Dietzenbach. Der Landkreis Offenbach hat gestern «das größte Schulsanierungsprojekt in der gesamten Bundesrepublik gestartet», verkündet Landrat Peter Walter (CDU) stolz. «Public Private Partnership (PPP)» heißt das Zauberwort, mit dem der Kreis seine 90 Schulen schnell modernisieren und dabei 179 Millionen Euro sparen will.
«Bei der Analyse unserer Schulen haben wir einen enormen Sanierungsstau festgestellt. Um den abzuarbeiten, hätten wir 25 Jahre gebraucht», berichtet Walter. Da ein modernes Lernumfeld die Leistung der Schüler aber erwiesenermaßen erheblich steigere, sei dem Kreis dieser Zeitraum zu lang gewesen. So sei während der vergangenen drei Jahre die PPP-Idee entstanden.
Gestern stellte der Landrat die Details vor: Zwei private Unternehmen sollen während der nächsten 15 Jahre die Schulen sanieren und unterhalten. Für den Ostkreis bekam der Essener Baukonzern Hochtief den Zuschlag, um den Westkreis kümmert sich die Firma SKE Facility Management Services aus Mannheim. Der Kreis zahlt jährlich rund 52 Millionen Euro an die Konzerne, die im Gegenzug wollen sie alle Schulgebäude innerhalb von fünf Jahren sanieren. «Wir treten hier in Vorleistung, was über die Raten der folgenden Jahre refinanziert wird», erklärt Bernward Kulle, Geschäftsführer der Hochtief Projektentwicklung GmbH.
Mindestens genauso wichtig wie das Sanierungs-Tempo sind für den Kreis jedoch die Einsparungen, die sich aus den Verträgen ergeben. Nach Berechnungen der Berliner Beratungsdienste (BBD) ist die Sanierung und Instandhaltung der Gebäude durch die Unternehmen knapp 179 Millionen Euro billiger als durch den Kreis selbst. Die um 18,6 Prozent geringeren Kosten ergeben sich «aus der Partnerschaft mit der öffentlichen Hand, weil sich bei PPP jeder auf seine Kernaufgaben konzentriert», erläutert Hochtief-Vorstandsmitglied Herbert Lütkestratkötter. Sein Konzern könne flexibler zwischen höheren Investitionskosten und sich daraus ergebenden niedrigeren Unterhaltungskosten abwägen als der Kreis, der an die Trennung von Vermögens- und Verwaltungshaushalt gebunden sei. Außerdem müsse nicht jeder Auftrag einzeln öffentlich ausgeschrieben werden, und Hochtief könne alle Leistungen aus einer Hand anbieten. Dennoch wolle man mit regionalen Handwerksbetrieben zusammenarbeiten.
Zur Unterhaltung der Gebäude wollen die Konzerne etwa 120 Hausmeister und andere Kreis-Mitarbeiter zu gleichen Bedingungen übernehmen.
«Ich bin mir sicher, dass dieses Modell Schule machen wird», sagte Walter und verwies darauf, dass schon mehr als 100 Anfragen bei ihm eingegangen seien.
Auch das Land Hessen steht PPP-Projekten «sehr positiv gegenüber», stellt Jürgen Harrer, Sprecher des hessischen Finanzministeriums fest. Das Land wolle künftig selbst solche Modelle angehen. Erfahrungen zeigten, dass Immobilienprojekte in Kooperation mit privaten Unternehmen um etwa 20 Prozent günstiger seien, als wenn der Staat selbst baue. Daher suche eine Arbeitsgruppe aus den vom Land geplanten Bauprojekten geeignete PPP-Pilotmodelle aus. Darüber hinaus werde Hessen 2005 ein Competence-Center für PPP-Projekte errichten.
Dass es auch andere Wege gibt, aus der Falle öffentlicher Armut zu entkommen, zeigt eine Entscheidung des Landkreises Bergstraße, wo am Dienstag eines von zahlreichen Sale-and-lease-back-Projekten auf den Weg gebracht wurde. Dabei beschloss der zuständige Ausschuss des Kreises ein Finanzierungsmodell für die 75 Schulen der Kommune, wonach gegen die Übertragung von Erbbaurechten an die Immobilienleasing-Tochter der Deutschen Bank in den nächsten zwölf Jahren 224 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen in Schulneu- und ausbauten an die Kreiskasse überwiesen werden. Da rührt es Landrat Matthias Wilkes (CDU) auch kaum, dass die Bank dadurch erhebliche Steuervorteile geltend machen kann: «Dann müsste man mal gegenrechnen, was an Steuern zusätzlich hereinkommt, wenn die Handwerksbetriebe aus der Region von unseren Aufträgen profitieren.»
Solche «Sale-and-lease-back»-Geschäfte sind der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge, weil dabei ein Steuerschlupfloch ausgenutzt wird: Geldvermögen wird gegen Immobilienvermögen umgetauscht, was steuerlich begünstigt ist. Die hessische Landesregierung hatte darum gebeten, dieses «Schlupfloch» auf Bundesebene zu stopfen, so Harrer. Das Bundesfinanzministerium habe darauf verwiesen, dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hierzu anstehe und man vorher keine Änderung vornehmen wolle.
© 03.11.2003 Frankfurter Neue Presse