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Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz

(„Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“)

oder:

Wie in parteiübergreifendem Konsens die politische Elite das Tempo der von der Wirtschaft geforderten >Entstaatlichung< erhöht, damit die Staatstätigkeit als Instrument zur Steuerung des gesamtgesellschaftlichen Gemeinwohls verrät und eigentlich originäre Aufgaben der öffentlichen Hand der profitorientierten Privatwirtschaft  überlässt

Hans-Georg Bodien

Einleitung

Unser Staat ruht auf vier, nach unserem Grundgesetz gleichrangigen Säulen:

Demokratie.  Sozialstaatlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit.

Seit drei Jahrzehnten sind jetzt neoliberal berauschte Eliten aus Wirtschaft und Politik dabei – ihrem fanatischen Credo > mehr Markt, weniger Staat, Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung folgend< - , die Säulen Sozialstaatlichkeit und Demokratie mit dem Presslufthammer zu traktieren. Die Konsequenzen sind auf der einen Seite schmerzhafte Einschnitte in die Sozialversicherungen, massive Einschnitte in Arbeitnehmerrechte und Massenarbeitslosigkeit, verbunden mit einem steilen Anstieg der Armut, und auf der anderen Seite eine rasante Vermehrung des Reichtums weniger. Weiter ist als Folge dieser Politik ein dramatisches Einbrechen der Steuereinnahmen und damit verbunden ein gigantisches Anwachsen der Staatsverschuldung zu verzeichnen (1,46 Billionen EURO, die daraus resultierende Zinslast beträgt ca. 67,6 Milliarden EURO. Nutznießer dieser Situation sind besonders die vermögenden Bevölkerungsschichten, die als Gläubiger des Staates auftreten).

 Über wahnwitzige Geldbeschaffungsmaßnahmen auf der Grundlage der Beihilfe zum Steuerentzug versucht die öffentliche Hand der finanziellen Mangelsituation zu entfliehen. Cross-Border-Leasing-Deals (CBL) mit irrsinnig langen Vertragslaufzeiten (häufig 99 Jahre) -  und noch nicht abzuschätzenden Folgen für den Steuerzahler einer Reihe großer Städte -  sind dafür ein erschreckendes Beispiel.

 Ein weiteres fragwürdiges Geldbeschaffungsmodell ebenfalls auf der Basis der Beihilfe zum Steuerentzug – welch Defizit an Gesamtverantwortung für unser Gemeinwesen -  sind die Sale-and-lease-back-Geschäfte (SLB) der öffentlichen Hand.

Seit geraumer Zeit heißt nun die Zauberformel für die Lösung öffentlicher Finanznot ÖPP oder PPP. Darunter ist offiziell die Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure beim Planen, Bauen, Finanzieren, Sanieren, Instandhalten und Bewirtschaften öffentlicher Infrastruktur wie Schulen, Turnhallen, Verwaltungsgebäude, Straßen, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Müllentsorgung, Krankenhäuser u.ä. zu verstehen. ( Hier sollte schon einmal erwähnt werden, dass längst private Dienstleister in den Startlöchern stehen, die die Übernahme von Verwaltungsaufgaben anstreben. Zu nennen wäre hier der Dienstleistungskonzern Arvato, eine Bertelsmann – Tochter. Arvato tritt mit dem Slogan auf, Auswüchse der Bürokratie zu beseitigen, und hat in Großbritannien bereits die Verwaltung in der Gemeinde Bast Riding (350000 Einwohner)übernommen.

So sieht Rolf Buch, Vorstandsmitglied des Dienstleistungskonzerns Arvato, im Dienstleistungsgeschäft mit der öffenlichen Hand einen schlafendenden Riesen und rechnet mit den ersten Gehversuchen im Inland in zwei bis drei Jahren.Quelle: Mindener Tageblatt vom 16.02.05).

