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Oberhessische Zeitung (Alsfeld) vom 26.07.2003

Leserbrief 

„Legal und unanständig"

Betrifft: Sale-and-Lease-Back.

Dass die Empörung in der Öffentlichkeit des Vogelsbergkreises nicht vehementer zum Ausdruck kommt, mag vielleicht daran liegen, dass die meisten Bürger die Ungeheuerlichkeit der Machenschaft nicht ganz durchschauen, vielleicht aber auch daran, dass sie nicht recht glauben wollen, was da in den Kreisgremien abging: Die Mandatsträger haben allen Ernstes mit Mehrheit beschlossen, die kreiseigenen Gebäude, Schulen vor allem, zu verkaufen und dann vom Käufer zurück zu leasen.

Im Vorstand des DGB-Kreisverbandes hat man versucht, den Vorgang zu verstehen und einzuordnen. Man gelangte letztendlich zur Auffassung, dass der geplante Deal zwar vielleicht legal, aber rundweg unanständig ist.

Die kreiseigenen Immobilien sind letztlich von der gesamten Bevölkerung geschaffen worden, sind Errungenschaften der Allgemeinheit und können daher nicht von gerade zurzeit amtierenden Mandatsträgem quasi als deren Eigentum verhökert werden. Das Vorhaben weckt Erinnerungen an den Raub der Allmende im Mittelalter, als verarmte Bauern genötigt wurden, ihren Allgemeinbesitz Stück für Stück an die jeweiligen Adligen abzutreten und an die Anmaßung regionaler Potentaten des 18. Jahrhunderts, die Landeskinder nötigten, sich als Söldner anheuern und nach England und Amerika verkaufen zu lassen.

Unanständig erscheint der geplante Deal aber auch dadurch, dass sich Käufer und Verkäufer offenbar Vorteile erhoffen aus im Hintergrund ablaufenden Finanztransaktionen aus Erbschaftsvermögen und aus dem Ausnutzen von Steuerlöchern, die sich in diesem Zusammenhang zu öffnen scheinen. Für die Machenschaft wird mit einem schmalen Gewinn für den Kreis geworben, hinter der Machenschaft steckt aber die Spekulation auf private Gewinne aus eingesparten Erbschaftssteuern. Dass sich die Hessische Landesbank dazu herablässt, den Deal zu vermitteln, lässt erkennen, wie sehr schon die Kapitalinteressen Sitte und Anstand in Staat und Gesellschaft zersetzt haben.

„Alles legal!", so wird betont. Mit redlicher Bewirtschaftung von öffentlichem Eigentum, das Mandatsträger treuhänderisch zu verwalten haben, mit der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand in Sachen Steuerehrlichkeit und mit transparenter, öffentlicher Verwaltung hat das Ganze aber nichts zu tun.

Mit einer gewissen Genugtuung registriert der DGB-Kreisvorstand, dass die Finanzdirektion Veto gegen das Vorhaben einlegt, hoffentlich kann sie das gegen den politischen Druck derer, die sich finanzielle Vorteile erhoffen, auch durchhalten.

Wie das auch ausgehen wird, man muss daraus die Lehre ziehen, dass Bürger nicht nur das Recht und die Pflicht zum Wählen haben, sondern auch zum Kontrollieren der „Volksvertreter". Man muss den Burschen auf die Finger schauen.

DGB-Kreisverband Vogelsberg, für den Vorstand: Tilo Pfeifer