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Zapp
Adolf Grimme war ein
Mann mit
Mut. Unerschrocken engagierte er sich für die "Freiheit des
Wortes" -
ob im Widerstand gegen das NS-Regimes oder später als erster
Generaldirektor
des Nordwestdeutschen Rundfunks. Mit dem nach ihm benannten
Fernsehpreis des Deutschen
Volkshochschul-Verbandes sollen deshalb Sendungen und Filme
gewürdigt werden,
die im Sinne Adolf Grimmes vorbildlich sind. Doch wurde die Grimme-Jury
bei
ihren Entscheidungen für das Fernsehjahr 2006 ihren eigenen
Kriterien gerecht?
Nicht in allen Fällen - das zumindest behaupten einige Experten
und auch
Jury-Mitglieder. Am Freitag werden die Preise in Marl überreicht.
Zapp über die
Kontroverse um einen der begehrtesten Fernsehpreise.
Immer Dienstags auf "ProSieben" - ein zur Fernsehshow gewordenes
Brettspiel: "Extreme Activity". Christoph Amend, Redakteur "Die
Zeit": "Es ist offenbar ein neues Format. Wobei ich, als ich es das
erste Mal gesehen habe wirklich gedacht habe: Okay, man nimmt die
Montagsmaler
aus den frühen achtziger Jahren mit Siggi Harreis und tunet es auf
"ProSieben". Also, ganz innovativ finde ich es nicht." Jana
Hensel, Jury-Mitglied Grimme-Preis: "Da hat dann Verona Feldbusch
vorher
ein bisschen Lachgas eingeatmet und hat dann eben mit Lachgas
geantwortet. Das
war ganz witzig, ich habe mich dabei auch amüsiert. Aber einen
Preis, finde
ich, hat es nicht verdient." Doch jetzt gibt’s einen Preis - den
Grimme-Preis. Begründung: Das Ganze sei "höchst
vergnüglich",
"äußerst einfallsreich und originell". Und: Die Spielshow
verbünde
sich mit der Intelligenz ihrer Zuschauer. So etwas imponiert der
Grimme-Jury.
Uwe Kammann, Direktor Adolf Grimme Institut: "Man muss sagen ist das in
sich eine gelungene, handwerklich gut gemachte und mit einem Pfiff
sozusagen
zusätzlich veredelte Sendung. Und das finde ich kann man hier wohl
drin sehen,
und die Mehrheit hat es ja auch so gesehen." Christoph Amend: "Ich
habe mich auch gewundert. Ich glaube, Jürgen von der Lippe hat
sich
wahrscheinlich mitgewundert, dass er diesen Preis jetzt bekommen hat
für diese
Sendung. Es ist Montagsmaler auf Speed. Ich weiß nicht, warum das
ein
Grimme-Preis sein sollte." Jana Hensel: "Das sind schon elementare
Dinge, die Extreme Activity fehlen, und dafür das es den
Grimme-Preis bekommen
kann. Das ist eben der Anspruch. Mir fehlt da der Anspruch, mir fehlt
da die
Innovation - es kann einem dabei auch die Kreation fehlen, die
Kreativität."
Gute Unterhaltung?
Die Mehrheit ihrer Jury-Kollegen sieht das anders. Für sie ist
"Extreme
Activity" moderne, "gute Unterhaltung" - und besser als alle
anderen Unterhaltungsformate. Uwe Kammann: "Wir nehmen das Programm so
wie
es ist und versuchen da das zu finden, was, wie es in den Statuten
heißt, eben
vorbildhaft ist für die Fernsehpraxis. Und das kann man bei den
Privaten
genauso gut zu finden sein, wie bei denen, die längst etabliert
sind."