Die Ö(P)PP-Modelle beruhen auf einem gemeinsamen Konzept von Bund, Ländern und besonders der Bauwirtschaft. Einen eifrigen Verfechter dieser Modelle finden wir seit Jahren in Gerhard Schröder, dem Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl am 18.September 2005, dem Ex-Kanzler der rot-grünen Koalition und erklärten Merkel – Wähler am 22. November 2005 und dem Berater des größten Verlagshauses(Ringier) der Schweiz (aktiv ab Januar 2006). So wirbt die Hannover Leasing GmbH und Co. KG  bereits im Juli 02 mit einer Äußerung Schröders , nach britischem Vorbild werde man künftig stärker mit der Privatwirtschaft beim Bau, der Sanierung und Bewirtschaftung von Schulen, Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern u.ä. zusammenarbeiten. Folgerichtig hat dann auch im Herbst 2003 der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stolpe den Zuschnitt des Steuerrechts auf Ö(P)PP gefordert.

Am 8.September 2005 ist nun das ÖPP-Beschleunigungsgesetz in Kraft getreten (am 30.06.05 vom Bundestag bei wohlwollender Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und FDP beschlossen und am 8.Juli 05 vom Bundesrat durchgewunken). Die SPD-Bundestagsfraktion reklamiert es als ihr Projekt. So heißt es dazu auch in einer überschwänglichen  Erklärung der SPD-MdBs und Mitglieder der Projektarbeitsgruppe „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ Ludwig Stieler, Klaus Brandner und Michael Bürsch vom 07.09.05:

„Beim Gebühren-, Vergabe-, Steuer- und Haushaltsrecht sowie bei den Finanzierungsbedingungen hat das ÖPP-Beschleunigungsgesetz jetzt gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, die Hemnisse und Unklarheiten beseitigen, die die Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) in Deutschland bisher erschwert haben.“

 Schlichter ausgedrückt bedeutet dies nichts anderes, als dass das Gebühren-, das Vergabe- und Vertragsrecht, das Steuer- und Haushaltsrecht zugunsten privater Investoren für ÖPP-Deals passend gemacht wurde.

Zur Entstehung des Gesetzes (Quelle:SPD >dokumente Nr.03/05)

Hierzu wurde von der Bundestagsfraktion der SPD  extra eine Projektarbeitsgruppe „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“ mit fünf Kompetenzgruppen installiert. Die Leitung  hatte MdB Dr. Michael Bürsch. Eine riesige Armada von internen und externen Beratern wurde herangezogen, darunter besonders Vertreter verschiedener, teilweise weltweit agierender Unternehmensberatungs-, Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Finanzierungsgesellschaften und Großkanzleien.  Beteiligt waren:

Die PPP-task force im Bundesministerum für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen mit ihren Vernetzungen in die entsprechenden Landesministerien von NRW und Rheinland-Pfalz
Mit task force wird im Englischen beim Militär eine Spezialeinheit zur Erledigung einer besonders schwierigen Aufgabe und bei der Polizei eine Gruppe von Spezialisten für die Bekämpfung besonders schwerer Kriminalität bezeichnet. Die PPP-task force ist in Anlehnung daran also ein ministerielles Spezialteam mit besonderem Auftrag, der darin besteht, privatem Kapital den direkten Zugriff auf eigentlich öffentliche Aufgaben zwecks Gewinnmaximierung zu ermöglichen.

Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Berlin

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin

Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Berlin
Diese Gesellschaft gehört zu 100% dem Bund.

Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands, Berlin

Landesbank Hessen-Thüringen
Die HELABA gehört zu 85% den Sparkassen Hessens und Thüringens, zu 10% dem Land Hessen und zu 5% dem Land Thüringen. Sie hält 50% der Anteile an der Hannover Leasing GmbH.& Co.KG. mit Sitz in Bayern.

Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb mbH, Köln
(Diese Gesellschaft ist ein Unternehmen des Bundesverteidigungsministeriums; hier sitzen also die Privatisierungsspezialisten im Bereich der Bundeswehr).

