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HLZ 5/2004, Seite 11
Privatisierung in England

Das Versagen privatisierter Gesellschaften wie beispielsweise Railtrack hat gezeigt, dass der private Sektor keineswegs effiziente und hochwertige Dienstleistungen liefert. Wenn Dienstleistungen zur privaten Gewinnmaximierung betrieben werden, wird Qualität abgebaut, öffentliches Dienstleistungsethos durch Profitinteresse ersetzt. Im Gesundheitswesen hat die Privatisierung der ersten vierzehn Krankenhäuser im Rahmen der Private Finance Initiative (PFI) zu einem Abbau der Bettenkapazitäten um durchschnittlich 30 % und der Personalkostenbudgets um 20 % geführt.

Auch im Bildungs- und Erziehungswesen wächst die Unzufriedenheit mit privatwirtschaftlichem Engagement:

- In Southwark intervenierte das nationale Department for Education and Skills (DfES) angesichts zahlreicher Wechsel und Vakanzen beim Lehrpersonal mit der Folge, dass der Vertrag mit WS Atkins über die Bereitstellung von Dienstleistungen im Schulbereich zwei Jahre vor dem Ende der Laufzeit gekündigt wurde.

- Cambridge Education Associates (CEA) musste in Islington auf schätzungsweise 400.000 Pfund verzichten, rund die Hälfte der jährlichen Managementgebühren, nachdem das selbst gesetzte Ziel, die Schülerleistungen bei den allgemeinen Leistungstests (GCSE, Key Stage 2) zu verbessern, nicht erreicht wurde. Bereits 2001 hatte CEA 300.000 Pfund verloren, als die Leistungssteigerung mit 1,2 % weit hinter den vereinbarten 8,5 % zurückblieb.

- Education Bradford blieb ebenfalls weit hinter den Erwartungen zurück und will deshalb über die Zielvereinbarungen neu verhandeln.

- Ende 2002 wurden alle örtlichen Schulbehörden, die Local Education Authorities (LEA), vom Office for Standards in Education einem Ranking unterzogen. Unter den LEAs, die Dienstleistungen durch Outsour-cing privatisiert haben, wurde einzig die LEA in Leeds als zufriedenstellend bewertet, fünf als schlecht und drei als unbefriedigend.

- Capita, Englands größte Outsourcing-Gesellschaft, wurde Ende 2002 mit einer geheim gehaltenen Vertragsstrafe belegt, da die Zusage, Lehrkräfte rechtzeitig zu Beginn des Schuljahres zu überprüfen, nicht eingehalten wurde.

Die National Union of Teachers (NUT) hat den Widerstand gegen das Eindringen der Privatwirtschaft in die Bereiche Bildung und Erziehung organisiert. Mit der NUT-Kampagne "Education is for Children. Not for Profit" konnte die Regierung gehindert werden, weitere unsinnige Vorhaben wie beispielsweise die Privatisierung der Verwaltung der Sekundärschulen zu realisieren. Trotzdem ist die Privatisierung im Bereich der Schulbehörden und der Schulen mit dem Education Act 2002 weiter auf dem Vormarsch.

Im März 2003 berichtete Times Educational Supplement über die Ambitionen privater Bildungskonzerne, staatliche Schulen unmittelbar zu übernehmen. Dazu gehören neben CEA auch Nord Anglia und das Centre for British Teachers. Wenn sie von den staatlichen Behörden grünes Licht bekommen, würden die gesamte Kontrolle über das schulische Lehren und Lernen sowie die Zuständigkeit für das Personal für die Dauer von bis zu 30 Jahren an die privaten Betreiber übertragen.

Jari'is Educational Services Ltd ist Ableger eines Ingenieurbetriebs, der in das Eisenbahnunglück von Potters Bar verwickelt ist, bei dem im Mai 2002 sieben Menschen getötet und über 80 verletzt wurden. Als Jarvis Educational Services Ltd im April 2003 einen Drei-Jahresvertrag über 1,9 Millionen Pfund erhielt, um Sekundarstufenschulen mit schlechtem Ranking zu beraten, gab es breite Proteste.

Die LEA von Essex arbeitet gegenwärtig mit der Edison Company zusammen, einer privaten Gesellschaft, die 150 staatliche Schulen in den USA betreibt. Die Edison Company kooperiert mit der LEA, um ihr Curriculum und andere Programme und Materialien an den britischen Markt anzupassen. Angesichts des Misserfolgs ihrer Charter Schools in den USA bemüht sich das Unternehmen schon seit mehreren Jahren, auf dem britischen Markt Fuß zu fassen. Bisher haben jedoch nur wenige Schulen Interesse an den Programmen der Edison Company zur Qualitätsentwicklung (school improvement package) gezeigt.

Der zentrale Kritikpunkt der Bildungsgewerkschaft ist die Absicht, aus Bildung und Erziehung privaten Profit zu schlagen. Die Planungen der Regierung zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen haben zu einer erheblichen Ausweitung des Markts geführt. Capital Strategies, ein unabhängiger Analyst, schätzte schon 2001, dass der Markt für das Outsourcing von Dienstleistungen im Schulbereich in den kommenden Jahren von 2,5 auf 4,9 Milliarden Pfund wachsen könnte. Die Gewinnraten im Education and Training Index (ET1) sind deutlich höher als in der Gesamtwirtschaft:. Ein beim Start 1996 im EU investiertes Kapital von 1.000 Pfund hatte 2001 einen Wert von 2.931 Pfund, während der Gesamtindex im selben Zeitraum nur auf 1.660 Pfund geklettert war.

Jüngste Berichte sprechen von einem dramatischen Gewinnrückgang. Die Aktienkurse von Bildungsanbietern wie Capita, Serco und Nord Anglia brachen deutlich ein. Ihre Aktien verloren in den Jahren 2002 und 2003 bis zu zwei Dritteln ihres Werts. Diese Wechselbäder auf dem Aktienmarkt zeigen, wie verletzlich die Schulen sind. Private Unternehmen tragen keine Verantwortung und können nicht demokratisch zur Rechenschaft gezogen werden. Die Verträge, an die sie gebunden sind, können verändert oder gebrochen werden. Auch wenn privaten, gewinnorientierten Betreibern enge vertragliche Grenzen und Schranken gesetzt werden, so bleibt doch ihre eigentliche raison d'etre die Gewinnmaximierung für die Aktionäre, nicht die öffentlich verantwortete Bildung und Erziehung.

Quelle: National Union of  Teachers, www.teachers.org.uk; Bearbeitung und Übersetzung aus dem Englischen: Harald Freiling