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Artikel aus der jungen Welt vom 18.02.2005

Betrogene Betrueger

US-Investoren drohen deutschen Kommunen mit Schadenersatzklagen wegen geplatzter Cross-Border-Leasing-Geschaefte

von Werner Ruegemer

Das einst als Ausweg aus der Finanznot vieler Kommunen gepriesene Cross-Border-Leasing-Modell (CBL) fuer oeffentliche Versorgungseinrichtungen sorgt erneut fuer Turbulenzen. Das Handelsblatt vom Dienstag berichtete unter dem Titel "Hohe Finanzrisiken fuer deutsche Kommunen – US-Fiskus attackiert Leasing-Steuersparmodelle" ueber heftige Auseinandersetzungen zwischen US-Investoren und deutschen Staedten. Bisher spielte sich das Gerangel weitgehend hinter den Kulissen ab, denn Investoren und Staedte wollen nicht oeffentlich zugeben, dass sie jahrelang am Gesetz vorbei gehandelt haben.

Seit 1995 haben Hunderte europaeische Staedte, darunter auch viele deutsche ihre Klaeranlagen, Messehallen, Strassenbahnen und Schienennetze an US-Anleger verkauft und fuer 99 Jahre zurueckgemietet. Die Staedte erhielten einen "Barwertvorteil" von bis zu 40 Millionen Euro pro Deal, die Investoren konnten fuer diese (Schein-)Investition ein Mehrfaches an Steuergutschriften einstreichen. Die Vertraege, bis zu 2000 Seiten umfassend, wurden nicht ins Deutsche uebersetzt und den jeweiligen Ratsmitgliedern nur in Auszuegen und nur in nichtoeffentlichen Sitzungen gezeigt. Gerichtsstand fuer diese Vertraege ist New York, Sitz der Investoren ist immer die US-Finanzoase Delaware. Im November 2004 verfuegte der US-Kongress, dass es kuenftig keine solchen Steuertricks mehr geben werde. Dadurch wurden die Finanzbehoerden ermutigt, auch die bisher geschlossenen Vertraege, die mindestens noch bis 2020 (erst dann besteht die erste Kuendigungsmoeglichkeit) laufen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Letzte Woche einigten sich der Internal Revenue Service (IRS), die oberste Steuerbehoerde der USA, und das US-Finanzministerium, dass auch die bestehenden Vertraege gestoppt und den Investoren Bussgelder aufgebrummt werden koennen. Ein Vertreter des Finanzministeriums betonte, dass man jetzt weitere Steuereinnahmen erwarte.

"Es gibt Kommunen, bei denen bereits Unfaelle passiert sind", so aeusserte sich etwas nebuloes Arnd Buehner von der Wirtschaftspruefergesellschaft Ernst & Young. Er hatte in den vergangenen Jahren Dutzenden von Kommunen CBL-Vertraege empfohlen. Andere Berater berichten, dass die Investoren aussteigen wollen, da sie fuer ihre Milliardenbetraege jetzt keine Vorteile mehr erhalten. Die Investoren versuchen deshalb, den Kommunen Vertragsverletzungen nachzuweisen und Schadenersatz herauszuschlagen. Der wuerde um ein Vielfaches hoeher liegen als der "Barwertvorteil". "Das Unangenehme ist, dass die Faelle von Schadenersatz sehr abstrakt in den Vertraegen beschrieben werden", sagt Buehner.

Wenn zum Beispiel die Staedte die Vertraege an ihr Finanzamt weitergereicht haben, kann dies schon eine Vertragsverletzung sein, da die Staedte eine absolute Schweigepflicht unterschrieben haben. Anderes Beispiel: In den meisten Faellen haben die Oberbuergermeister, Kaemmerer und Mehrheitsfraktionen zur Beruhigung der Ratspolitiker und der Bevoelkerung schon bei Vertragsschluss erklaert, dass das mit den 99 Jahren Laufzeit nicht ernst gemeint ist, sondern die Stadt ihre Kuendigungsmoeglichkeit schon nach 30 Jahren wahrnehmen wird: Auch das kann als Vertragsverletzung interpretiert werden.

Die Anwaelte, Wirtschaftspruefer und anderen Berater weisen jetzt auf die Gefahren hin, die in den Vertraegen stecken, zu denen sie selbst geraten haben. Jetzt wollen die Berater mit "Risikoanalysen" ein zweites Mal verdienen, statt selbst zur Verantwortung gezogen zu werden. Einige Buergerinitiativen und ATTAC-Gruppen, die CBL-Vertraege zu verhindern suchten, wollen in verschiedenen Staedten jetzt genauer nachfragen, was sich hinter den Kulissen ihrer Stadtverwaltungen tut.

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