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Horst Bethge mit horst.bethge@t-online.de
1. Eine neue Runde der Privatisierungen in der BRD, aber auch in
Europa, ist
eingeläutet. Die EU- Dienstleistungsrichtlinie, gerade
beschlossen, forciert
den Wettbewerb bei öffentlichen Dienstleistungen und lässt
verstärkt private
Anbieter zu, auch im Bildungsbereich, der nicht herausgenommen wurde.
Der Non-
Profit- Berich und die Genossenschaften
kommen gar
nicht erst vor. Auch die Mitteilung der EUKommission
zu den sozialen Dienstleistungen vom 26. 4. 06 fordert verstärkt
Wettbewerb und
private Anbieter. Zweitens hat in Würzburg erstmals ein privater
Anbieter, hier
die größte Bertelsmann- Tochter ARVATO, eine gesamte
Stadtverwaltung
übernommen. Und drittens hat jetzt der „Aktionsrates der
bayrischen
Wirtschaft“, eine gewichtige Kraft, deutlich die völlige
Privatisierung
der Schulen gefordert. Höchste Zeit also, dass die neue LINKE sich
konkret mit
der Privatisierungspolitik im Bildungsberch
beschäftigt.
2. Die Bundesparteitage von WASG und LP.PDS 2006 haben
übereinstimmend
beschlossen, nach der Mindestlohnkampagne eine
Anti-Privatisierungskampagne
durchzuführen. Deren Steuerungsgruppe hat vorgeschlagen, schon
jetzt
diese Kampagne vorzubereiten. Da in einer Vielzahl von Bereichen
und
Ebenen- Bund, Länder, Gemeinden- die Privatisierungen
laufen, kann
die Kampagne nur konkret und vor Ort ansetzen. Dazu müssen jetzt
Beispiele
gesammelt und aufgearbeitet werden. In den Regionen sollen
Kampagneverantwortliche benannt werden. Es wird zentrales Schulungs-
und
Öffentlichkeitsmaterial, einen Kampagneleitfaden, eine zentrale
Vorbereitungskonferenz und Multiplikatorenschulungen geben. Die
Koordinierungsgruppe der AG Bildungspolitik schlägt vor, sich an
dieser
Kampagne und deren Vorbereitung zu beteiligen. Erste Beispiele wurden
schon
gesammelt.
3. Gegenstand sollte m. E. sein, eine Politik, die im breitesten
Verständnis
von Privatisierungspolitik (siehe unten) die öffentliche
Verantwortung und
Durchführung
der Daseinsfürsorge oder Teilhabe an öffentlichen Gütern
zugunsten Privater
reduziert, aushöhlt, umwandelt. Also das öffentliche
Bildungswesen in der BRD
in
allen Formen und Ebenen und mit allen Trägern (bundes- und
landesstaatlich wie
kommunal) Privaten ausliefert. Dabei sind m. E. private
Bildungseinrichtungen
mit
weltanschaulichen oder kirchlichen Trägern oder in besonderen
Nischen
(Reformschulen) tolerabel, wenn es bei dem geringen Umfang bleibt. Das
gilt
auch im
Kita- Bereich oder bei Genossenschaften
(Kinderläden). Sie sind mit unserer Anti-Privatisierungskampagne
nicht gemeint.
Unberücksichtig sollte auch bleiben eine spezielle linke
Diskussion, die Mitte
der 90ger Jahre auch in der PDS geführt wurde (z. B. Berlin) unter
dem
Stichwort
„progressive Entstaatlichung von links“ und u. a. darauf zielt,
preußischobrigkeitsstaatliche Reglementierungen zu
überwinden und den Staat
durch
zivilgesellschaftliche Strukturen schrittweise zu ersetzen.
4. Bei der gegenwärtigen Privatisierungspolitik geht es um
Grundsätzliches. Die
Neoliberale Ordnungspolitik, dass Markt und Konkurrenz alles schon
richten,
soll
durchgesetzt werden. Seit der französischen Revolution gibt es ein
öffentliches
Bildungswesen, das damals bewusst aus der Konkurrenz der Einzelkapitale
und dem
kapitalistischen Verwertungsinteresse herausgehalten wurde. Denn das
zur
Demokratie und Mitbestimmung fähige Individuum, der
Staatsbürger (Citoyen),
sollte
ein Mindestmaß an allgemeiner Bildung, an emanzipatorischer
Subjektivität
aufweisen. Das konnte (und kann) nur der Staat für alle
garantieren, und zwar
durch
ein öffentliches Bildungswesen. Daraus speist sich auch das
Menschen
(Grund)recht auf Bildung (übrigens völkerrechtlich in der UN-
Kinderrechtskonvention normiert und kodifiziert). Genau dies alles
erweist sich
heute als Schranke für das hemmungslos gewordene Kapital (Unesco:
“last frontier against
privatisation of
education“) und sein Verwertungsinteresse.
