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Michael Friedrich)

Globalisierungskritiker Michael Friedrich könnte triumphieren. Er hat es kommen sehen. Dass der US-Kongress das Steuerschlupfloch "Cross-Border-Leasing" stopfen würde. Er hat alle, die es hören wollten, gewarnt. Damals im Sommer 2003, als das Frankfurter U-Bahn-Netz auf 100 Jahre an einen US-Investor vermietet und dann wieder zurückgemietet werden sollte. Das Finanzkonstrukt hätte der chronisch klammen Stadtkasse fast 100 Millionen Euro gebracht.

47 558 Unterschriften machten in Frankfurt letztlich den Unterschied zu anderen deutschen Kommunen, die Straßenbahnen, Kanalnetze und ganze Rathäuser an US-Investoren abgetreten haben. So viele Unterstützer hatte das von Attac-Mitglied Michael Friedrich mitinitiierte Bürgerbegehren "Rettet die U-Bahn" im September 2003 hinter sich versammelt. Die Grünen im Frankfurter Stadtparlament bekamen schließlich kalte Füße und verweigerten dem Projekt in letzter Minute die Zustimmung.

So ein politischer Erfolg sei "immer schön", klingt Friedrich ganz bescheiden. Ausgerechnet die Attac-Aktion habe dem US-Fiskus Steuerausfälle von rund 500 Millionen Euro erspart - so viel hätte der US-Investor für die langfristige Auslandsinvestition abschreiben können. Eine Ironie der Geschichte, über die sich der 44-jährige Diplom-Ökonom und Journalist besonders freuen kann.

Der Weg dahin war alles andere als einfach, aber eine Lehrstunde in Basisdemokratie. Einen Monat nach Beginn des Frankfurter Bürgerbegehrens hatte die Aktion "Rettet die U-Bahn" lediglich 2200 Unterschriften zusammen. 42 000 Unterzeichner, das sind zehn Prozent der wahlberechtigten Frankfurter, brauchte es, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Quer durch alle politischen Lager und gesellschaftlichen Schichten wuchs die Zahl der Unterstützer. Eine ungewöhnliche Allianz formierte sich: Globalisierungskritiker, SPD-Ortsvereine, Gewerkschafter, Straßenbahnfahrer, IHK-Vertreter, Anwälte und Teile des bürgerlich-konservativen Lagers jenseits der CDU. Letztlich habe "Rettet die U-Bahn" den "Nerv der Zeit getroffen", sagt Friedrich. 230 000 verteilte Flugblätter später kam der Erfolg. Die Grünen im Römer als Zünglein an der Waage der regierenden Vierer-Koalition gaben dem außerparlamentarischen Druck nach; der Bürgerentscheid wurde überflüssig.

Der US-Gesetzgeber habe allen vorgemacht, wie man Steuerschlupflöcher schließe, sagt Friedrich. Noch so ein Paradox, über dass er sich diebisch freut. Schließlich seien die Deutschen - Stichwort Schiffs- und Filmfonds - Weltmeister im Ausnutzen von Steuertricks. Auf diesem Gebiet solle sich die Bundesregierung nicht von der Bush-Regierung "links überholen lassen".

Die Erfahrung aus dem Bürgerbegehren will Attac laut Michael Friedrich in die Initiative "Hessen neu verfasst" einbringen. Ziel ist es, für Bürgerbegehren und landesweite Volksbegehren "realistische Konditionen" in der hessischen Landesverfassung zu verankern. "Das Bürgerbegehren soll kein Gnadenrecht sein", fordert Friedrich.

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Dokument erstellt am 27.06.2004 um 18:05:23 Uhr
Erscheinungsdatum 28.06.2004