In der HLZ 4/2004 wurden die wesentlichen Konsequenzen des Entwurfs
der Landesregierung für ein "3. Gesetz zur Qualitätssicherung in hessischen
Schulen" in den Bereichen Lehrerbildung und Schulrecht vorgestellt. Inzwischen
haben GEW, DGB und Hauptpersonalräte detaillierte Stellungnahmen abgegeben,
obwohl einmal mehr extrem knappe Fristen gesetzt waren. Die ausführliche
Stellungnahme der GEW zur Änderung des Schulgesetzes und zum neuen Lehrerbildungsgesetz
kann bei der Landesgeschäflsstelle der GEW Hessen angefordert werden. Die
HLZ dokumentiert die grundsätzlichen Vorbemerkungen des GEW-Landesvorstands
zur Änderung des Schulgesetzes sowie die Stellungnahmen der Landtagsopposition.
Wie bei vieien Gesetzen der jüngsten Zeit steht der Inhait im Gegensatz zum Titel: Von Qualitätssicherung kann keine Rede sein. Statt die Erkenntnisse aus Bildungsstudien wie PISA und IGLU umzusetzen und das Bildungswesen von einem eher an Auslese orientierten System zu einem Fördersystem zu verändern, werden die spaltenden Elemente des hessischen Schulwesens weiter ausgebaut Dies beginnt bei der Lehrerbildung, deren schul-formspezifische Trennung verfestigt wird, und mündet in die vollständige Abspaltung des gymnasialen Bildungsgangs von den anderen Bildungsgängen der Sekundarstufe L (...)
Das Gesetz ist dementsprechend durch eine einseitig "begabungs-orientierte"
Sichtweise auf Schülerinnen und Schüler geprägt. Die Schule wird immer
mehr darauf ausgerichtet, Kinder und Jugendliche nach ihrer vermeintlichen
"Begabung" zu sortieren. Von hohem Symbolwert ist die Umdeklarierung der
Sonderschulen zu "Förderschulen". Förderung soll offensichtlich für die
übrigen Schulen keine nennenswerte Bedeutung haben.
Wissenschaftliche Studien, die nachweisen, dass gerade beim Übergang
nach Klasse 4 soziokulturelle Kriterien oft ein größeres Gewicht haben
als die Kompetenzen der Kinder, werden ignoriert. Stattdessen wird dieser
Übergang weiter verschärft, indem die Förderstufe, die wenigstens in Teilen
einen moderateren Weg ermöglichte, abgebaut und der "gymnasiale Königsweg"
ausgebaut wird. Viele Eltern werden diesen Weg meiden, weil sie die drohende
Verdichtung und Reduktion des staatlichen Bildungsangebots aus sozialen
Gründen nicht auffangen können, weil sie wegen Berufstätigkeit persönlich
keine Zeit haben und sich keine teuren Nachhilfestunden leisten können.
Das Gesetz bereitet den Abbau eines flächendeckenden hochwertigen Bildungsangebots vor und schraubt selbst die Errungenschaften der Landschulreform zurück. Mit der Vorgabe einer Mindestzahl von Parallelklassen für weiterfuhrende Bildungsangebote stellt die Landesregierung die Ausschöpfung der Klassenobergrenzen vor ein flächendeckendes Bildungsangebot. Schülerinnen und Schüler in ländlichen Regionen werden die Verlierer dieser Politik sein, da sie entweder auf ein weiter führendes Bildungsangebot verzichten oder längere Schulwege in Kauf zu nehmen müssen, Gleichzeitig verabschiedet sich die Landesregierung von der gesellschaftlich breit getragenen Forderung nach kleinen Klassen. Wo es derzeit auf Grund geringer Jahrgangsbreiten vereinzelt noch kleine Klassen gibt, droht die Schließung von Schulen.
Nicht zuletzt wird mit diesem Gesetz der Privatisierung bisher staatlicher Bildungsangebote die Tür geöffnet. Bei der Lehrerbildung zieht sich der Staat zunehmend aus seiner Verpflichtung zurück, nachdem das Hessische Institut für Lehrerfortbildung (HeLP) als zentraler Träger der Lehrerfortbildung kaputt saniert wurde. Von einem schon bisher ausgezehrten Recht auf Fortbildung, das die Beschäftigten bei ihrem Dienstherrn und Arbeitgeber einfordern können, ist keine Rede mehr. Stattdessen wird einseitig von der Verpflichtung der Lehrkräfte gesprochen. Als Träger von Fortbildung werden zunehmend Einrichtungen der Wirtschaft, Stiftungen und weitere freie Träger ins Spiel gebracht, die den Charakter der Fortbildung einseitig verändern können. Selbst bei den staatlichen Schulen sollen neue Modelle rechtlicher Selbstständigkeit erprobt werden, die ein Einfallstor für Privatisierung darstellen.
All dies geschieht auf dem Hintergrund einer insgesamt mangelhaften Ausstattung der Schulen mit Personal und Finanzen und einer Politik, die den Lehrkräften die höchste Unterrichtsverpflichtung auferlegt, die es in Hessen je gegeben hat und ihnen damit jegliche Zeit für Qualitätsentwicklung nimmt. Es bleibt das Geheimnis der Landesregierung, woher die notwendige Ausstattung für die Vorhaben bei der Lehreraus- und -fortbildung kommen soll, wenn zur Zeit gerade in diesen Bereichen vieles kaputt gespart wurde. (...)
Auch wenn die GEW einzelne Aspekte des Lehrerbildungsgesetzes durchaus
positiv bewertet, lehnt sie den Gesetzentwurf insgesamt ab.