Bundesverband Deutscher Banken, Berlin

Verband deutscher Hypothekenbanken, Berlin

 BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Berlin

BWS  GmbH, Freiburg

PricewaterhouseCoopers, Frankfurt

KPMG,Berlin und KPMG Corporate Finance, Frankfurt
Der Beratungs-Multi ist in 142 Ländern vertreten. Er ist laut Eigenwerbung >die weltweit größte Organisation  im Bereich professionelle Dienstleistung<. Auch heißt es auf der Webseite der KPMG – Deutschland : „ ... KPMG bietet Ihnen hochwertige Beratung für die Optimierung Ihrer Steuerbilanzpolitik....Die globale Präsenz hilft Ihnen beim Erkennen steuerlicher Fallstricke – und natürlich auch der Gestaltungsspielräume – in aller Welt...“(Quelle: Hans Weiss / Ernst Scmiederer , Asoziale Marktwirtschaft (Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern), Köln 2005)

Westdeutsche Kommunal Consult GmbH (Sie ist eine 100% Tochter der WestLB)

NORTON ROSE, Brüssel

VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH, Berlin

Serco GmbH&CO.KG, Bonn
Dieses Unternehmen ist auch tätig für das Land Hessen in der ersten teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünfeld.

Linklaters Oppenhoff&Rädler, Berlin

Hammonds, Berlin

Freshfields Bruckhaus Deringer, Hamburg

Servatius Rechtsanwälte, Hamburg

 Clifford Chance, Frankfurt

 Deloitte & Touche, München.

Nach Auskunft aus der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und dem BMVBW sollen die externen Berater keine Kosten verursacht und nur ihren Sachverstand eingebracht haben. Dies lässt die Deutung zu, dass sie akquisativ tätig waren in der Gewissheit für lukrative Folgeaufträge.

Zum Gesetz selbst

Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bringt PPP- freundliche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeordnung.

Die Änderung des Fernstraßenbaufinanzierungsgesetzes ermöglicht nun privaten Betreibern beim Ausbau von Bundesfernstraßen die Refinanzierung durch eine private Entgeldregelung.

Die Änderung der Bundeshaushaltsordnung gestattet jetzt die Veräußerung von unbeweglichen Vermögensgegenständen, die zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes weiterhin benötigt werden, wenn auf diese Weise die Aufgaben des Bundes nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können.

Auch ändert das ÖPP- Beschleunigungsgesetz das Grunderwerbssteuergesetz und das Grundsteuergesetz. Die Änderung des Grunderwerbssteuergesetzes sieht die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei der Übertragung von Grundstücken an PPP – Projektgesellschaften vor, solange sie für hoheitliche Zwecke genutzt werden – unter der Voraussetzung einer Rückübertragung am Ende des Vertragszeitraums.

Die Änderung des Grundsteuergesetzes stellt sicher, dass der der  öffentlichen Hand für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen einer ÖPP überlassene Grundbesitz von der Grundsteuer befreit ist. Ohne Bedeutung ist dabei, ob der private Auftragnehmer den PPP – Grundbesitz von der öffentlichen Hand erhalten oder auf dem Grundstücksmarkt selbst erworben hat
(Nach Auskunft aus der SPD-Fraktion strebt man noch eine möglichst schnelle Änderung des Umsatzsteuerrechts (also eine Befreiung von der Umsatzsteuer für PPP-Beteiligte) an, denn die bisherige Regelung diskriminiere die ÖPP- Variante gegenüber der Eigenerstellung durch die öffentliche Hand).

Die Änderung des Investmentgesetzes eröffnet offenen Immobilienfonds den Zugriff auf Beteiligungen an Ö(P)PP – Projektgesellschaften in der Betreiberphase.

Reaktionen

Auf den Webseiten nicht nur der Bauindustrie jubelt man ob der leeren öffentlichen Kassen und freut sich nun auf einen Boom für PPP-Projekte.

Allerdings geht dem Bundesverband der Deutschen Industrie das ÖPP-Beschleunigungsgesetz nicht weit genug. So heißt es in einer Presseverlautbarung von BDI-Präsident Jürgen R. Thumann vom 08.09.05 dazu: „Die nächste Bundesregierung muss das Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) schnell und umfassend voranbringen. Das aktuelle ÖPP-Gesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr aber leider nicht....

