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Der Staat zieht sich schrittweise aus der öffentlichen Verantwortung für Bildung zurück

Private Investoren übernehmen marode Schulgebäude. Hochschulen, die viele Drittmittel einwerben, belohnt der Staat. Berufsschulen kommen unters Dach einer Stiftung. Quer durch die Republik sind in allen Bildungsbereichen Privatisierungsbestrebungen erkennbar. "Privatisierung" im Sinne von: Der Staat gibt die öffentliche Verantwortung für Bildung und Erziehung partiell an kommerzielle Träger oder Stiftungen ab; öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen müssen betriebswirtschaftliche Strukturen schaffen, wollen sie der Konkurrenz auf dem Bildungsmarkt gewachsen sein; die Beiträge und Gebühren, die der Einzelne fürs Lernen zahlen muss, steigen unaufhörlich. Spurensuche in Kita, Schule, Hochschule, beruflicher und Erwachsenenbildung- quer durch die Bundesländer.

Hinter den Veränderungen in der Bildungslandschaft steckt ein Paradigmenwechsel, der in der Erwachsenenbildung am weitesten gediehen ist: "Die öffentliche Verantwortung wird zur bloßen Mitverantwortung umdefiniert", beschreibt Ulrich Jung, Leiter der Volkshochschule in Gelsenkirchen und Vorsitzender der GEW Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung, den Wandel. Andreas Seiverth, Geschäftsführer der Deutschen Evangelischen Arbeitsgemeinschaft (DEAE), sieht zunehmend das Grundrecht auf Persönlichkeitsentfaltung verletzt: "Der Umbau des Sozialstaats schränkt das Recht auf Bildung ein."

Nicht nur Teufelswerk

Allerdings: Das Zurückfahren staatlicher Kontrolle in der Bildung ist nicht automatisch Teufelswerk. In der dualen Ausbildung etwa teilen sich seit langem Berufsschulen und Unternehmen die Aufgaben. Ein durchaus erfolgreiches Mischsystem, dessen Grenzen sich jedoch derzeit deutlich zeigen, da die Zahl der Ausbildungsplätze vom Markt abhängt.

Drei Prüfsteine bieten sich an, um Schritte zu Entstaatlichung und Privatisierung in der Bildung zu beurteilen:

- Wie steht es um die Chancengleichheit?
- Was wird aus der Qualität?
- Wie verändern sich die Beschäftigungsbedingungen ?

"Deutschland ist bei der Ganztagsbetreuung für Kinder weiter Entwicklungsland in der EU", fasste die Frankfurter Rundschau die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes zusammen. Zwar hat jedes drei- bis sechsjährige Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Doch die Realität sieht anders aus: Bestenfalls eine Halbtagsbetreuung springt im Westen für die Jüngsten heraus - und dafür werden die Eltern kräftig zur Kasse gebeten. Im Schnitt, so errechneten die Statistiker, bezahlen die Familien fast ein Viertel der Betriebskosten von Kitas. In Baden-Württemberg kostet ein Platz 2100 Euro im Jahr, in den Stadtstaaten kommt er doppelt so teuer.

Eltern werden zu Nachfragern

Krippenplätze? Betreuung am Nachmittag? Hortplätze für Schulkinder? Wer in Hamburg mehr braucht als den gesetzlich garantierten Kindergartenplatz, muss seine Bedürftigkeit vom Amt für Kindertagesbetreuung überprüfen lassen. Man kann dann eine "Kita-Card" für einen Krippenplatz für täglich sechs, acht, zehn oder zwölf Stunden erhalten, ähnliches gilt für Kindergärten und Horte. Die Eltern können selbst aussuchen, wann sie ihr Kind schicken. Der Senat finanziert nicht mehr die Einrichtungen, sondern er macht die Eltern zu Nachfragern. Wie die Kitas den Bedarf decken, ist ihre Sache. Das Amt teilt den Gutschein Eltern nach einem siebenstufigen Bedarfsmodell zu: so erhält etwa den Zuschlag, wen das Jugendamt bereits betreut, wer ohne Kinderbetreuung sonst Sozialhilfe bekäme sowie die 183 (!) Kinder, deren Sprachdefizite amtlich nachgewiesen sind. Für alle anderen reicht das Geld nicht mehr.

