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Marburger Neue Zeitung vom 07.01.2004
Im Internet : http://www.mittelhessen.de/artikeldruck.php?content_id=146221&dir=4

Millionen flossen aus "totgesagtem" Steuersparmodell

07.01.2004

(ph/vo). Während im Kreis Marburg-Biedenkopf das so genannte "Sale-and-lease-back"-Projekt ("Verkaufen und Zurückmieten") nach Ministerschelte und Absprung des Investors seit Herbst 2003 auf Eis liegt, flossen im nordhessischen Waldeck-Frankenberg bereits die ersten Millionen aus dem "totgesagten" Steuersparmodell in die Kreiskasse. Und Regierungspräsident Lutz Klein (CDU) in Kassel gab seinen Segen dazu. Landrat Helmut Eichenlaub (CDU) hatte sich erfolgreich um neue Investoren bemüht, die das steuerliche Risiko offenbar nicht scheuen, so der Leiter der Finanzabteilung der Kreisverwaltung in Korbach, Hans-Jürgen Fehlinger, in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Und das eröffne auch neue Chancen für andere Kreise, wenn man das Projekt noch weiterverfolge, meinte Fehlinger.

Marburg-Biedenkopf/Korbach. In Korbach ließ Landrat Eichenlaub nicht locker, als im August 2003 die Absage des Investors kam. Und als die "Hannover Leasing" neue Interessenten ausmachte, wurde kurz vor dem Jahreswechsel das Geschäft perfekt gemacht. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg verkaufte für zehn Jahre zunächst 20 Schulen und ein Verwaltungsgebäude an die Leasingfirma und erhielt als erste Rate 2,7 Millionen Euro überwiesen, erläuterte Finanzabteilungsleiter Fehlinger.

Das Steuerrisiko liege ausschließlich bei den Investoren, erklärte Fehlinger. Diese seien allerdings überzeugt, dass es keine Probleme geben werde, die Steuervorteile in Anspruch zu nehmen, da sich die Steuergesetzgebung in diesem Punkt nicht geändert habe.

Mit dem im Frühjahr und Sommer 2003 heiß diskutierten Steuersparmodell wollte der Kreis Marburg-Biedenkopf zwischen sieben und neun Millionen Euro einnehmen. Die Schulen und sonstiger Grundbesitz sollten für rund 350 Millionen Euro für zehn Jahr an eine Leasing-Gesellschaft veräußert und zugleich zurückgemietet werden. Unter Strich wäre ein satter Gewinn für den heimischen Landkreis herausgesprungen, der im aktuellen Haushalt 2004 ein Defizit von 15 Millionen Euro hat.

Im Hintergrund des Geschäfts stand die "Hannover Leasing" GmbH mit Sitz in Pullach bei München, eine Tochter der Landesbank Hessen-Thüringen. Anreiz für die Investoren war ein erheblicher Vorteil bei der Erbschaftsteuer: Bargeld muss zu 100 Prozent versteuert werden, Immobilieneigentum nur zu 60 Prozent. Für den Kreis sollten etwa 2,5 Prozent des Erlöses herausspringen (ein so genannter "Barwertvorteil").

Doch dann sprang der Investor im August 2003 ab, nachdem das hessische Finanzministerium das Steuersparmodell kritisiert hatte und zudem keine Vorabzusage geben wollte, dass Investoren tatsächlich in den Genuss der erhofften Steuervorteile kämen. "An dieser Haltung hat sich bislang nichts geändert", betonte gestern Ministeriumssprecher Joachim Veyhelmann in Wiesbaden. Das Ministerium gebe keinen Kommentar zu Waldeck-Frankenberg ab, verweise aber auf die steuerlichen Risiken.

Die Finanzverwaltungen hatten sich im vergangenen Jahr auf Veranlassung von Finanzminister Karl-Heinz Weimar (CDU) geweigert, dem Investor den Steuervorteil im Vorfeld zu bescheinigen. "Mit diesem Steuersparmodell schaden die Kreise den öffentlichen Haushalten und der Steuermoral", hatte Weimar im Juli 2003 gesagt. "Unser Kampf gegen Steuerschlupflöcher und gegen das Ausnutzen von Gesetzeslücken kann nicht dadurch konterkariert werden, dass die öffentliche Hand selbst solche Dinge ausnutzt", so Weimar. Er plädierte für eine schnelle Gesetzesänderung des Bundes, um das Steuerschlupfloch zu schließen.

Doch auch bei der "großen Steuerreform", die im Dezember Bundestag und Bundesrat passierte, wurde nichts daran geändert.

Der Marburg-Biedenkopfer Landrat Robert Fischbach (CDU) hatte nach dem Scheitern der Transaktion kritisiert, der kommunalen Familie gingen viele Millionen Euro verloren. Die Finanzminister müssten sich fragen lassen, ob sie durch ihre ablehnende Haltung diesem Projekt gegenüber den Landkreisen und sich selbst nicht einen Bärendienst erwiesen hätten.

Eine aktuelle Stellungnahme zu der Entscheidung im Nachbarkreis war gestern aus dem Marburg-Biedenkopfer Kreishaus nicht zu bekommen.