Wenn wir solche Privatisierungsmodelle in Deutschland voranbringen wollen, brauchen wir mehr als dieses legislative Feinjustieren. Uns fehlt eine nationale Strategie, mit der wir Vorfahrt für die Privatisierung oder Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen schaffen.“

Und die große Privatisierungskoalition hat ihn erhört (Vergleiche die Koalitionsvereinbarungen „Gemeinsam für Deutschland“, was in diesem Punkt besser „Gemeinsam für das Kapital“ hieße.
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 Zwischenbemerkung: Der ehemalige Ministerpräsident von NRW, Steinbrück(hier bereits ein Verfechter von ÖPP und Verlierer der Landtagswahl als SPD - Spitzenkandidat) und neue Bundesfinanzminister z.B. will bis 2009 Bundeseigentum – hier vor allem Immobilien – im Werte von 54 Milliarden EURO verscherbeln. So war es den Medien zu entnehmen.

Ist dies der Einfluss des Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der als Brachialprivatisierer in Hessen  Landesimmobilien im Rahmen Operation „Sichere Zukunft“ verhökert hat und weitere verkaufen will(Behördenzentrum Ffm., Ministerien, Gerichtsgebäude, Polizeipräsidien etc. mit anschließender Zurückmietung mit Mietverträgen bis zu 30 Jahren; Käufer der landeseigenen Immobilien:  Commerzbank Immobilien GmbH, ein Unternehmen der Commerz Leasing und Immobilien Gruppe )? Was hier noch wichtig ist und Rückschlüsse auf eigenwilliges demokratisches Procedere zulässt : Die Veräußerungen wurden notariell getätigt, noch bevor der Landtag zugestimmt hat. So war es in der Zeitung zu lesen. Weiter bereitet Koch den Verkauf der Universitätskliniken Gießen und Marburg vor - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also im Stile eines feudalen Landesfürsten. Verantwortlich ist er einerseits auch für einen nicht verfassungskonformen Haushalt und eine dramatische Verschuldung Hessens, andererseits hat er aber durch den Ankauf eines Schlosses für über 13 Millionen EURO einem Grafen „den besten Deal seines Lebens“ ermöglicht. Auch ist er hauptverantwortlich für das riesige Finanzdefizit der Hessischen Landkreise, das sich inzwischen auf 1,2 Milliarden EURO beläuft .

Nicht nur in diesem Zusammenhang muss dringend einmal hinterfragt werden, ob die Wahl unserer Volksvertreter gleichzeitig eine Legitimation darstellt, öffentliches Eigentum – also das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger – je nach Bedarf zur Manipulationsmasse zu machen. Ist es nicht vielmehr so, dass die gewählten Volksvertreter (sowohl als Parlamentarier als auch Inhaber eines Amtes) mit der Übernahme ihres Mandates zu Treuhändern des Vermögens der Bürgerinnen und Bürger werden, öffentliches Eigentum also verwalten und vermehren sollen? Es darf nicht sein, dass öffentliches Eigentum einen geringeren  Stellenwert besitzt als Privateigentum, das durch das Grundgesetz einen außerordentlich hohen Schutz genießt. Es ist höchste Zeit, dass die dem Gemeinwohl verpflichteten Volksvertreter auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens sich wieder mit dem öffentlichen Eigentum identifizieren und es garantieren, vor allem auch in Verantwortung für nachwachsende Generationen.
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Auch verhehlen Großkanzleien, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Unternehmensberatungsgesellschaften etc. ihre Genugtuung nicht, eröffnet ihnen doch PPP ein riesiges Geschäft.

Ebenso Seminaranbieter zum Thema Ö(P)PP wittern für sich ein gutes Geschäft. So sehen wir z.B. auf der Seite von >Euroforum Deutschland GmbH<  ein Seminarangebot unter dem Titel > Frischer Wind für Öffentlich-Private Partnerschaften< .

Diese Gesellschaft wirbt für dieses Seminar mit Referenten von  Freshfield Bruckhaus Deringer, Servatius Rechtsanwälte und PricewaterhouseCoopers als Experten aus der Projektarbeitsgruppe „ÖPP- Beschleunigungsgesetz“, die „...die Grundlage des verabschiedeten Gesetzentwurfs geschaffen haben.“ Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Besondere Erwähnung verdient, dass Euroforum Behördenvertretern Sonderpreise für die Teilnahme an ihren PPP-Seminaren einräumt.