Die Folgen: Tausende von Eltern haben keinen Platz bekommen, weil sie bestimmte Bedingungen nicht erfüllten. Und - das ganze Gutscheinsystem wurde durch den Verwaltungsaufwand zu teuer. Dennoch wird das System, obwohl es in der Realität gescheitert ist, weiter geführt. Immerhin bewirkten die Elternproteste den Rücktritt von Bildungssenator Rudolf Stange (FDP) und führten zu einer Abwahl der FDP im Senat.

Während der Bund und die Kommunen sich wieder einmal über die Finanzierung zusätzlicher Plätze in Krippen und Kindertagesstätten streiten, bleibt den Eltern nichts anderes übrig als auf eigene Kosten eine Lösung für die pädagogische Betreuung ihrer Kleinen zu suchen. Öffentliche Verantwortung oder staatliche Verantwortungslosigkeit?

Das bayerische Sozialministerium hat sich eine besondere Variante des Sparens ausgedacht: Die Träger von Kindertagesstätten in den Großstädten des Freistaats erhalten für 2004 die Ballungsraumzulage nicht mehr erstattet. Wenn beispielsweise Caritas oder Arbeiterwohlfahrt in München den Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen weiter die 75 Euro pro Monat Zuschlag für erhöhte Lebenshaltungskosten überweisen wollen, müssen sie das aus Eigenmitteln finanzieren - oder auf die Eltern der betreuten Kinder übertragen. Privatschulen erleben einen Boom, dennoch ändern sie wenig an der staatlichen Grundstruktur des deutschen Schulwesens. Doch in zwei Bereichen wird gegenwärtig die öffentliche Verantwortung für die Schulen "von oben" abgebaut: Bei der Lernmittelfreiheit und den Schulgebäuden.

Bis 2003 bekamen Schüler und Eltern in allen Bundesländern, ausgenommen das Saarland, ihre Schulbücher wenn nicht kostenlos, so doch mit nur geringer Elternbeteiligung. In Berlin mussten die Eltern in diesem Schuljahr erstmals die Schulbücher komplett selbst bezahlen - mit bis zu 100 Euro - ausgenommen sind nur Sozialhilfeempfänger. In Nordrhein-Westfalen müssen die Eltern nun 49 Prozent der Kosten übernehmen. Mehr geht nicht, sonst hätte man die nordrhein-westfälische Verfassung ändern müssen, denn darin ist die Lernmittelfreiheit ausdrücklich verankert. Auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt wurde der Elternanteil an der Schulbuchfinanzierung erhöht. Im kommenden Schuljahr wird Niedersachsen die Lernmittelfreiheit aufgeben, um so rund zehn Millionen Euro einsparen zu können. Die GEW-Vorsitzende Eva-Mana Stange warf den Landesregierungen "die Einführung von Schulgeld auf verstecktem Wege" vor.

Gebäude in privater Hand

In Nordrhein-Westfalen müssen schätzungsweise 70 Prozent der Schulgebäude saniert werden. Die Kommunen sind aber finanziell am Ende. Die meisten dürfen schon keine weiteren Kredite mehr aufnehmen. Statt nun als Gemeinde in die Schulen zu investieren, überträgt man sie einem privaten Investor, der dafür dann von der Kommune Miete kassieren kann.

In Monheim zum Beispiel, einem Städtchen zwischen Köln und Düsseldorf, müssen zwölf PCB-verseuchte Schulen sofort saniert werden. 21 Millionen Euro würde die Sanierung kosten, doch der Gemeinde fehlt das Geld. Ein Bauunternehmen, die Kirchner GmbH, übernimmt die Schulen für 25 Jahre, kostenlos. Es saniert die Gebäude und ist für deren Wartung und Unterhaltung verantwortlich. Dafür kassiert die Firma jährlich drei Millionen Euro von der Stadt. Diese bleibt formal weiter Eigentümerin.