Jana Hensel: "Anspruchsvolle Unterhaltung findet im Privatfernsehen,
glaube ich, nicht statt. Und gleichzeitig ist anspruchsvolles Fernsehen
da, wo
es stattfindet, also auf 3Sat oder auf Arte, auch auf eine Art
wahnsinnig
langweilig geworden in den letzten Jahren. Da, finde ich, tut sich zu
wenig." Anspruch aufzuspüren und zu fördern, das hat sich
Grimme
eigentlich zum Ziel gesetzt. Und deshalb in diesem Jahr zum ersten Mal
Grimme-Preise auch für Unterhaltungs-Sendungen verliehen. Jana
Hensel:
"Die Jury im ersten Jahrgang ist an dieser Aufgabenstellung meiner
Meinung
nach gescheitert. Wir sind in die Falle getappt und haben ein Format
ausgezeichnet, was eben unterhält, unterhält, unterhält,
und den Anspruch dabei
vergisst oder keine Lust hat, kein Interesse am Anspruch hat.
Neu Ansprüche
Nach den Kategorien muss man in den nächsten Jahren suchen. Das
ist die Aufgabe
der Jurys in den nächsten Jahren." Uwe Kamann: "Das ist ja immer
ein
nicht zu Ende geführter Prozess. Das ist immer wieder neu, was man
mit einem
Preis auch erfindet, was man selbst an Kategorien, an begleitenden
Kategorien,
für besonders wertvoll erachtet. Also, insofern kann ich nicht
sagen, das ist
jetzt mit einem Male die Enddefinition von Unterhaltung - es ist eben
jeweils
wieder neu." Längst etabliert sind die Maßstäbe
für einen Grimme-Preis im
Informationsbereich. Unabhängig von Quotenerfolgen wird hier
Qualitätsjournalismus prämiert.
Kategorie Information
In diesem Jahr entschied sich die Jury auch für Beiträge von
"Monitor". Die Autoren hatten bezahlten Lobbyisten in verschiedenen
Bundesministerien nachgespürt. Ausschnitt "Monitor" vom
19.10.2006:
"Nur Einzelfälle? Keineswegs! Was bislang kaum einer wusste: Die
Bezahlung
durch die Industrie hat System. Monitor kennt über 30 Beispiele
dieser Art aus
den vergangenen vier Jahren." Bei "Monitor" freut man sich über
die Auszeichnung - betrachtet sie als Unterstützung für
anspruchsvollen
Journalismus genau zum richtigen Zeitpunkt. Markus Schmidt,
"Monitor": "Man muss es vor dem Hintergrund sehen: Die Magazine,
Politmagazine, sind gerade um eine Viertelstunde gekürzt worden in
einer
Programmreform, deren Erfolg zumindest umstritten ist. Und, ich glaube,
da geht
es den Juroren durchaus darum auch ein ganz klares Signal zu setzen:
Leute, ihr
spart an der falschen Stelle. Ihr beschränkt diese Form von
Journalismus, die
im besten Sinne aufklären will."
Kritik an der ARD-Programmpolitik?
Ein Grimme-Preis als Protest gegen die ARD-Programmpolitik, das
fände nicht nur
"Monitor" toll. Doch die Grimme-Jury liefert leider eine andere
Begründung. Uwe Kammann: "In diesem Falle hat es ein Team
geschafft einen
Vorgang, der den meisten nicht bekannt war und der gar nicht so einfach
ist
nach außen darzustellen war, ans Tageslicht zu bringen." Der
Preis also
für eine "Enthüllung".
Darüber
wundern sich viele, denn über Lobbyisten, die in Ministerien
arbeiten, wurde
schon berichtet - vor drei Jahren zum Beispiel auch bei "Report
Mainz". Ausschnitt "Report Mainz", vom 06.10.2003:
"Report-Recherchen haben ergeben, dass die Investment-Branche an diesem
Gesetzentwurf selbst mitgeschrieben hat - unter der gütigen
Aufsicht des
Finanzministeriums." Autor des Beitrags: Gottlob Schober. Birgitta
Weber,
Leiterin "Report Mainz": "Er hat damals einen Tipp bekommen, und
wir konnten nach einer breit angelegten und intensiven Recherche dann
im
Oktober 2003 über Lobbyismus im Finanzministerium berichten." Und
die
Verantwortlichen wurden von "Report Mainz" mit den Recherchen
konfrontiert.
