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Kurparadies fehlt das Geld aus China

Landrat Erich Pipa stellt Bad Orber Verantwortlichen ein Ultimatum und verlangt professionelle Projektsteuerung


Das umstrittene "Chinesische Kurparadies" droht sich zum Desaster für Bad Orb und die Projektbeteiligten auszuweiten.

Bad Orb - Vor zwei Monaten badete Wolfgang Storck (45) im Beifall. 700 Menschen in der vollbesetzten Konzerthalle beklatschten begeistert die Bilder und Botschaft des Bürgermeisters, Bad Orb etwas vom Glanz jener Zeit zurückzuverleihen, als die Kurstadt im Spessart mehr Gästebetten als Einwohner und jährlich bis zu 1,5 Millionen Übernachtungen zählte. Beim offiziellen Spatenstich für das auf 23 Millionen Euro geschätzte "Chinesische Kurparadies" lobte Hessens Ministerin Silke Lautenschläger (CDU), ein tolles Projekt, mit dem die Stadt Maßstäbe auf dem Gesundheitssektor setzen und von denen das ganze Land profitieren könne.

Am Dienstag Abend kauerte Storck wie ein Häufchen Elend im Main-Kinzig-Forum. Dorthin hatte Landrat Erich Pipa (SPD) den Rathauschef und die Spitzenvertreter der Orber Parteien zitiert, um die Stadt und Storck vor dem ganz tiefen Fall zu bewahren. Denn seitdem sich im ZDF-Fernsehbericht "Wiso" am Montag die Projektbeteiligten gegenseitig Fehleinschätzungen vorwarfen und über Verantwortungen stritten, sind die vielen Ungereimtheiten um die "Chinesische Kurparadies Bad Orb GmbH" offen zu Tage getreten. Nun kann auch das beharrliche Schweigen Storcks zu wesentlichen Fragen nicht mehr vertuschen, wie das vermeintliche Vorzeigeprojekt finanziell abgesichert ist und wer es letztendlich betreibt. Pipa, erfuhr die FR, soll getobt, der Bürgermeister geheult haben.

Verträge unter Verschluss

Storck, der sich vor neun Jahren bei seiner Wahl zum Bürgermeister als Manager und Integrationsfigur empfahl, hat das von der örtlichen Akupunkturärztin Jin-Mei Wang erdachte Projekt als Chefsache weitgehend in Geheimdiplomatie vorangetrieben.Kritiker, die fragten, welche Bürgschaften für die im Erbbaurecht an die Kurparadies GmbH auf 66 Jahre und 30 Jahre Option abgetretenen Kurimmobilien existieren, verwies der Jurist auf unter Verschluss gehaltene Verträge. Falls das Projekt nicht realisiert werde, fielen die Liegenschaften an die Stadt zurück, beruhigte der ausgebildete Verwaltungswirt.

Doch seit Architekten und eine Baufirma ihre Arbeiten  begonnen haben, stehen die ersten Rechnungen ins Haus und es scheint nicht mehr so sicher, dass die Stadt sich  juristisch wasserdicht abgesichert hat. Das Geld solle Geschäftsführerin Wang aus China mitbringen, hieß es noch am Dienstag. Unmittelbar zuvor hatte Pipa in einem Brief an Wangs Ehemann Kurt Gruber die "stümperhafte Vorbereitung" gerügt und "einen Finanzierungsnachweis" gefordert. Schließlich ist alleine für den - wenn auch völlig unvollständig vorgelegten - Bauantrag (die FR berichtete) eine sechsstellige Bearbeitungsgebühr fällig. Gruber erklärte gestern, am 28. November um eine Fristverlängerung für die fehlenden Bauantragsunterlagen gebeten zu haben. In dem Schreiben ist von "technischen Änderungen" und "fiskalischen Erwägungen" die Rede.

Zu den angeblichen Planungsänderungen wie auch den finanziellen Problemen hat sich Storck bisher nicht geäußert. Immerhin könnten die Komplikationen erklären, warum der Bürgermeister auch zu Beginn der Woche keine Angaben darüber machen mochte, wann der Abriss des vor sechs Wochen geschlossenen Thermalbades geplant sei und warum bis heute überhaupt keine Arbeitsgenehmigungen für bis zu 150 chinesische Arbeiter beantragt wurden. Dabei wären die Papiere Voraussetzung für die von der Hessischen Arbeitsagentur beabsichtigte "arbeitsmarktpolitische Untersuchung". "Wir müssen feststellen, für welche Fertigkeiten Chinesen benötigt werden und was eventuell von heimischen Arbeitskräften zu leisten ist", verdeutlichte Direktor Wolfgang Forell noch einmal.Bankbürgschaft gefordert

Man mag sich vorstellen, wie der für seine lautstarke Kritik an Arbeitsagenturen und "Bürokratiemonstern" bekannte Pipa protestiert hätte, wäre dies der wesentliche Hinderungsgrund für das Bauprojekt in Bad Orb. So aber zeigt das Landratsamt selbst auffällig wenig Engagement zu diesem Thema. Die Möglichkeit, das Veto der Bundesarbeitsagentur eventuell über den Ermessensspielraum der Kreisbehörde nach dem Ausländergesetz auszuhebeln, ist gegenwärtig kein Thema - obgleich auch der Hanauer Agenturleiter Alexander Noblé diese Chance einräumt.

Jetzt müssten alle Verträge auf denTisch, brachte Kreispressesprecher Uwe Amrhein das Ergebnis des Krisengesprächs am Dienstag auf den Punkt. Nur noch Transparenz und Geschlossenheit könnten das Investitionsvorhaben in dieser kritischen Phase retten. Pipa, so erfuhr die FR, hat ein Ultimatum bis Montagabend gestellt. Sollten bis dahin keine Bankbürgschaften vorliegen, sei das Kurparadies allenfalls dann noch zu rettten, wenn ein professioneller Projektsteuerer und ein Treuhänder von außerhalb eingeschaltet würden.

Jörg Andersson

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Dokument erstellt am 14.12.2006 um 00:00:13 Uhr
Erscheinungsdatum 14.12.2006 | Ausgabe: R4 | Seite: 38