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Oberhessische Zeitung (Alsfeld) vom 17.07.2003

Grünes Licht für den Verkauf der Kreisimmobilien

Koalition von CDU, FWG und FDP Stimmt Verhandlungen über Veräusserung zu - SPD "zerstritten" - Grüne aus moralischen Gründen gegen geplanten Deal

KIRTORF (rwh). Grünes Licht für Landrat Rudolf Marx und den Kreisausschuss: Sie dürfen „unerzüglich alle erforderlichen Schritte" einleiten, um die kreiseigenen Gebäude zu verkaufen und anschließend wieder zu leasen .Mit Mehrheit der Koalition aus CDU, FWG und FDP stimmte der Kreistag in seiner gestrigen Sitzung in der Kirtorfer Gleentalhalle einem entsprechenden Antrag zu. Die SPD, nach den Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Herbert Diestelmann in dieser Frage „zerrissen", enthielt sich, die Grünen stimmten, vor allem aus „moralischen Gründen", dagegen nach einer Debatte, in deren Verlauf die Frage von Steuern und Moral eine große Rolle spielte.

Rund drei Millionen Euro verspricht sich der Kreis aus dem „sale-and-Iease-back-Geschäft", das das deutsche Steuerrecht möglich macht.. Käufer der Kreis-Immobilien soll die Hannover-Leasing sein, die sich Investoren sucht, die ihre Einlagen gegen Erbersatzsteuern verrechnen können. Die in der Diskussion befindlichen 150 Millionen Euro, die der Kreis für seine Gebäude erhalten soll, werden zu 98 Prozent bei der Landesbank Hessen-Thüringen angelegt, um die Leasingraten bis zum Rückkauf in frühestens zehn, spätestens fünfzehn Jahren, begleichen zu können. Die restlichen zwei Prozent, voraussichtlich drei Millionen Euro, sind der Reingewinn des Kreises.

Geld, das zumindest die Vogelsberger Grünen für schmutzig halten. Ihre Sprecherin Cornelia Bothe hält den beabsichtigten Deal für „moralisch anrüchig und mit zuvielen Risiken behaftet". Verdienen würde in erster Linie nicht der Kreis, sondern „und zwar ein Mehrfaches", Investoren durch Steuerersparnis. „Mit unserer Zustimmung stimmen wir auch zu, dass dem Land Millionen an Steuern entgehen", erklärte die Grünen-Sprecherin, die die Frage anfügte: „Wieviele Lehrerstellen könnten allein durch den Reingewinn des Kreises finanziert werden?" Auch rechtliche Bedenken machte sie geltend. Die Grünen haben Zweifel an der steuerrechtlichen Realisierbarkeit des Vorhabens und empfahlen dem Kreis, ein unabhängiges Institut mit der Bewertung der Kreisimmobilien zu beauftragen.

Von einer „ambivalenten Haltung" der SPD-Fraktion, die um „die richtige Meinung ringe", sprach Herbert Diestelmann. Es gebe Befürworter des Deals, die darin eine „elegante Komponente an Einnahmen für die marode Kreiskasse sähen". Andererseits nahm er für einen Teil der Fraktion „ein Staatsverständnis" in Anspruch, das ein solches „Staatskassenplünderungsmodell" aus moralischen Gründen ablehne und dafür plädiere, „den Staat nicht ärmer zu machen als er ist". Diestelmann: „Nicht alles, was Steuerrecht ist, ist auch richtig."

In diese Richtung plädierte auch sein Fraktionskollege Hans-Jürgen Fornof, für den es „nicht um Moral, sondern um Recht" geht. Es solle von einem Zustand profitiert werden, den das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet und die Auflage gemacht habe, dies zu ändern.

Auf die geltenden Steuergesetze berief sich CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Hans Heuser. „Die Steuergesetze lassen das Geschäft zu, daher ist es rechtlich einwandfrei." Heuser verwies darauf, „wie dringend der Kreis dieses Geld braucht". Den Vorwurf fehlender Moral wies der CDU-Politiker zurück und hielt Grünen und SPD unter Verweis auf vielfältige Steuersparmodelle, von denen Kreis und Kommunen seit Jahren profitieren, „Doppelmoral" vor.

In diese Richtung argumentierte auch sein FDP-Kollege Dr. Bernd Stumpf, für den Steuer und Moral Begriffe sind, „die nicht zueinander passen". Der Kreis sei in einer Situation, „in der er es sich nicht erlauben kann, einen solchen Vorschlag auszuschlagen".

Nach dem gestrigen prinzipiellen Grünen Licht will der Kreisausschuss, wie Landrat Rudolf Marx ankündigte, nun die steuerrechtliche Prüfung für ein ähnliches Vorhaben im Kreis Waldeck-Frankenberg abwarten und bei günstigem Ausgang, den er erwartet, in Verhandlungen mit der Helaba und der Hannover-Leasing treten. Über den endgültigen Vertrag wird dann wieder der Kreistag entscheiden.