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Privatisierung macht Schule

 Landkreis Offenbach gibt Gebäudemanagement an Firmen

Eines der größten Public-Private-Partnership-Projekte in Deutschland mit einem Auftragsvolumen von insgesamt einer Milliarde Euro steht unmittelbar vor dem Abschluss. Im Landkreis Offenbach soll das Gebäudemanagement sämtlicher Schulen in private Hand gehen.

VON FRANK W. METHLOW

Offenbach · 27. Februar · "Wir sind pleiter als pleite", stellt der Landrat des Kreises Offenbach, Peter Walter (CDU), lapidar fest, wenn er auf die Haushaltslage angesprochen wird. Mit einem Haushaltsloch von 22,9 Millionen Euro im laufenden Jahr unterscheidet sich Offenbach zwar nicht wesentlich von den meisten Kreisen in der Republik. Walter jedoch hat bereits frühzeitig versucht, "Strukturen zu verändern". Die Übergabe der beiden subventionsträchtigen Kreiskliniken in private Hände war einer seiner ersten Schritte in diese Richtung.

Was jetzt ansteht, hat Dimensionen, die den Landkreis zum bundesweiten Pilotprojekt werden lassen und dem Landrat eine rege Vortragstätigkeit zwischen Flensburg und Oberstdorf bescheren. Das Facility-Management (FM) der 101 Schulen des Kreises soll in zwei Schritten noch in diesem Jahr im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projekts (PPP) an private Unternehmen übergeben werden. Die Verträge für den westlichen Teil des Kreises mit 43 Schulen sind unterschriftsreif und sollen am 18. Mai vom Kreistag abgesegnet werden. Der Ostkreis mit 58 Schulen soll noch in diesem Jahr folgen.

Die Zahlen, die sich hinter dem Deal verstecken, sind beeindruckend. In den 101 Schulen an 88 Standorten werden derzeit 42 000 Schüler unterrichtet. Die Gebäude umfassen eine Nettogeschossfläche von 481 000 Quadratmeter. Direkt oder indirekt sind damit 113 Hausmeister, 131 Sekretärinnen, 50 Leute der Fachdienste, zuständig etwa für kleine Reparaturen, sowie weitere 282 Personen beschäftigt, die den Verwaltungshaushalt des Kreises im Jahr 2002 mit 23,2 Millionen Euro belastet haben. Seinen Job soll niemand verlieren, die Hausmeister und etwa 20 Personen der Fachdienste werden von den privaten Partnern übernommen, der Rest bleibt beim Kreis beschäftigt.

Mangels Geld ist ein Sanierungsstau von geschätzten 200 Millionen Euro aufgelaufen. Die Schulen befinden sich in teils erbarmungswürdigem Zustand und verlieren rapide an Substanzwert. In dieser Situation startete Landrat Walter eine europaweite Ausschreibung und suchte für die beiden Teile des Kreises einen privaten Partner, der sich mit 94,9 Prozent für 15 Jahre an einer gemeinsamen Gesellschaft beteiligen sollte. Die Kernforderungen: Sanierung der Schulen innerhalb von fünf Jahren sowie das Facility-Management für 15 Jahre. Die vom Vertragspartner zunächst aufzubringenden Aufwendungen für Bewirtschaftung, Unterhaltung und Investitionen werden auf 530 Millionen Euro bis 2010 geschätzt.

Das Ergebnis der Ausschreibung war für den Kreis nur teilweise zufrieden stellend. Der einzig verbliebene Bieter für den östlichen Kreis musste ausscheiden, weil er "die Mindestanforderungen nicht erfüllen konnte". Hier wurde neu ausgeschrieben. Beim westlichen Teil hat sich der Kreisausschuss für einen Partner entschieden - der acht Ordner umfassende Vertrag regelt bis ins letzte Detail die zu erbringenden Leistungen. So wurden etwa sämtliche Reaktionszeiten festgelegt: Das Auswechseln einer Glühbirne darf nicht länger als einen Tag dauern. Für sämtliche Liegenschaften wurde ein genauer Zustandsbericht erstellt.

Wer den Zuschlag erhalten hat, wird mit Rücksicht auf die EU-Ausschreibungsvorschriften wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Nach Informationen der FR soll es sich um die SKE Facility Management Services in Mannheim handeln. Das Unternehmen gehört zur gleichnamigen Gruppe, in der neben Baufirmen weitere branchentypische Dienstleister zusammengefasst sind. SKE arbeitet bereits seit 25 Jahren als FM-Anbieter und ist längst auch international tätig. Hinter SKE steht der französische Großkonzern Vinci, ein Global Player, der über seine 65-Prozent-Tochter, den französischen Autobahnbetreiber Cofiroute, mit zehn Prozent neben Daimler-Chrysler und der Telekom auch am Toll-Collect-Konsortium und damit an der gescheiterten Maut-Einführung beteiligt ist.

Mit einer Forderung von rund 450 Millionen Euro für die Schulen des westlichen Kreises soll SKE die Konkurrenz auch namhafter deutscher Großunternehmen erheblich unterboten haben. Weiterhin soll sich SKE jetzt auch noch um die restlichen 58 Schulen bemühen, für die die Ausschreibung im April endet. Das bisher erworbene Wissen und die Kontakte dürften hilfreich sein, auch hier den Zuschlag zu bekommen.

Beobachter gehen davon aus, dass der Preis SKE den bundesweiten Einstieg in die Schulbewirtschaftung sichern soll. In der Branche wird kalkuliert, dass von den rund 40 000 Schulen in Deutschland etwa 20 Prozent über PPP betrieben werden könnten. Ein weiterer Grund für den Tiefpreis könnte sich hinter dem Umstand verstecken, dass SKE sein Geld in Deutschland bisher hauptsächlich mit Liegenschaften der amerikanischen Streitkräfte gemacht hat - ein Feld, auf dem Expansion kaum möglich ist.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 27.02.2004 um 18:01:04 Uhr
Erscheinungsdatum 28.02.2004