R.
Luxemburg bezeichnete das einmal als „innere Landnahme“.
5. Als Gründe für die Privatisierungspolitik im
Bildungsbereich lassen sich
ausmachen:
• Das an den Aktienbesitzern orientierte Kapital (shareholder) drängtwegen seiner Verwertungs- und Akkumalationsschwierigkeiten
auf die Erschließung zusätzlicher, bisher überwiegend
verschlossener Märkte:
Einmal auf die der kapitalistischen Verwertung bisher weitgehend
entzogenen
Bereiche staatlicher Daseinsvorsorge in den entwickelten
kapitalistischen
Ländern (USA, EU), wie Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, aber
auch auf den
staatlich regulierten öffentlichen Sektor (Bildung) in den
Entwicklungsländern.
Deshalb drängen große Konzerne wie Vivendi,
Educational Testing
System (ETS),
Meryll Lych, Sylvan Learning
System (SLS),
Bertelsmann auf die Deregulierung der staatlichen Daseinsvorsorge durch
die
„General Agreement on Trade in Services“ (GATS)-Verhandlungen im
Rahmen des WTO. Bildung, Gesundheit, Wasser, Natur sind als Ware
deklariert,
deren Handel frei ohne staatliche Reglementierung werden soll.
• Das –zumeist staatlich durch Steuern finanzierte- Bildungswesen
ist weltweit ein sich rapide ausdehnender „Markt“ von 27 bis 50
Billionen Dollar jährlich. Bildungsausgaben sind zudem
antizyklisch: In der
Krise steigen die privaten, staatlichen und kommunalen
Bildungsausgaben: Für
Umschulung, Zusatzqualifikationen, Weiterbildung, Nachhilfe werden bei
drohender Arbeitslosigkeit mehr Gelder ausgegeben.
• Jeder weiß mittlerweile, dass die Unterfinanzierung unseres
öffentlichen Bildungswesens zum
Hemmschuh gesellschaftlicher Entwicklung zu werden droht. Die OECD hat
2005
erstmals Ertragsraten von Bildung formuliert. Danach beträgt der
„langfristige Effekt eines zusätzlichen Bildungsjahres auf die
wirtschaftliche Produktion“ in der OECD 3 – 6 % an Wachstum. In
Zukunft wird also mehr für die Bildung aufgewendet werden
müssen. Die Frage ist
nur, ob von Seiten der Eltern, StudentInnen
oder
Weiterzubildenden durch Gebühren oder vom Staat aus den Steuern.
6. Das herkömmlich tradierte Bildungssystem – auf Selektion und
Erhalt
des Bildungsprivilegs in Inhalt und Struktur angelegt- ist angesichts
gewachsener Ansprüche der Bevölkerung (wachsende Teilhabe-
und
Partizipationserwartungen) so nicht mehr aufrechtzuerhalten und zu
begründen.
Die normative Setzung der Privilegien wird ersetzt durch eine subtilere
Steuerung, nämlich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Durch
die parallele
Zangenbewegung der Ausmagerung der
öffentlichen
Haushalte wird die Hereinnahme von Sponsoring durch Privatfirmen mit
der
Haushaltslage begründet und damit dem politischen Diskurs in
parlamentarischen
Gremien entzogen.
