Zurueck zur Vorseite
Zurueck zur Homepage
Süddeutsche Zeitung vom 01.12.2003

Thüga-Kleinaktionäre fühlen sich betrogen

Minderheit fordert deutliche Nachbesserung der vom Eon-Konzern angebotenen Barabfindung

etd München - Die Hauptversammlung der Thüga AG hat in der Nacht zum Samstag wie erwartet dem Zwangsausschluss der Minderheitsaktionäre zugestimmt. Über den ordnungsgemäßen Ablauf des außerordentlichen Aktionärstreffens und die endgültige Höhe der Abfindung für die Kleinaktionäre werden aber die Gerichte entscheiden. Am Ausgang der Abstimmung bestand aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kein Zweifel.

Der Energieversorger Eon hält rund 96,6 Prozent an der Thüga, deren Kerngeschäft die Beteiligung an kommunalen Versorgungsunternehmen ist. In einer, von einzelnen Teilnehmern durch Zwischenrufe, Polemik und Beschimpfungen gegen das Management aufgeheizten Atmosphäre kritisieren Aktionärsschützer und Kleinaktionäre die von Eon für den Zwangsausschluss (Squeeze-out) gebotene Barabfindung von 63,36 Euro je Stückaktie als "viel zu niedrig".

Die Bewertung der Thüga durch die Wirtschaftsprüfer BDO und Susat weise schwere Fehler auf, monierten Aktionärsschützer und Kleinaktionäre. BDO hatte den Unternehmenswert mit 50.23 Euro je Aktie ermittelt und dabei aufgrund der Marktenge der Aktie den Ertragswert herangezogen. Danach hatte Susat dann doch auf Basis der Börsenkurse die schließlich angebotene Abfindung von 63,36 Euro je Aktie ermittelt.

"Wir werden plump betrogen. Die Bewertung ist skandalös", äußerte ein Kleinaktionär. "Unter 100 Euro je Aktie, werde ich mich erst gar nicht mit Ihnen unterhalten", wandte sich ein anderer an Vorstand und Aufsichtsrat. "Dieser Preis ist lächerlich", kritisierte auch Christoph Öfele von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Die Bewertung der Enkelunternehmen der Thüga auf Grundlage des Buchwertansatzes sei nicht nachvollziehbar, da die Ertragsentwicklung von Beteiligungen, die seit Jahren zum Konzernkreis zählen, nicht berücksichtigt werde, kritisierte Danigla Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Thüga-Vorstandsvorsitzender Armin Geiß verteidigte die Bewertung. Einblick in die rund 130 Tochterfirmen, die in die Bewertung einflossen, verweigerte er.

Widersprüche protokolliert

Sowohl Bergdolt als auch Öfele äußerten Zweifel, dass im Falle der Thüga-Aktie eine Marktenge vorliege. Immerhin seien noch 2,9 Millionen Papiere an der Börse frei handelbar. Bergdolt zufolge hätten zudem drei Monate für die Berechnung des Börsenwertes genügt. Susat hatte in seinem Gutachten zwölf Monate herangezogen, weil die Liquidität der Aktie gering sei und diese im Vorfeld eines erwarteten Squeeze-out spekulativ beeinflusst worden sei. Das heißt mit anderen Worten, Käufe zu einem Kursanstieg geführt hätten. Der auf Anlegerklagen spezialisierte Rechtsanwalt Klaus Rotter hielt entgegen, dass die Kurssteigerung fundamental begründet und der Kurs künstlich niedrig gehalten worden sei. Im Verlauf der Hauptversammlung musste das Management einräumen, dass Eon selbst und andere Unternehmen des Konzerns im Zeitraum von August 2002 bis April 2003 mehr als 700 000 Thüga-Aktien verkauft hat. Dieses Vorgehen sei skandalös, sagte Christoph Schäfers, Vorstand der Falkenstein Nebenwerte AG. Auch er kritisierte die beiden Gutachter heftig. "Dass Susat nahezu alle vorgelegte Parteigutachten absegnet, habe sich inzwischen herumgesprochen. Deshalb werde Susat so gerne von Großaktionären vorgeschlagen." PSW, SdK und Kleinaktionäre wollen die Höhe der Abfindung nun in einem Spruchstellenverfahren gerichtlich klären lassen, Das Verfahren kann sich Monate hinziehen.

Das Aktiönärstreffen der Thüga endete in der Nacht zum Samstag nach mehr als 13 Stunden gegen 23.30 Uhr. Damit konnte Versammlungsleiter Johannes Teyssen, Aufsichtsratsvorsitzender der Thüga und Vorstandschef der Eon Energie AG, durch die Schließung der Rednerliste zwar gerade noch verhindern, dass die Veranstaltung schon aus formalen Gründen wiederholt werden muss. Die Thüga hatte ihre Aktionäre lediglich für den 28. November eingeladen, so dass die Hauptversammlung bis Mitternacht beendet sein musste. Es seien aber bei weitem nicht alle Fragen beantwortet worden, kritisiert Schäfers. Ihm zufolge gaben eine ganze Reihe von Kleinaktionären Widerspruch zu Protokoll, so dass im Nachklang zur Hauptversammlung auch mit Anfechtungsklagen zu rechnen ist. (Firmen des Tages)
 

Kommentar dazu

Süddeutsche Zeitung vom 01.12.2003

Schlechtes Kino

Unter Kleinaktionären geht der Spruch um: "Andere gehen ins Kino, wir gehen zur Hauptversammlung.." Es mag durchaus sein, dass wenigen Minderheitsaktionären die Vorstellung gefallen hat, die sich ihnen auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Energie-Holding Thüga bot. Jedenfalls quittierten sie Polemik und persönliche Beschimpfungen der Manager durch einzelne Aktionäre mit Gejohle und Zwischenrufen weitaus stärker, als sie der sachlichen Kritik von Aktionärsschützern und anderen Rednern Beifall bekundeten.

Einzelne Teilnehmer, die sich wie ein Robin Hood des Streubesitzes gerierten, zogen die Aussprache mit Diskussionen etwa über die Saaltemperatur in die Länge, Das Management beschädigte mit dem allzu zögerlichen Eingeständnis, dass Eon und Konzernunternehmen innerhalb des Referenzzeitraumes für die Ermittlungen des Börsenwertes in großem Stile Thüga-Aktien verkaufte, die eigene Glaubwürdigkeit. Versammlungsleiter Teyssen musste selbst so harmlose Auskünfte wie jene, wohin die Videoaufzeichnung übertragen werde, korrigieren.

Alles in allem war das, was Einzelne aus dem kleinen Tross des Aktionärsmobs, aber auch Vorstand und Aufsichtsrat zeigten, ein weiteres Armutszeugnis für die darbende Aktienkultur in Deutschland. Elisabeth Dosiert