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HINTERGRUND

Oderwitz oder was

VON B. HONNIGFORT (DRESDEN)

Cross-Border-Leasing? "Das ist kein Thema bei uns", sagt Bernhard Schäfer, Finanzreferent beim Gemeinde- und Städtebund Thüringen. In seinem Bundesland habe noch nie eine Kommune einen Antrag gestellt. In Gera sei das einmal diskutiert worden, aber es kam kein Geschäft zu Stande. "Wir sind nicht ganz unglücklich darüber", sagt Schäfer. CBL, das habe doch "so ein bisschen Geschmäckle".

Was in Thüringen verpönt ist, bereitet sächsischen Bürgermeistern weniger Kopfzerbrechen. Sachsen liegt im Osten mit 14 Genehmigungen vorn bei CBL-Verträgen. Das hat nicht nur mit größerer Risikobereitschaft zu tun, sondern liegt auch daran, dass CBL-Geschäfte eigentlich erst interessant werden für große Städte oder Zweckverbände, die teure Wassernetze, Kläranlagen, Kraftwerke oder Krankenhäuser verleasen können. "Der Aufwand lohnt sich erst ab 100 Millionen Euro aufwärts", heißt es beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag. Also nur für Großstädte wie Dresden, Leipzig oder Chemnitz. Und die liegen in Sachsen.

Leipzig hat seine Straßenbahnen, das Schienennetz nebst Oberleitungen, eine Kongresshalle, die Messehalle, fünf Kläranlagen, das Klinikum Sankt Georg und seine Wasserleitungen, 2900 Kilometer lang, an US-Trusts vermietet. Das Volumen beträgt insgesamt 2,83 Milliarden Dollar, der Leipziger Gewinn oder "Barwertvorteil", wie es in den Verträgen heißt: 110,6 Millionen Dollar. Dresden war nicht ganz so aktiv: Straßenbahnen, Heizkraftwerk und ein Klärwerk sowie ein Teil des Kanalnetzes erbrachten einen Barwertvorteil von 61,5 Millionen Dollar.

In Leipzig hat es allerdings Ärger gegeben. Das Regierungspräsidium wollte Ende 2002 der Stadt verbieten, seine Trinkwasserversorgung zu verleasen. Regierungspräsident Walter Christian Steinbach forderte damals: "Die langfristige Sicherung sozialverträglicher Wasserpreise muss unbedingt Vorrang vor kurzfristig erzielbaren Erträgen aus einer solchen Finanztransaktion haben."

Ein Vierteljahr später musste Steinbach den Deal doch genehmigen. Leipzig hatte ihm umfangreiche Unterlagen vorgelegt, Steinbach hatte sich Juristengutachten eingeholt - rechtlich war der Fall klar. Er konnte nicht ablehnen. Aber in seiner 17-seitigen Begründung mochte sich Steinbach warnende Worte nicht verkneifen: Es blieben, schrieb er, "gewisse, im ungünstigen Fall auch erhebliche Risiken".

Cross-Border-Gegner in Sachsen verweisen gern nach Oderwitz bei Zittau. Die Gemeinde kam 1992, weil sie kein Geld hatte, auf die Schnapsidee, sich die erträumte Turnhalle per Leasing zu bauen. Der Landkreis genehmigte das Projekt. Doch 1999 entdeckte der Sächsische Rechnungshof, dass ein ganz normaler Kredit viel billiger gewesen wäre. Das Turnhallen-Fiasko wurde ein Fall für die Justiz und landete 2002 schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Der BGH entschied, dass der Landkreis als Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeinde vor "Selbstschädigungen" zu schützen habe. Weil der Vertrag nicht mehr kündbar war, sollte der Kreis die Leasingraten übernehmen. Unter Fachleuten sprach sich der Fall schnell herum. Seitdem müssen alle Leasingverträge, wie es jetzt heißt, "Oderwitz-fest" sein.

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Dokument erstellt am 27.06.2004 um 18:05:19 Uhr
Erscheinungsdatum 28.06.2004