7. In der Wertschöpfungskette „Grund/Boden, Werkzeuge, Rohstoffe,
Kapital
und Arbeit“ gewinnt der Faktor Arbeit – beschleunigt durch die
Computerisierung –
zunehmend größeres Gewicht (ohne dass die materielle Basis
und das
Eigentumsregime aufgehoben wären). Bezeichnungen wie
„Humankapital“
(OECD, Deutsche Bank, Weltbank) oder „kulturelles Kapital“ (Bourdieu) deuten das an. Das größere
Gewicht des
„kulturellen Kapitals“ erfordert ein anderes Bildungssystem, das
mehr Kreativität, Flexibilität, Selbständigkeit der
Subjekte fördert, die
allgemeiner gebildet sind und nachhaltig politisch und ökologisch
handeln
können. Das Kapital benötigt dies für die Entwicklung
der Produktivität, sieht
aber das darin liegende Emanzipationspotenzial als Risiko für die
Kapitalherrschaft. Da werden
Verbetriebswirtschaftlichung, Public- Private-Partnership und Privatisierung von
Bildungseinrichtungen, die Verankerung des Konkurrenzprinzips sowie die
Festigung des Bildungsprivilegs zu organisatorisch-ideologische
Halteseilen und
Mauerankern zwecks Herrschaftssicherung.
8. Aus ordnungspolitischen Gründen wird der Sozialstat
in allen seinen Bereichen umgebaut, nicht nur aus fiskalischen
Gründen. Da kann
das staatlich organisierte
Bildungssystem nicht ausgespart bleiben. Zwar sollen bestimmte
Sozialstaatsoptionen aufrechterhalten bleiben, aber unter den
Bedingungen struktureller
Krisen, chronischer Defizite der öffentlichen Haushalte und der
Kapitalmobilität, während die Verwertungsschwierigkeiten des
Kapitals gemildert
werden sollen. „Aktivierung“ und „Eigenverantwortung“,
„Fördern und Fordern“ sind die regulativen Ideen der
Umbaustrategie
zum aktivierenden Staat. Das führt zur Neudefinition des
Verhältnisses zwischen
Staat und Bürger. Aber nicht im Sinne von Grundrechtserweiterungen
und
Grundrechtsverwirklichung, sondern als Marktbeziehung verstanden:
zwischen dem leistungserbringenden Staat
und dem immer risikogefährdeter
werdenden Kunden als Empfänger der Vorsorge. Heute stehen die
Aktivierung der
Bürger, des subjektiven Faktors (gegen das Linke eigentlich gar
nichts haben,
im Gegenteil: auch sie setzen darauf), und die Selbst-Befähigung
der Bürger zur
Förderung der individuellen Marktchancen und die marktförmige
Befriedigung der
Daseinsvorsorge an. Darum werden Qualifizierung und lebenslanges Lernen
so
betont, auch mit einer „zweiten Chance“. De facto werden individuelle
Wettbewerbschancen aber sozial zugeteilt, vor allem durch
Bildungschancen.
Damit wird das alte Ziel der gesellschaftlichen Gleichheit ersetzt.
Darin
unterscheidet sich der aktivierende Staat vom Sozialstaat, indem er
sich von
der Idee der sozialen Bürgerrechte für alle verabschiedet.
Hatte bisher der
Sozialstaat die Verantwortung für die Daseinsvorsorge des
Einzelnen, so hat nun
der Einzelne Verantwortung für das
Gemeinwohl, was als Standort- Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft
und
Entlastung des Staatshaushalts definiert wird
9. Hinzu kommt, dass im Zuge der EU- Integration und der Globalisierung der national agierende Wohlfahrtsstaat sich in einen international konkurrenzfähigen Wettbewerbsstaat transformiert, in dem das Bildungssystem zunehmend zum Standortfaktor im Wettbewerb wird – getreu der Theorie des Humankapitals. Das ist der Kern der Lissabon- Strategie: „Europa zum dynamischsten Wirtschaftsraum zu machen“. Da die Staatsquote gesenkt wird, wird der Staat lediglich noch für die minimalste Grundausstattung zuständig – er zieht sich auf seine Kernaufgaben zurück (neoliberales Credo). D. h. hier konkret: Grundbildung und Eliteförderung durch den Staat, alles andere durch Eigenfinanzierung, zukaufbar auf dem Markt, bedient durch Private. Damit wird das bisher staatliche Bildungswesen dem privaten Verwertungsinteresse geöffnet – wie auch im Verkehrs-, Energie-, Post-, Sozial- und Gesundheitswesen schon umgesetzt. Die Inwertnahme öffentlicher Güter gilt dabei als Ausweg aus den Krisen.