Das Ganze ist eine mehr oder minder verdeckte Kreditaufnahme, bestätigt Bürgermeister Thomas Dünchheim, der nun mit seinem Modell von Amsterdam bis Wien hausieren geht. Die Zweite Stellvertretende Bürgermeisterin in Monheim, Andrea Stamm (DIE GRÜNEN), zweifelt allerdings an der Fähigkeit des Stadtoberhaupts, aus dem Nichts Gold zu schöpfen. Schließlich zahlt die Gemeinde in den 25 Jahren 75 Millionen an den Investor. Man habe nicht ernsthaft kalkuliert, ob die Sanierung durch die Stadt nicht billiger gewesen wäre, meint sie. Die Sanierungen sind zwar mit dem Vertrag abgedeckt. Was ist aber, wenn in 15 Jahren neue Schadstoffe entdeckt werden? Oder wenn die Gemeinde Ganztagsschulen haben will, Schulformen zusammenlegt oder neue Formen des Unterrichts Umbauten notwendig machen? Ist man dann noch Herr im Haus? Oder hält der Investor erneut die Hand auf? Das Risiko ist einfach nicht berechenbar, befürchtet Andrea Stamm.

Wie auch immer, den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals. In Offenbach (Hessen), Köln und vielen anderen Gemeinden steht die als "public private partnership" schön geredete Privatisierung der Schulgebäude unmittelbar bevor.

Unterm Dach einer Stiftung

Die beruflichen Schulen in Hamburg sollten unter das Dach einer Stiftung kommen (siehe E&W 6/2003 und 7-8/2003). Allerdings hätten die vorgezogenen Neuwahlen im Stadtstaat und das Volksbegehren mit 23000 Unterschriften - von GEW und DGB voran getrieben - die "Brachialgewalt" des Umbruchs gestoppt, berichtet Horst Linke, GEW-Bundesfachgruppenvorsitzender gewerbliche Schulen. Die neue Schulsenatorin Alexandm Dinges-Dierig (parteilos) hat die ganze Planung jetzt noch einmal zur Disposition gestellt. Ursprünglich sollten eine Stiftung eingerichtet, die Wirtschaft der Hansestadt mit einem Vetorecht ausgestattet, die Zahl der beruflichen Schulen verringert und die Branchennähe vergrößert werden. "Verfassungsrechtlich wäre das keine Privatisierung, aber der Anfang der Entstaatlichung", fasst Linke zusammen. Arbeitsrechtliche Folgen würden nicht sofort, jedoch mittelfristig spürbar. Die neuen Signale aus dem Senat mit dem Tenor "eher nicht" geben mehr Zeit zur Gegenwehr für eine Reform von unten, die das Ziel verfolgt, erst Unterricht und Personalentwicklung voran zu treiben und dann Strukturen anzupassen. Jetzt wird die GEW mit ihren Bündnispartnern die zweite Phase des Volksentscheids einläuten, der den Verbleib des beruflichen Schulwesens in staatlicher Verantwortung sichern soll.

Gut möglich, dass Bremen die Hanse-Schwester überholt: Noch vor der Sommerpause will der Senat die Voraussetzungen für eine Bildungs-GmbH schaffen, sie soll für berufliche Schulen und den zweiten Bildungsweg - die "Erwachsenenschule" - zuständig sein (siehe auch Bericht in E&W 2/2004). Das ist die Idee: Die GmbH "mietet" das"unterrichtsergänzende Personal" bei freien Trägern. Die Lehrkräfte stellt weiter die Behörde und überweist für Sach-und Personalaufwand einen Globaltitel. Den Rest der erforderlichen Finanzmittel besorgt sich die Bildungs-GmbH auf dem Kapitalmarkt. Konkret ist geplant, dass die Bremer Bank, in der der Senat das Sagen hat, einen Kredit bewilligt. "Mit dieser Luft-GmbH verfügt das Land über einen Schattenhaushalt", kritisiert Personalratsvorsitzender Rolf Becker. Ende März hat eine Personalversammlung "den Einstieg in die Privatisierung der Bildung" einstimmig abgelehnt, berichtet er. Nun soll die Öffentlichkeit gegen das Konzept mobilisiert werden.

