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"Zu weit gefasste Ausnahmeregelungen"

Der Datenschützer Thilo Weichert begrüßt die Pläne für mehr Rechte auf Akteneinsicht - doch er warnt vor einem "Verweigerungsgesetz"

Frankfurter Rundschau: Die Koalition hat sich auf Eckpunkte eines Informationsfreiheitsgesetzes geeinigt. Ist das der Durchbruch?

Thilo Weichert: Ich begrüße, dass ein grundsätzlicher Anspruch von Bürgerinnen und Bürgern auf Zugang zu Verwaltungsinformationen vorgesehen wird. Über das Kleingedruckte muss man aber noch intensiv diskutieren.

Zuvor die Frage: Was haben Herr Hinz und Frau Kunz von einem solchen Gesetz?

Bisher ist es so, dass alles, was im Verwaltungsbereich abläuft, als geheim anzusehen ist. Die Freigabe von Informationen erfolgt nach Gutsherrenart. Ziel eines solchen Gesetzes ist es, Verwaltung transparent zu machen. Das heißt, wenn die Anfrage keine schutzwürdigen Belange berührt, muss die nachgesuchte Information offen gelegt werden.

Wer sollte sich mit Aktenbergen auseinander setzen wollen?

Auf Landesebene haben wir in Schleswig-Holstein schon seit vier Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz. Allein in den ersten zwei Jahren gab es statistisch nachgewiesen - wir vermuten, dass die Zahl sogar noch höher ist - 2000 Anträge, von denen über 90 Prozent positiv beschieden wurden. Die Bürger wollen mehr wissen über die Ausweisung von Baugebieten, über die Berechnung von Gebühren, über die Zuteilung von Fördergeldern, über die Ausweisung eines Flughafens, über die Genehmigung einer Pipeline. Der Vorteil des Landesgesetzes - und diesem Prinzip folgt auch der Entwurf für die Bundesbehörden - besteht darin, dass keine Betroffenheit nachgewiesen werden muss. Interesse genügt.

Was könnte auf Bundesebene interessieren?

Im Streit um die Lkw-Maut hätte die frühzeitige Einsicht in die Verträge mit Toll Collect dazu beitragen können, Kosten zu sparen. Ein anderes, ähnliches Beispiel sind die umstrittenen Aufträge, die die Bundesagentur der Arbeit im EDV-Bereich vergeben hat, etwa zum Aufbau des virtuellen Arbeitsmarktes.

Zum Kleingedruckten des Entwurfs: Was ist nach Ihrer Ansicht daran auszusetzen?

Der Entwurf hat sehr weit gefasste Generalklauseln, die eine Auskunftsverweigerung rechtfertigen. So heißt es, dass "Belange der Inneren und Äußeren Sicherheit" oder eine angebliche Behinderung der "Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden" einem Informationsersuchen entgegengehalten werden können. Wenn das Gesetz seinen Zweck erfüllen soll - übrigens auch den, Korruption zu bekämpfen - dann ist das nicht akzeptabel. Denn gerade im Wettbewerbs- und Finanzbereich ist Korruption am weitesten verbreitet, also müsste doch gerade dort besonderer Einblick gewährt werden. Der Entwurf birgt die Gefahr, dass freier Informationszugang dort, wo er am wichtigsten wäre, am leichtesten unterbunden werden kann.

Aber Sie werden doch als Datenschützer nicht bestreiten wollen, dass interne Daten eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens nicht jedem zugänglich gemacht werden können?

Bei personenbezogenen Daten müssen laut Entwurf die schutzwürdigen Interessen der Menschen, die in den Akten registriert sind, und Informationsinteressen gegeneinander abgewogen werden. Eine entsprechende Abwägungsklausel gibt es bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht, und das ist falsch. Es darf nicht sein, dass grundsätzlich die Auskunft verweigert werden kann.

Wer soll abwägen?

Die Behörde. Nach Leitlinien, die der Bundesbeauftragten für Datenschutz entwickeln muss.

Bestreiten Sie, dass Informationen aus Ermittlungsakten nicht so ohne weiteres öffentlich gemacht werden dürfen?

Nein, nur: Dann soll man schreiben: "Informationen aus Strafverfahren dürfen nicht preisgegeben werden." Denn bei den allgemein gehaltenen Klauseln des Entwurfs kann jedes Argument als Grund für Informationssperre herhalten, wenn es nur irgendetwas mit Sicherheit zu tun hat. Sowas würde zwar durch die Rechtsprechung klein gearbeitet und eingeschränkt, aber zunächst werden alle Behörden ermuntert, sich auf diese Ausnahmeklauseln zu berufen.

Was halten Sie davon, dass die Geheimdienste befreit würden von jeglicher Verpflichtung, Informationen rauszurücken.

Nichts. Die ersten Entwürfe des Bundes hatten vorgesehen, dass komplette Ressorts ausgenommen werden. Das wurde zwar aufgegeben, dass es aber jetzt stattdessen riesige Behörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst geben soll, die ausgenommen werden sollen, ist genauso wenig akzeptabel. Die Dienste müssen in vielerlei Hinsicht geheim agieren, aber zugleich auch kontrollierbar sein. Das wird durch die Generalklausel konterkariert.

Nicht einmal Richtern gegenüber geben die Geheimdienste ihre Quellen preis…

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Interview

Thilo Weichert ist seit dem 1. September Datenschutz- beauftragter des Landes Schleswig-Holstein. Der Jurist Weichert, der früher für die Grünen im Stuttgarter Landtag gesessen hat, steht seit 1990 an der Spitze der Deutschen Vereinigung für Datenschutz. fr
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Es geht doch nicht um Quellenschutz. Es geht zum Beispiel ums Beschaffungswesen. Wenn eine neue Überwachungssoftware besorgt wird, dann muss die genau so ausgeschrieben werden, wie wenn die Bundeswehr Panzer beschafft. Auch hier muss es Wettbewerb geben, und dazu braucht es Transparenz.

Wenn Sie etwas über Panzerbestellungen wissen wollten, kommen Sie laut Entwurf auch nicht weit. Belange der Bundeswehr wären tabu.

Das Problem auch hier: Es reicht, wenn die Belange in welcher Weise auch immer berührt sind. Ich fürchte, dass durch diese Ausnahmeregeln aus dem Informationsfreiheitsgesetz ein Informationsverweigerungsgesetz wird.

Interview: Thomas Maron

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 03.10.2004 um 17:28:18 Uhr
Erscheinungsdatum 04.10.2004