10. Parallel dazu greift die neue Regulationsweise: Anstelle stabiler,
verbindlicher juristischer Regulierung in Gesetzen (oder
internationalen und
privatrechtlichen Verträgen), die der fordistischen
Regulationsweise entsprachen, tritt „new governance“, mit dem Lissabon –Prozess 2000 EU-
weit verbindlich gemacht. Das ist die offene Methode der Koordinierung
mehrerer
Ebenen. Zielverabredungen, Pilotprojekte, normsetzende
Vergleiche (wie bei PISA), benchmarking, ranking-Listen, „naming
und
shaming“, Controlling und Leitbilder, Ziel-
und
Leistungsvereinbarungen (contracte) und
Neues
Steuerungsmodell stellen diese postfordistische
Regulationsweise dar. WTO, EU, OECD (PISA!!) forcieren dies (GATS,
TRIPS,
Dienstleistungsrichtlinie der EU)– im Sinne Gramscis kann man es als
« passive
Revolution » bezeichnen. Die Schlüsselbegriffe sind
Dezentralisation,
Deregulierung, Gewinn subjektiver Freiheit, Eigenverantwortung, Markt
und
Konkurrenz.
11. Damit wird gesellschaftspolitisch die „Ökonomisierung des Selbst“ verankert: Employability (Beschäftigbarkeit), Entrepreneurship (Selbst- Unternehmertum), Adaptability (Anpassungsfähigkeit) – siehe Schröder/Blair/Giddens/Hombach- sind die Leitziele, gleichermaßen für die Sozial-, Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik.
Chancengleichheit wird umgedeutet: gleiche Chancen beim Zugang, nicht
im
Ergebnis. Das rückt den Blick weg von der Emanzipation der Klasse
hin zum
Individuum und seiner bestmöglichen
Ausstattung für den Markt. Das Ziel, strukturell gleiche
Lebenschancen
herzustellen, wird ersetzt durch individualistische Instandsetzung des
Individuums für die Marktkonkurrenz. Da sind soziales Lernen,
kulturelle und
musisch -ästetische Bildung nur
ineffektiver Ballast.
Ergänzend kommt hinzu, die Funktion der öffentlichen Bildung
auf die Auskühlung
weitergehender Ansprüche („to cool out the
kids“) durch Interpretation sozialer
Unterschiede als
Leistungsunterschiede und die Aufrechterhaltung eines Minimums an
Kohäsion in
der Gesellschaft (das ist etwas anderes als Solidarität) zu
konzentrieren.
12. Wertet man internationale und nationale Erfahrungen mit
Privatisierungspolitik aus, wie es auf
den Europäischen Sozialforen regelmäßig geschieht und
eine Studie der R.
Luxemburgstiftung nachweist, so lassen sich 10 verschiedene
Privatisierungsstrategien
erkennen. Sie werden nicht immer gleichzeitig, nicht in einer
bestimmten
Reihenfolge und z. T. gemischt oder gebündelt angewandt.
1. Abbau des individuellen Rechtsanspruchs auf
Bildung
(Menschen- und Grundrecht), zuerst Koppelung an deren Bezahlbarkeit,
dann
private Zuzahlung, zum Schluss: Ersetzung durch das Handelsgut
Bildung).
Bildung wird zur Ware.
2. Privatisierung der Kosten, die bisher der Staat
(Bund,
Länder, Kommunen) aus Steuern getragen hat: Kita-
Gebühren, Lehr- und Lernmittel (Büchergeld),
Studiengebühren, Kosten für Schwimmunterricht, Nachhilfe.
3. Sponsoring: Einwerbung von Mitteln durch die
Einrichtung,
Schule usw. selbst – bei gleichzeitiger Reduzierung der zur
Verfügung
gestellten Personal- und
Sachmittel seitens des Staates.
4. Outsourcing, d. h.
Ausgliederung von Teilbereichen oder Hilfsfunktionen an Privatfirmen
(Reinigung, Kantinenbetrieb, Hausmeisterdienste, Management
von Gebäuden, Renovierungen, Neubauten, Personalakquisitation
und Verwaltung, Testen, Schulentwicklung, Beratungsdienste.
5. Umwandlung von Schulen und Bildungseinrichtungen in Stiftungen
öffentlichen
Rechts oder Landes- oder Kommunalbetriebe mit der Folge, dass Haushalt,
Organisation und Geschehen unter Geschäftsgeheimnis fallen und
parlamentarischöffentlicher Kontrolle und Einwirkung entzogen sind
(und Kredite
nicht mehr
unter Landes- oder Kommunalschulden fallen).