In Hessen treiben alle Landtagsparteien das Projekt "Schulversuch Selbstverantwortung plus" voran: Berufliche Schulen sollen zu regionalen Kompetenzzentren umgestaltet werden. Geplant ist, dass der Versuch 2005 mit ca. zehn Schulen startet.

Bekenntnis zu Gebühren

5l Hochschulen sind in privater Regie (ohne die kirchlichen Hochschulen). Das sind immerhin 16 Prozent der akademichen Bildungsstätten, aber dort sind nur 1,7 Prozent aller Studierenden immatrikuliert. An diesen Hochschulen die mit durchschnittlich 650 Studierenden kleiner sind als ein Gymnasium, studiert es sich eben anders als etwa an der Kölner Uni, dort sind es rund hundert Mal so viele,

Das Studium an privaten Hochschulen kostet Geld, viel Geld. Geradezu ein Schnäppchenangebot hat die Universität Witten-Herdecke: 15185,37 Euro für einen vollen Studiengang in Wirtschaftswissenschaften oder Medizin. Wer nicht sofort bezahlt, kann später einkommensabhängig gestaffelte Raten abstottern. So viel wie in Witten das ganze Studium kostet an der vom bitterarmen Land Bremen hoch subventionierten "International University of Bremen" (IUB) nur ein Jahr. Die übrigen Hochschulen haben sich auf einen Satz von 10000 Euro im Jahr, also 40000 bis 50000 Euro für ein komplettes Studium eingependelt. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die 16 renommiertesten dieser Hochschulen auf ihre Qualität untersucht. Nur drei von ihnen weisen ein Fächerspektrum auf, das über die nackte Betriebswirtschaft hinaus geht. Größter Mangel: Es wird kaum geforscht. Deshalb können auch renommierte private Business-Schools, etwa die WHU in Vallendar oder die Handelshochschule Leipzig, keine Spitzenkräfte, selbst in ihrem eng beschränkten Fächerbereich, gewinnen. Auch mit der Akkreditierung der Studiengänge oder der externen Evaluation, wie es heute an staatlichen Hochschulen gefordert wird, ist es bei den privaten nicht weit her. So präsentiert die International University aus Bruchsal die Evaluation einer Unternehmsberatung, doch die bezieht sich lediglich auf die Bewertung des „Unternehmens", ohne etwas über die wissenschaftliche Qualität auszusagen. Die privaten Einrichtungen zehren also von dem Bonus, den man ihnen gegenüber den öffentlichen derzeit unbesehen einräumt. Aus dem schleichenden Abschied vom Prinzip der Bildung als öffentlicher Aufgabe ist längst ein offenes Bekenntnis geworden: Mittlerweile haben die meisten Bundesländer Gebühren für diejenigen Studierenden eingeführt, die ihre Regelstudienzeit mehr als vier Semester überzogen haben oder ein Zweitstudium aufgenommen haben. Zwischen 500 und 650 Euro pro Semester zahlen die Studierenden. Zumindest die CDU-re-gierten Länder warten derzeit auf das von ihnen angestrengte Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das Verbot von Gebühren für das Erststudium im Hochschulrahmengesetz kippen soll.

