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ANALYSE

Von Risiken und Nebenwirkungen

Bleiben Steuergeschenke für Cross-Border-Leasing aus, könnten US-Unternehmer versucht sein, ihre Verträge mit deutschen Partnern vorzeitig aufzulösen und Schadenersatz einzutreiben.

VON RAINER JUNG (DÜSSELDORF)

Die letzten Wahrheiten über Cross-Border-Leasing (CBL) werden wohl nur Gerichte klären können. Das wäre, einerseits, spannend. Endlich käme heraus, wer beim Streit über die schwer durchschaubaren Deals Recht behält: CBL-Befürworter in deutschen Kämmereien, die glauben, alle Risiken im Griff zu haben. Oder die Gegner von Attac bis zu Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser. Sie warnen schon länger davor, dass die kurzfristig lukrativen Geschäfte längerfristig teuer kommen können.

Andererseits möchte man keiner Kommune und keinem Stadtwerk wünschen, dass sie von ihrem US-Partner zum juristischen Clinch gefordert werden. Schon, weil die Gerichtsorte bei solchen Verträgen in den USA liegen. Damit drohen hohe Anwaltskosten, die, zumindest vorübergehend, klamme öffentliche Kassen weiter leeren dürften.

Es ist trotz der bevorstehenden Gesetzesänderung in den USA auch keineswegs ausgemacht, dass sich amerikanische und deutsche Partner in die Haare bekommen. Das "große Zittern", das Attac-Sprecher Malte Kreutzfeld prophezeit, bleibt in den Rathäusern bisher aus. CBL-erprobte Finanzdezernenten wie der Gelsenkirchener Rainer Kampmann sehen sich weiter auf der sicheren Seite. Schließlich haben sie ihre Deals schon vor Jahren abgeschlossen.

Sollte die Novelle allerdings so weit gehen, dass die US-Finanzbehörden auch bei Altverträgen die Steuervorteile der Investoren kappen dürfen, hätten die Anleger ein dringendes Motiv, die Leasingkontrakte so schnell wie möglich aufzulösen. Denn ohne Abschreibungsmöglichkeit sind die geschätzten 50 Milliarden Euro, die amerikanische Trusts in den vergangenen Jahren via CBL in deutsche Kanäle, U-Bahn-Netze oder Messehallen fließen ließen, totes Kapital. Und zwar über eine Vertragslaufzeit von 25 bis 30 Jahren.

Ein direkter Ausstieg wegen geänderter Geschäftsgrundlage kommt dabei wohl nicht in Frage. Prinzipiell trägt der Investor das Risiko einer Änderung im US-Steuerrecht. Das schreiben die gängigen Kontrakte fest. Allerdings sind Wege denkbar, gewissermaßen durch die Hintertür aus dem Vertrag herauszukommen - und womöglich beim kommunalen Partner noch kräftig Schadenersatz einzutreiben.

Das Zauberwort dafür: Vertragspflichtverletzung. Die besteht etwa darin, dass die Stadt den hin- und zurückverleasten Gegenstand nicht ausreichend in Stand hält und damit seinen Wert mindert. Was genau verlangt wird, steht natürlich in den CBL-Verträgen. Doch die sind häufig "tausende Seiten lang, also unübersichtlich, und dazu nicht in Deutsch verfasst", sagt Wolfgang Krantz, Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesrechnungshofs. "Das Problem der Kommunen ist, dass sie nicht genau wissen, was auf sie zukommen kann."

Besonders groß würde der Druck auf Städte oder öffentliche Unternehmen, falls sie das verleaste Stück Infrastruktur irgendwann während der Laufzeit eigentlich nicht mehr oder nicht mehr im vollen Umfang brauchen. Beim CBL-Paradeobjekt Kanalnetz ist das Risiko wahrscheinlich noch vergleichsweise gering: Abwasserentsorgung ist eine Pflichtaufgabe. Und sollte etwa die Einwohnerzahl rapide zurückgehen, ließe sich wohl ein Teil des Systems stilllegen - vorausgesetzt, es verfällt nicht. Aber was ist beispielsweise mit Messegebäuden, wenn die zugehörige Messe an Bedeutung verliert? Oder Schulhäusern ohne Schüler? Weiter unterhalten, weil sonst der Investor kassiert?

Die Probe aufs Exempel steht noch aus. Zwar kolportierten Journalisten und CBL-Kritiker unlängst, die Berliner Verkehrsbetriebe möbelten eigentlich überzählige Straßenbahnwagen nach Beschädigungen auf, nur weil diese Teil eines Deals seien. Eine Unternehmenssprecherin dementiert das aber: "Wir haben keine solchen Überkapazitäten." Und sollte es künftig welche geben, dürfe man Bahnen durchaus vermieten. Hoffentlich will sie dann jemand haben.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 27.06.2004 um 18:05:17 Uhr
Erscheinungsdatum 28.06.2004