Ausschnitt "Report Mainz" von 06.10.2003, Reporter: "Also, Ihre
Mitarbeiterin wurde ins BMF abgeordnet, hatte im Finanzministerium in
Berlin
eigenes Büro, das Gehalt von ihr wurde aber von Ihnen weiter
bezahlt?"
"Das ist richtig. Wir haben das Gehalt weiterhin bezahlt. Die
Mitarbeiterin hatte ein Büro im zuständigen Apparat in
Berlin."
Birgitta Weber:
"Der
damalige haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dietrich
Austermann,
hat eine Parlamentarische Anfrage gestellt, direkt nach Ausstrahlung
des
Berichts bei "Report Mainz". Und die hat hohe Wellen geschlagen,
darüber ist berichtet worden u.a. im "Spiegel" und in der
"Financial Times", und in vielen anderen Presseorganen." Kim
Otto, "Monitor": "Der "Report Mainz"-Beitrag war ganz
toll damals, erklärt aber nur ein Fallbeispiel. Ein Fall, wo
Mitarbeiter im
Bundesfinanzministerium von Banken drinsaßen, und dort aber an
einem Gesetz
mitgeschrieben haben. Erklärt aber nicht die Dimension, das
inzwischen 120
Unternehmen dort drinsitzen und an unterschiedlichsten
Gesetzgebungsprozessen
mitarbeiten. Trotz allem war der Beitrag lobenswert von "Report
Mainz".
"Diener zweier Herren"
Lobenswert auch sicher, dass sich weitere Journalisten mit dem
schwierigen
Lobbyismus beschäftigen und die unheimliche Macht der
"Strippenzieher" dokumentieren. Und auch Abgeordnete, wenn auch nur
wenige, haben Anfragen im Bundestag gestellt. Über eine davon hat
der
"Spiegel" im Juli vergangenen Jahres unter dem Titel "Diener
zweier Herren" berichtet. Initiator dieses Mal: Die Bundestagsfraktion
der
Linken. Hendrik Thalheim, Fraktionspressesprecher Die Linken: "Danach
gab
es vielfältige Kontakte, wir haben sehr viele Informationen
ausgetauscht,
"Monitor" hat, die Redaktion hat sehr viele Informationen auch von
uns bekommen. Auch von anderen Fraktionen, und auch natürlich
selber
recherchiert." Kim Otto: "Das ist jetzt nicht eine typische
Geschichte, wo man einen Insider hat, sondern wo man selbst so vierzehn
Wochen
dran sitzt, viel telefoniert und viele Quellen auch neu auftut und
anfragt.
Aber auch öffentliche Quellen, wie meinetwegen die Abgeordneten
des Deutschen
Bundestages."
Preiswürdige Recherche
Herausgekommen ist eine bemerkenswerte und sicherlich auch
preiswürdige
"Monitor"-Recherche. Die Autoren hatten auf jeden Fall besser
recherchiert als die Grimme-Jury für ihre Begründung. Uwe
Kammann: "Ich
würde das nicht ausspielen gegen anderes und sagen: Hat’s
vielleicht auch
schon mal gegeben, es war so. Übrigens kann es natürlich
immer passieren, dass
auch eine Nominierungskommission, die sich ja mit 400 Sendungen dann zu
befassen hat, wenn es um Information geht beispielsweise, so etwas
übersieht." Am Freitag werden hier in Marl die Preise
überreicht. Und alle
werden über Qualität im Fernsehen diskutieren und über
die Bedeutung von
Recherche. Markus Schmidt: "Es ist ein Preis für uns alle,
für alle
Indianer, die diesen Job machen, wühlen, irgendwas ausgraben und
auf den Sender
bringen."
Sendetermin
Mittwoch, 23.00 - 23.30 Uhr
Wiederholung
NDR Fernsehen
Freitag, 7.00 Uhr
3sat
Freitag, 15.30 Uhr
EinsExtra
Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, 0.20 Uhr
Donnerstag, 16.30 Uhr
Nacht von Freitag auf Samstag, 2.25 Uhr
EinsFestival
Nacht von Donnerstag auf Freitag, 4.00 Uhr
Freitag, 23.45 Uhr
Nacht von Freitag auf Samstag, 3.30 Uhr