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Auszug aus "Erziehung und Wissenschaft" - Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW 4/2006 (Seite 32)
Gescannt am 07.04.2006

"Allianz-Gymnasium" und "Thomy-Realschule " ?

GEW-Report enthüllt Privatisierungstendenzen an öffentlichen Schulen

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Privatisierungswahn bald auch an deutschen Schulen?

Buchtipp „Werbung und Sponsoring in der Schule " Der aktuelle Band der Verbraucherzentrale Bundesverband versammelt Beiträge aus Verbraucherpolitik, Pädagogik und Wirtschaft zum Thema. Zudem liefert er Einblicke in die Forschung zum Kosumverhalten Jugendlicher und gibt einen Überblick über den Stand von Werbung und Sponsoring an Schulen in den verschiedenen Bundesländern.
Das Buch ist für 29,90 Euro erhältlich beim Berliner Wissenschaftsverlag, Vertrieb @bwv-verlag. de, Bestell-Nr: 3-8305-1136-1 (siehe auch die Unterrichtsmaterialien der Verbraucherzentrale unter www. Verbraucherbildung, de).
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Firmen bestimmen mit, welcher Stoff im Unterricht behandelt wird. Coca-Cola oder Bahlsenfinanzieren Unter-richtsmateralien. Ohne Fördervereine gäbe es an vielen Ganztagsschulen kaum Nachmittagsangebote. Der Einfluss von privaten Unternehmen und Privatpersonen auf staatliche Schulen wächst. Das ist kein Zufall, sondern von der Politik gewollt.

Die „Kaeser Kompressoren GmbH" produziert nicht nur gelbe Anhänger, die auf Baustellen brummen und Druckluft und Strom erzeugen. Kaeser liefert auch Inhalte, Lehrmaterialien und Experten für den Schulunterricht. So will es der Vertrag, der am 21. Oktober 2003 im thüringischen Gera unterzeichnet wurde. Die "Kooperationsvereinbarung" sieht vor, dass die Schüler der staatlichen „Regelschule 12" in Gera in Physik fortan lernen, wie Druckluft erzeugt wird. In Biologie geht es um das „Anwendungsbeispiel Druckluft: Molkereien, Brauereien, Nahrungsmittel-Industrie". In Geschichte steht die „Unternehmensgeschichte" von Kaeser auf dem Stundenplan, in Englisch die „Globabilisierungsstrategie des Unternehmens".

Bundesweit dürften es weit über 1000 Schulen sein, die eine „Lernpartnerschaft" ä la Kaeser unterhalten. Kooperationspartner sind Mittelständler und Großkonzerne, von Allianz und T-Mo-bile bis zum Mayonnaise-Hersteller Thomy. Das Ziel der Zusammenarbeit lautet regelmäßig, den Unterricht praxisnäher zu gestalten. Es gilt, Schülerinnen und Schüler besser auf das Arbeitsleben vorzubereiten.

Mehr als 400 „Lernpartnerschaften" hat die „Institut Unternehmen & Schule GmbH" mit Sitz in Bonn angeschoben. Deren Geschäftsführer Professor Günter Vollmer will die Schullandschaft zu „wirtschaftsnahen Bildungsregionen" umbauen. So steht es in Vollmers Buch „Unternehmen machen Schule". Für dieses Ziel gab es irn November 2003 höchste Ehren: Nordrhein-Westfalens damaliger Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) überreichte dem Hochschullehrer den Landesverdienstorden.

Als „Partner für Schulen" bezeichnen sich auch Firmen wie Coca-Cola. Sie sponsorn Lehrmaterial - oder liefern Unterlagen und Schulbücher gleich selbst. So hat Coca-Cola ein Rollenspiel im Angebot, für Schüler ab Jahrgangsstufe 11. Es geht um die Führung eines Getränkeunternehmens. Welche Unterrichtsziele damit verfolgt werden, steht in einer Broschüre, die reichlich Coca-Cola-Werbung enthält. Kekshersteller Bahlsen lockt per Internet mit Ideen für den Grundschulunterricht. Titel: „Spielerisch lernen mit ABC Russisch Brot".

Sponsoren suchen, Spenden eintreiben - damit beschäftigen sich immer mehr schulische Fördervereine. Viele von ihnen müssen inzwischen weitere Aufgaben stemmen: Damit die Ganztagsbetreuung an ihrer Schule läuft, stellen sie Honorarkräfte ein, erledigen die Buchführung und schlagen sich mit Steuer-und Rechtsfragen herum. Die Bundesregierung finanziert die Ganztagsschulen zwar mit vier Milliarden Euro.

Doch dieses Geld fließt im Wesentlichen in den Bau der notwendigen Räume. Das erforderliche Personal einzustellen, ist Sache von Kommunen und Ländern. Die aber knausern oft mit dem Geld. Zudem dürfen öffentliche Schulen in aller Regel nicht als Arbeitgeber auftreten. Fördervereine springen in die Bresche. „Die arbeiten rund um die Uhr", beschreibt Stefan Appel vom Ganztagsschulverband die aktuelle Lage vieler Fördervereins-Aktivisten. Bundespräsident Horst Köhler (CDU) findet das ganz in Ordnung. Er lobt die Fördervereine als „Keimzellen der Bürgergesellschaft".

So steht es in einem Brief, den Köhler an Dietmar Bronder schrieb, den Vorsitzenden des „Bundesverbandes der Schulfördervereine" (BSFV). Der Bundespräsident begrüßt, dass Menschen sich „in vorgebliche Reservate öffentlichen Handelns" einbringen. Er würdigt die „große Bedeutung", die die Unterstützervereine „für die Sicherstellung schulischer Infrastrukturen haben".

BSFV-Chef Bronder versteht die Botschaft: „Gemeint ist die Übertragung von Aufgaben aus dem öffentlichen in den privaten Bereich."

Matthias Holland-Letz

Die Langfassung des Beitrags ist erschienen im "Pnvatisierungsreport: vom Rückzug des Staates aus der Bildung", den die GEW herausgegeben hat. Mit dem Privatisierungsreport, der als vierbändige Reihe geplant ist, will die Bildungsgewerkschaft in die Diskussion über die zunehmende Privatisierung des gesamten Bildungsbereiches ein- und Partei ergreifen sowie für die unterschiedlichen Privatisierungsstrategien und -Instrumente sensibilisieren. Bestellung des Privatisierungsreports: GEW-Shop. wwv.gew-shop.de; c/o CALL A GIFT Service, Fax: 0180/5050401 gew-shop@callagift (Mindestbestellmenge 25 Exemplare) Preis: 150 Euro/Stück.