Weniger Akademiker

Nordrhein-Westfalen hat die Gebühren gerade eingeführt. Man rechnet damit, dass sich rund 50000 Studierende, also knapp zehn Prozent der Studenten im größten deutschen Bundesland exmatrikulieren werden. Also: Mehr Studienabbrecher und weniger Akademiker, obwohl Deutschland unter den Industriestaaten ziemlich weit unten steht mit seiner Akademikerquote. Ein weiterer Effekt ist gerade in Hessen zu beobachten: Die Studierenden wandern ins gebührenfreie Rheinland-Pfalz ab. Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft hat sich als Schwerpunktaufgabe für dieses Jahr vorgenommen, die gesamtstaatliche Verantwortung für die Hochschulen, sprich: das Hochschulrahmengesetz, ganz auszuhebeln. Danach soll jedes Bundesland für sich allein regeln können, wie es zum Beispiel seine Hochschullehrer bezahlt - Wettbewerb um jeden Preis. In der Erwachsenenbildung konkurrieren seit langem öffentliche, gemeinnützige und kommerzielle Anbieter um Projektmittel und Teilnehmer. Im Dezember 2003 hat nun das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Urteil zu Gunsten erwerbswirtschaftlicher Bildungsinstitute gefällt. Das Gericht billigte ihnen zu, nur untereinander um Aufträge konkurrieren zu müssen, nicht aber mit gemeinnützigen Trägern. Begründung: Diese genießen steuerliche und andere Vorteile. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) reagierte prompt mit getrennten Ausschreibungsverfahren. "Ein Schritt mit weitreichenden Folgen", meint der Referent des Deutschen Volkshochschulverbands (DVV), Bernd Fassens. So werde an einzelnen Volkshochschulen erwogen, das berufliche Lernen in eine GmbH auszulagern, um weiter mitbieten zu können. Fassens: "Das mag vor Ort nahe liegen, um Personal zu halten - wenn auch zu schlechteren Bedingungen. Insgesamt beurteilt der DVV die Entwicklung sehr kritisch." Die Crux:: Das Gerichtsurteil schützt letztlich private Bildungsinstitute, die günstig anbieten, weil sie weder tarifliche noch soziale Mindeststandards erfüllen. Sie werden mit befristeten Verträgen oder gar zur freien Mitarbeit abgespeist, zu niedrigeren Entgelten als bisher (siehe auch Seite 32).

Benachteiligung verschärft

Ulrich Jung bestätigt, dass sich die öffentliche Hand bei "Gestaltung und Finanzierung der Erwachsenenbildung zurückzieht und stattdessen auf die Kräfte des Marktes setzt". Der Kostendruck steige, ebenso die "Verbetriebswirtschaftlichung unserer Arbeit". Die VHS richte ihre Programmplanung zunehmend danach aus, wofür es Geld gebe: "Soziale und pädagogische Aspekte treten in den Hintergrund." Beispiel Gelsenkirchen: Die Warteliste für Kurse zum Nachholen von Schulabschlüssen ist lang, weil die öffentlichen Zuschüsse nur wenige Klassen erlauben. Besuchten in den vergangenen Jahren 45 Prozent der Teilnehmer die VHS-Kurse zum ermäßigten Preis, sind es mittlerweile nur noch 20 Prozent, berichtet Jung: "Die anderen können sich selbst die reduzierten Gebühren nicht mehr leisten." Der Geschäftsführer der DEAE, Andreas Seiverth, sieht ebenfalls die Gefahr, dass bald nur noch Gutverdienende das Weiterlernen bezahlen können: "Die Marktbereinigung verschärft Bildungsbenachteiligungen." Der evangelischen Erwachsenenbildung brechen sowohl öffentliche Zuschüsse als auch Eigenmittel aus Kirchensteuern weg. Die Folgen sind Stellenabbau, Verlust der Präsenz in der Fläche und der ersatzlose Wegfall bestimmter Angebote. "Unsere Themen sind nicht refinanzier-bar", sagt Seiverth und nennt ethische, religöse oder gesellschaftspolitische Fragen. Bedroht sei auch die Bildungsarbeit mit älteren Menschen und Eltern-Kind-Gruppen. "Höchste Zeit, den Staat an den Verfassungsauftrag zu erinnern, die individuelle Selbstentfaltung zu ermöglichen", sagt Seiverth. Und dazu gehöre die institutioneile Förderung der Einrichtungen, in denen sich das Recht auf Bildung einlösen lässt. Lebenslang.

Helga Ballauf/Karl-Heinz Heinemann