 Die IHK(Industrie- und Handelskammer) Frankfurt/M. – die Industrie- und Handelskammern (in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts) sind schlagkräftige Instrumente für privatwirtschaftliche Profitinteressen mit großem Einfluss  auf Gesetzgebung und Kommunalpolitik – sieht in dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz dann auch neuen Rückenwind für Public Private Partnership. So heißt es in einer ersten Stellungnahme dazu, dieses Gesetz  sei „ein weiterer Meilenstein auf einem Weg, der das Entstehen eines finanzträchtigen PPP-Marktes in Deutschland unterstützt.“

Exkurs: ÖPP in der Praxis

Toll Collect ist wohl das bekannteste PPP-Projekt und sicherlich nicht geeignet eine Ptivatisierungseuphorie auszulösen. Als Berater treffen wir hier schon auf die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.

Monheim in NRW und der Landkreis Offenbach sind die bekanntesten PPP-Schulprojekte, die schon lange vor dem ÖPP- Beschleunigungsgesetz vereinbart wurden.

Hier soll nur ein kurzer Blick auf den Landkreis Offenbach mit einem CDU-Landrat geworfen werden, wo seit Oktober 04 bzw. Januar 05 ein solches Projekt läuft.

In einem sogenannten >Betreibermodell< hat man hier die Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen an eine Tochter von >Hochtief< und die > SKE Mannheim< - ein Unternehmen der VINCI-Gruppe Paris – gegeben.> Hochtief< *  und >VINCI< sind weltweitführende Unternehmen in der Bauwirtschaft. Das Gesamtauftragsvolumen liegt bei etwa 800 Millionen EURO. Die Verträge mit einer Preisgleitklausel laufen über 15 Jahre. Der Kreis zahlt über die gesamte Laufzeit ein Nutzungsentgeld von 57 Millionen EURO jährlich. Die Beratungskosten für das Zustandekommen der Verträge werden auf bis zu 30 Millionen EURO geschätzt; eine Summe zwischen 10 und 30 Millionen EURO auf Nachfrage im Landratsamt wurde nicht dementiert. Unter den Beratern war auch hier Freshfield Bruckhaus Deringer. Das Geschäft wird über eine extra installierte Projekt-Gesellschaft abgewickelt, an der der Kreis geringfügig beteiligt ist. Offiziell wird behauptet, dass der Kreis mit diesem Modell 15-20 % Kosten einspare, was nicht nachvolziehbar ist, wollen doch neben den Beratern auch die Betreiber selbst und ihre Geldgeber einen möglichst hohen Gewinn aus einem solchen Deal herausschlagen. Eine suksessive  durchgeführte Sanierung der Schulen mit billigen Kommunalkrediten wäre sicher billiger gewesen. (* Hochtief ist der weltweit drittgrößte Baukonzern und in Sachen Privatisierung auch international tätig. In Deutschland gilt Hochtief als Marktführer im Bereich PPP. Unter der Überschrift >Hochtief mit Gewinnsprung< liest man in der Süddeutschen Zeitung vom 18.11.05 über den veröffentlichten Nettobarwert der fünf Flughäfen- und zehn PPP-Projekte des Konzerns. Wörtlich heißt es hier dazu: „Deren Wert gibt Hochtief mit 870Millionen EURO an. Bei einem investierten Kapital von 530Millionen EURO errechnet sich ein Mehrwert von 340Millionen EURO.“)

Der Kreistag hat sich mit der Einwilligung für diesen Deal über drei Legislaturperioden hinweg in Sachen Schulinfrastruktur aus seiner Entscheidungs- und Kontrollgewalt verabschiedet und sich damit selbst entmachtet.

( Böse Zungen behaupten, dass die Zustimmung der SPD-Kreistagsfraktion zu diesem Projekt mit einem hauptamtlichen Kreisbeigeordneten belohnt wurde.)

Fazit

Das ÖPP- Beschleunigungsgesetz  bestätigt einmal mehr die erschreckende Leichtigkeit der politischen Elite, einseitig die Interessen der Wirtschaft ( hier der Großen der Bau- und Finanzwirtschaft) zu bedienen. So erhöht das Gesetz die Attraktivität für Ö(P)PP – Interessenten (s. Reaktionen) nicht zuletzt wegen der geschaffenen und noch zu erwartenden steuerlichen Ausnahmetatbestände für die „ÖPP – Variante“ der eigentlich öffentlichen Aufgabenerfüllung.

