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OBERHESSISCHE Zeitung (Alsfeld) vom 25. Juli 2005 • Seite 15

„Ein Landkreis kann nicht Pleite gehen"

Öffentliche Hand als Auftraggeber für heimische Betriebe: Thema beim CDU-Arbeitskreis „Wirtschaft"

EUDORF (pcf). Die öffentliche Hand als Auftraggeber für die heimischen Betriebe hatte sich der „Arbeitskreis Wirtschaft" der Vogelsberger CDU bei seiner ersten öffentlichen Veranstaltung zum Thema gewählt. Am Freitagabend diskutierten die Konservativen im Eudorfer Hotel „Zur Schmiede" mit Rudolf Marx, dem Landrat aus ihren eigenen Reihen, über die Wirtschaftslage in der Region.

Marx blickte zuversichtlich auf die Situation des Vogelsbergkreises: „In den letzten Jahren haben sich viele Bereiche zum Positiven entwickelt." So liege die Arbeitslosigkeit unter dem Landesdurchschnitt - „obwohl sie natürlich immer noch viel zu hoch ist". Doch dies sei in erster Linie ein Problem der Bundespolitik. Neben dem Arbeitsmarkt gebe auch die Wirtschaftskraft wenig Anlass zu Klagen: „Die Kaufkraft ist hier nicht viel schlechter als in Fulda", rechnete der Christdemokrat seinen Parteikollegen vor.

Allerdings habe der ländlich geprägte Kreis von Natur aus mit besonderen Belastungen seines Haushalts zu kämpfen. So schlage vor allem die geringe Bevölkerungsdichte des hessenweit am dünnsten besiedelten Kreises negativ zu Buche: „Wir haben hohe Kosten, um das umfangreiche Straßennetz zu erhalten und die Schulen in der Fläche zu finanzieren." Eine Haushaltsführung wie „früher, als mit vollen Händen ausgegeben wurde, ist nicht mehr möglich - wir müssen heute viel wirtschaftlicher arbeiten". Entlastend wirkten sich dabei die Mittel der „Gemeinschaftsaufgabe" aus, mit denen das Land Hessen auch dem Vogelsbergkreis unter die Arme greift.

Mit Kritik bedachte der Landrat die in seinen Augen zu skeptische Einstellung der Bevölkerung zur ökonomischen Situation des Kreises: „Viele Vogelsberger jammern immer, wir seien ein furchtbar strukturschwacher Kreis. Dabei haben wir viel zu bieten, wir wissen es oft nur nicht!" So gebe es in der Region ein sehr gutes Bildungsangebot; mit Gießen und Marburg lägen darüber hinaus zwei Universitäten direkt vor der Haustür. „Da kann ich es nicht verstehen, wenn wir unseren jungen Leuten einreden, sie hätten hier keine Zukunft." Es gebe im Kreisgebiet „viele tolle Firmen, die weltweit ihre Produkte vermarkten und in denen man sehr gut ausgebildet werden kann."

Marx betonte die Bedeutung des insgesamt über 100 Mio Euro umfassenden Kreishaushalts, mit dem Sozialleistungen ebenso finanziert würden wie Schulbauten, für die heimische Wirtschaft. „Man darf das nicht so sehen, als würden diese Ausgaben einfach verpuffen. Sie schaffen auch jede Menge Kaufkraft in der Region." So blieben etwa die Personalkosten als Gehälter im Kreis, auch ein Großteil der Ausgaben für Baumaßnahmen komme heimischen Betrieben zu Gute: „Es ist ganz vielfältig, was aus dem Kreishaushalt in die Region zurückfließt. Denn eine Ausgabe der öffentlichen Hand ist auf der anderen Seite immer auch eine Einnahme für jemand anderen - diese Gelder fließen also in den großen Kreislauf zurück."

Kontrovers wurde die Diskussion bei der Frage, wie stark öffentliche Auftraggeber die Unternehmen vor Ort fördern sollten. Während ein Mitglied forderte: „Die Arbeit, die hier anfällt, muss auch von den hiesigen Betrieben erledigt werden", war das anderen Vogelsberger Christdemokraten zu protektionistisch. Landrat Marx betonte: „Es muss schon reell zugehen bei der Auftragsvergabe. Da muss es faire Preise geben." Man dürfe nicht im Vorhinein alle konkurrierenden Betriebe ausschließen, „schließlich wollen unsere Handwerker auch in anderen Landkreisen einen Fuß auf den Boden kriegen." Gleichwohl gelte es, die heimische Wirtschaft stärker als bisher zu unterstützen, forderte eine Parteikollegin von Marx: „Man hat bei der Ausschreibung schon Gestaltungsspielräume, und die sollte man auch nutzen."

Thema waren auch neue Finanzierungsmodelle wie die „Private Public Partner-ship" (PPP), bei der ein privater Investor im Auftrag einer Kommune komplette Baumaßnahmen durchführt. „Dieses Modell ist auf den ersten Blick hochinteressant", sagte Marx. „So etwas wird gern gemacht, wenn die Lage sich wie im Moment bei uns gestaltet, 'wenn also wenig Geld da ist und der Kreis unter strenger Aufsicht des Regierungspräsidiums steht." Langfristig betrachtet beurteilte der Landrat dass PPP-Konzept jedoch skeptisch: „Anfangs mag es gehen, aber auf lange Sicht hat man Unsicherheit. Man weiß gar nicht, wie lange eine solche Firma überhaupt existiert." In diesem Punkt sei er eher auf Sicherheit bedacht und wolle die Verantwortung in öffentlicher Hand behalten: „Ein Landkreis kann nicht Pleite gehen."