6. Schrittweise Atomisierung des staatlich regulierten Bildungswesens,
indem es
in kleinere, selbständig agierende Einheiten zerlegt wird. Deren
personelle und
finanzielle Ausstattung zur Administration (Finanz- und
Personalverwaltung),
Fortbildung, Evaluation, Programmentwicklung und Perspektivplanung wird
bewusst
klein gehalten. Einmal aus Kostenersparnisgründen
(Selbstverwaltung des
Mangels), zum anderen auch, um Outsourcing
zu
erleichtern. Fortbildung Programmentwicklung und Planung wird an
aushäusige und
(private) Institute ausgelagert, die Administration an dafür
besser
ausgebildete Fachleute vergeben und
die Evaluation an Testfirmen oder Zertifizierungsagenturen verlagert.
Die
vielfach geforderte größere pädagogische Autonomie wird
in eine administrative
Autonomie umgebogen – und somit reif als Einfallstor für
Privatisierungen.
7. Verkauf und Eigentumsübertragungen ganzer Einrichtungen und Schulen und Weiterführung in privater Regie
8. Public-Private-Partnership (PPP), das
heißt ein schrittweises Eindringen
in die staatliche Verantwortung
mit dem Ziel, auch die staatlichen Anteile nach und nach
übernehmen und den Staat ganz ersetzen zu können. Dabei
werden alle
Zwischenschritte kreativ und mit langem Atem beschritten, sei es, dass
man mit
den
vorhandenen Lehrkräften erst einmal weiterarbeitet, sei es, dass
man sich die
staatliche Finanzierung als Sockel erhält. (Beispiele: berufliche
Schulen in
Hamburg, Gebäudemanagement, Sponsoring, Schulen ans Netz)
9. Cross- Border- Leasing: Das ist der sofortige
Verkauf an
einen ausländischen Großinvestor bei gleichzeitiger
Zurückmietung für 20- 30
Jahre, wobei der
Investor im Mutterland Steuervorteile nutzt. Der Mieter verpflichtet
sich
außerdem, für Werterhaltung und ggf. Schadensersatz bei
Änderungen der
Steuergesetze
zu sorgen. Die vertragliche Abwicklung erfolgt nach ausländischem
Recht und
nichtöffentlich. Die Verträge haben 800 – 1200 Seiten. Das
ist bisher im
Bildungsbereich noch nicht bekannt geworden, aber bei Müllabfuhr,
Verkehrs-Betrieben, Stadtwerken und im Wohnungswesen häufig.
10. Auf internationaler Ebene werden die Rahmenbedingungen
verändert (WTO, EUDienstleistungsrichtlinien,
GATS, TRIPS): staatliche
Regulation wird ersetzt oder abgebaut, Steuerfinanzierung als
Subvention
deklariert, Bildung zur Ware. Private Anbieter werden international
zugelassen.
13. Da in verschiedenen Bereichen schon seit 25 Jahren Privatisierungen
laufen,
sind die Folgen ablesbar:
• Massiver Arbeitsplatzabbau, Verlust an Arbeitsplatzsicherheit (zur Zeit auch ablesbar hierzulande am
Weiterbildungs- und Kitabereich, die ja
stark privatisiert sind)
• Lohnsenkung und Kurzarbeit
• Nach anfänglicher Preissenkung wieder Preiserhöhung (z.B. Energie in der BRD, England, Transportwesen in Schweden)
• Qualitätsverschlechterungen (z. B. Wasser, Verkehr und Bildung
in
England), Normierung auf niedrigem Niveau (Bildung in England)
• Soziale Polarisierung (z. B. Schulwesen in England, USA) und Exclusion (u. B. Ausschluss ganzer Dörfer
von der
Wasserversorgung „weil es sich nicht
lohnt“, Frankreich). Autonomie produziert Ungleichheit.
1. Die Privatisierungspolitik bewirkt auch eine andere Rolle für
die PädagogInnen: Organisator des
Selbstvermarktungsprozesses,
Wahrer der Ökonomisierung,
Zertifizierer (um die skill-points
in die EU-Skill-Card anstelle der
Zeugnisse
einzugeben) und Selektionsagent (Tester). Der ganzheitliche,
humanistische
Anspruch ist nur teurer Kostenfaktor und bleibt ebenso wie der emanzipative Anspruch auf der Strecke.