Nutznießer der „ÖPP – Variante“ sind primär Konzerne der Bauindustrie, Banken, Finanzierungsgesellschaften, Großkanzleien, Unternehmens- und Steuerberatungsfirmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Auf der kommunalen Ebene sind  Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister Nutznießer solcher ÖPP-Deals, behalten sie doch ihre Bezüge, obwohl ganze Abteilungen profitorientierten Unternehmen überantwortet werden. Ja sie und andere entscheidende Politiker können sogar ihre Einkünfte kumulieren – von daher so beliebt - , nämlich über Mitgliedschaft in Aufsichtsgremien und Beiräten in privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die extra zur Abwicklung solcher ÖPP-Geschäfte installiert werden.

 Zu den Verlierern gehören zweifellos die kleinen und mittleren Unternehmen des Bau- und Handwerksbereichs. Sie sind aufgrund ihrer Eigenkapitaldecke und mangelnder Kreditwürdigkeit bei den Banken nicht in der Lage, als PPP - Unternehmen in den Markt zu gehen. Diese Unternehmen werden zu Opfern der Marktmacht weniger Großunternehmen, können sie doch selbst als Subunternehmen den Renditeansprüchen der Großkonzerne nicht genügen. (So bezweifelt sogar die IHK Frankfurt neue Marktchancen für diese Unternehmen durch PPP). Die Folgen werden Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste in hoher Zahl sein, wenn Aufträge von der öffentlichen Hand ausbleiben.

 Auch der öffentliche Dienst wird im Rahmen von ÖPP Stellenabbau erfahren, nicht zuletzt wegen der Verschiebung einer erheblichen Zahl von Angestellten in privatrechtlich organisierte ÖPP – Projektgesellschaften. Damit werden tarif- und arbeitsrechtliche Standards des öffentlichen Dienstes zur Disposition gestellt. Arbeitsplatzverluste sind vorprogrammiert.

Die „ÖPP - Variante“ führt besonders auf der kommunalen Ebene zur langfristigen Bindung von Haushaltsmitteln (15 – 30 Jahre) und damit zur Verkleinerung des politischen Gestaltungsspielraumes. Besonders gravierend ist es, dass Amts- und Mandatsinhaber mit solchen ÖPP- Deals zur massiven Entziehung demokratischer Kontrolle eigentlich öffentlicher Angelegenheiten beitragen und so der Säule Demokratie unseres Staates erheblichen Schaden zufügen.

In der Begründung zum ÖPP – Beschleunigungsgesetz heißt es, mit Öffentlichen Privaten Partnerschaften werde eine dauerhafte, in beiderseitigem Vorteil liegende, dem Gemeinwohl dienende Kooperation zwischen öffentlichen Händen und Privatwirtschaft angestrebt. Insofern stellten ÖPP einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates dar(Quelle:SPD>dokumente Nr. 03/05).

Wenn nun bei der „ÖPP – Variante“ wichtige Aufgaben der eigentlich öffentlichen Daseinsvorsorge privatem Gewinnstreben unterworfen werden mit den Konsequenzen eines verstärkten Personalabbaus und der Absenkung der Einkommens- und Sozialbedingungen, wenn mit dieser „ÖPP – Variante“ demokratische Entscheidung und Kontrolle über Infrastruktur und der damit verbundenen Verpflichtungen über Jahrzehnte ausgehebelt werden, wer dann noch von einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperation zwischen öffenlichen Händen und Privatwirtschaft spricht und ÖPP als einen wichtigen Baustein zur Modernisierung des Staates bezeichnet, pervertiert die eigentliche Bedeutung von Gemeinwohl und Demokratie. Politische Ö(P)PP – Vollstrecker handeln also im Interesse von Konzernen und ihren Geldgebern und nicht im Interesse des Allgemeinwohls.

Eine breite Allianz der Bevölkerung, Gewerkschaften und Parteien ist daher notwendig, um ÖPP- Projekte schon in der Anfangsphase zu stoppen. Gleichzeitig muss Druck auf den Gesetzgeber gemacht werden, über eine überfällige Steuerreform die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass alle Ebenen unseres Gemeinwesens wieder handlungsfähig werden.