Viele Kommunen haben sich ganz auf ihre Berater verlassen - und dabei oft nur die halbe Wahrheit erfahren
VON WERNER RÜGEMER (KÖLN)
"Es ging alles mit rechten Dingen zu. Es sind legale amerikanische Gesetze, an die wir uns streng gehalten haben", sagte der freudestrahlende Kölner Kämmerer im April 2000. Er hielt den Kontoauszug in die Kameras: der US-Investor hatte 54 Millionen Mark überwiesen. Das war der "Barwertvorteil" für den Verkauf der städtischen Kanalisation. Aber "legale amerikanische Gesetze"? Dieses Kauderwelsch fiel damals kaum jemandem auf. Gibt es in den USA auch illegale Gesetze?
Die Verwirrung ging auf die Berater zurück. Die Deutsche Bank hatte mit Hilfe der US-Wirtschaftskanzlei Allen & Overy für mehrere hunderttausend Mark ein Gutachten über Cross-Border-Leasing erstellt. Motto: Klingt für deutsche Ohren ungewohnt, ist aber alles legal. Weil dem Kämmerer dennoch etwas mulmig war, erfand er - nach dem Motto "doppelt genäht hält besser" - die juristische Kunstfigur von den "legalen amerikanischen Gesetzen".
Nur Teile der Verträge gelesen
Die Kämmerer haben die Vertragswerke, die sie schließlich in New York unterzeichneten, in der Regel nicht gelesen. Konnten sie gar nicht. Sie bekamen eine deutsche Kurzfassung auf 20, 30 Seiten, wie die Ratsmitglieder. Aber eine deutsche Übersetzung gab es nicht. Der Kämmerer der Stadt Essen, ein promovierter Ökonom, hat mehrere Cross-Border-Leasing-Verträge durchgezogen. Er gestand bei einer Diskussion: "Meinen Sie, ich hätte die Zeit, jedes Mal diese 2000 Seiten zu lesen? Und selbst wenn ich die Zeit hätte, meinen Sie, ich könnte dieses Wirtschaftsenglisch verstehen? Ich verlasse mich ganz auf die Berater."
Die aber - in Deutschland neben der Deutschen Bank vor allem Daimler-Chrysler/debis und Citigroup - haben die Städte oft im Unklaren gelassen, wie umstritten die Steuervermeidungsmodelle in den USA selbst waren. Schon Präsident Bill Clinton hatte mit seinem Finanzminister Lawrence Summers das Cross-Border-Leasing stoppen wollen - er war in seinem letzten Amtsjahr knapp gescheitert. Jetzt klagen die ersten beiden US-Bürger gegen die Deutsche Bank, weil die ihnen ähnliche Steuersparmodelle verkauft hat, obwohl auch hier die oberste US-Steuerbehörde im Jahr 2000 ein offizielles Verbot ausgesprochen hat.
Im Dezember 2002 zahlten die Deutsche Bank und Citigroup in New York 1,44 Milliarden Dollar Bußgeld - "wegen Irreführung von Anlegern". Ziel sei gewesen, so Staatsanwalt Eliot Spitzer, "den kleinen Anleger zu schützen". Die Städte werden solchen Schutz bei der vorfristigen Abwicklung der Verträge ebenfalls brauchen. "Legale amerikanische Gesetze" haben es nämlich in sich. Vor allem dann, wenn man sie gar nicht kennt.
[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 27.06.2004 um 18:05:25 Uhr
Erscheinungsdatum 28.06.2004