Lehrerarbeit wird taylorisiert
(Arbeitszeitmodell) und wie beim Pflegedienst minutenweise
abgerechnet und entlohnt sowie zertifiziert
und auf Zeit lizensiert..
2. Über Privatisierungspolitik im Bildungsbereich sprechen
heißt auch, die
Rolle der Bertelsmann- Stiftung zu kritisieren. Denn der
Bertelsmannkonzern
liefert mit seiner Bertelsmann-Stiftung (BS) ein neoliberales
Ordnungskonzept
zum totalitären Umbau des Bildungssystems, das eine technokratisch-nachholende
Modernisierung verspricht, größere Freiheit der Akteure
verheißt, das
Bildungsprivileg rettet und zementiert und soziale Konflikte und
Verwerfungen
kanalisiert. Aber mehr noch: Es vereinheitlicht durch die Methoden der
offenen
Koordinierung- die beim Lissaboner
EU-Gipfel
verabredete neue Regierungs“technik“- ,
durch Norm setzende Vergleiche (bench-marking),
permanentes Ranking, Prozess begleitende personelle indirekte Leitung
(Projektleitung), publizistische Unterstützung
(Veröffentlichungen und Filme
von best-practise- Beispielen),
Verträge mit
Landesregierungen und entsprechender Bindung von Kommunal- und
Landesmitteln an
seine Projekte, geschickte personelle Verflechtungen zwischen BS und
Hochschulen, Bildungsverwaltungen und anderen Stiftungen (Hans-Böckler,
Friedrich-Ebert, Heinrich-Böll, Friedrich -Naumann,
Adenauer und Hans-Seidel, Club of Rome)
sowie Medien-
und Industrie- Unternehmungen sowie erziehungsund
bildungswissenschaftlicher Publizistik die deutsche Bildungslandschaft.
Die
föderale Struktur Deutschlands, gerade in der
Föderalismusreform I für den
Bildungsbereich bekräftigt, und der Zug zur Dezentralisierung, zur
Verselbständigung von Schulen und Hochschulen, erleichtert der BS
das
Eindringen in das Bildungssystem. Da der Bertelsmann-Konzern als Global
Player auch an den Verhandlungen über
das GATS im Rahmen
der WTO und die EU-Richtlinien direkt beteiligt ist, ist die
Synchronisation
seiner Bildungspolitik mit den internationalen bildungspolitischen
Entwicklungen gesichert
3. Aus alledem ergibt sich die dringende Notwendigkeit, dass die LINKE
dieser
Entwicklung Widerstand entgegensetzt und dies in die
Anti-Privatisierungskampagne einbezieht. Zu beginnen ist
zweckmäßigerweise
damit, eine erste Bilanz zu erstellen. Dabei fangen wir nicht bei Null
an:
Einige von uns arbeiten in bestehenden Netzwerken mit: ppg@lists.rosaluxemburgstiftung.de
Anti- Bertelsmann- Netzwerk International Network
against Privatisation
in Education im Rahmen des ESF. Auch die
GEW hat diese
Thematik aufgegriffen und in drei Dokumentationen Material
zusammengestellt:
Privatisierungsreport 1, 2, 3 Nicht unbescheiden darf ich auch auf
Veröffentlichungen von mir hinweisen:
1. Bertelsmann macht Schule- in „Wernicke/Bultmann
(Hrsg.) „Netzwerke der Macht- Bertelsmann“, BdWi-
Verlag 2007
2. Die Bildungsmärkte der Wissensgesellschaft-Public-Private-Partnership
an Schulen- in „Bittlingmayer/Bauer (Hrsg.)
„Die Wissensgesellschaft – Mythos,
Ideologie oder Realität?“, VS- Verlag 2006
3. Privatisierung im Bildungswesen: Bildung zukünftig vom
Geldbeutel abhängig?
In Marxistische Blätter, letztes Heft
Für den Bildungsbereich sind auch die folgenden kritischen Werke
von Belang:
1. Hauschild- „Privatisierung – Wahn und Wirklichkeit“, VSA-Verlag 2004
2. W. Rügemer
„Privatisierung in Deutschland – eine Bilanz“, V. Westf.
Dampfboot
2005
3. W. Rügemer „Cross-Border-Leasing“, V. Westf.
Dampfboot 2004
4. B. Dickhaus/R.Dietz
“Dienstleistungen unter Privatisierungsdruck – Folgen in
Europa”, Rosa Luxemburg Stiftung