der anderen. Die Stiftungen wollen bei dem Geschäft
Erbersatzsteuer sparen und die Kommunen Geld verdienen.
Stiftungen sind auf Dauer angelegt. Um zu verhindern, dass nur einmal
Erbschaftsteuer anfällt, legt der Gesetzgeber alle 30 Jahre den fiktiven
Erbfall zu Grunde – so als würde die Stiftung vererbt und deshalb
Steuer fällig. Um diese Steuerbelastung zu verringern, nutzen Stiftungen
den Vorteil des Bewertungsgesetzes, nach dem Immobilien niedriger taxiert
werden als Barvermögen: Sie steigen bei Objektgesellschaften der Kommunen
als stille Teilhaber ein. Die Kommunen verkaufen nun ihre Schulen und Verwaltungsgebäude
an diese Gesellschaften. Das Geld aus dem Verkauf wird bei der Bank hinterlegt.
Aus diesem Vermögen finanzieren die Kommunen Miete und Rückkauf
der Immobilien nach zehn oder fünfzehn Jahren. Dafür brauchen
sie aber nur 97,5 bis 98 Prozent der Verkaufssumme – die restlichen 2 bis
2,5 Prozent stecken die Kommunen schon bald nach dem Verkauf der Immobilien
wieder in die Stadtkasse.
Experten schätzen das Risiko dieses Modells als gering ein. Abhängig
vom Vertrag trage die Stiftung das Risiko, die Steuerersparnis geltend
machen zu müssen – und nicht die Kommune. schu
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Dokument erstellt am 23.07.2003 um 00:03:06 Uhr
Erscheinungsdatum 23.07.2003 | Ausgabe: S | Seite: 29