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ANALYSE

Achtung, Informationsblockierer!

Der derzeitige Gesetzentwurf ist lau. Eine bessere Version könnte die Demokratie stärken: Allein die Chance, Originalakten anzufordern und Korruptionsmuster zu erkennen, würde präventiv wirken.

VON THOMAS LEIF UND MANFRED REDELFS

"Willst du, dass wir die Hosen komplett runterlassen?" Diesen Vorwurf schleuderte ein früherer Staatskanzlei-Chef seinem Parteifreund, einem Medienpolitiker, in kleiner Runde entgegen. Der hatte offenbar einen unverzeihlichen Fehler gemacht: Er sprach sich für ein Informationsfreiheitsgesetz aus und zog sich so den Zorn des "Chefs" zu. Ähnlich wird es wohl auch Otto Schily sehen: Seine Beamten bemühen sich mit großem Fleiß darum, dass bei dem rot-grünen Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit nur die "kleine Lösung" herauskommt.

Warum hat ein Gesetz, das bereits zwei Mal Teil der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün war und in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Berlin sowie weltweit in 50 Staaten reibungslos funktioniert, so viele Gegner? Die Begründung ist recht einfach: Das Informationsfreiheitsgesetz könnte mit seinem Transparenz-Versprechen wirklich etwas bewirken und am Ende die Demokratie beatmen.

Auch Journalisten könnten von einem Informationsfreiheitsgesetz profitieren, vor allem weil die "closed-shop-Mentalität" der Behörden langsam aufgelöst würde. Zwar können sich Journalisten - abgesichert in den Landespressegesetzen - seit jeher auf die Auskunftspflicht der Behörden berufen. Doch die tägliche Praxis sieht vor allem in Konfliktfällen anders aus. Die Pressestellen sind meist Agenturen zur Informationsverhinderung. Eingeräumt wird nur, was ohnehin schon bekannt ist, Interviewfragen müssen schriftlich eingereicht werden. Sie werden meist im Stil der "Kleinen Anfragen im Landtag" wortreich nicht beantwortet. Die Vorgaben in den Landespressegesetzen haben sich in den vergangenen Jahren mit gewaltigem Tempo umgekehrt: Der Informationsfluss bei relevanten Fragen wird immer dünner, während der PR-Strom bei den "weichen Themen" der Politik anschwillt.

Ein Informationsfreiheitsgesetz ohne taktische Einschränkungen würde es Journalisten erlauben, frühzeitig Akteneinsicht zu bekommen. Das Maut-Desaster wäre eher bekannt geworden, wenn Journalisten die Verträge analysiert hätten. Auch die Verträge zwischen Bundesagentur für Arbeit und PR-Agentur WMP wären für Journalisten zugänglich, wenn es ein wirksames Informationsfreiheitsgesetz gäbe. Der größte Vorteil für unsere Demokratie: Allein die Chance, Originalakten anzufordern, Querbeziehungen herzustellen und Korruptionsmuster zu erkennen, würde präventiv wirken.

Möglicherweise würde das Informationsfreiheitsgesetz die gesamte Atmosphäre für intensive Recherche beflügeln. Sicher ist, dass die Informationskultur in Deutschland wichtige Impulse bekäme. Der Abschied von "vertraulichen Vorgängen" und "abgeschotteten Akten" würde das Vertrauen der Bürger in den Dienstleister Staat wieder beleben. Darin liegt wohl der wichtigste Effekt eines Informationsfreiheitsgesetzes.

Doch die Chancen werden nur genutzt, wenn das Gesetz bürgernah ausfällt und tatsächlich mit der obrigkeitsstaatlichen deutschen Tradition des "Amtsgeheimnisses" bricht. Leider ist aufgrund des bisherigen Verhandlungsstandes zu befürchten, dass eine Mogelpackung herauskommen könnte: Im Gespräch sind weit gefasste Ausnahmeregelungen von der allgemeinen Transparenzverpflichtung, zum Beispiel bei laufenden Verfahren. Die pauschale Ausklammerung "laufender Verfahren" wäre ein Freibrief, gerade die Dinge geheim zu halten, an denen die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse hat, weil sie die aktuelle Politik betreffen und eine breite Debatte noch das Ergebnis beeinflussen könnte. Ein solides Informationsfreiheitsgesetz müsste die Ausklammerung laufender Verfahren mit besonderen Schutzinteressen begründen, etwa bei polizeilichen Ermittlungen, die nicht vereitelt werden sollen.

Ferner soll die Informationsweitergabe ausgeschlossen bleiben, wenn das fiskalische Handeln des Bundes berührt ist. Da jede Handlung einer Behörde auch fiskalische Folgen hat, denn irgendwie muss sie ja finanziert werden, käme das einem Freibrief für Informationsblockierer gleich. Sofern Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse privater Firmen betroffen sein könnten, sieht der Entwurf die Zustimmung dieser Beteiligten zur Aktenfreigabe vor. Eine Prüfung, ob die Einwendungen Dritter berechtigt sind oder ob das öffentliche Interesse an der Information schwerer wiegt, ist bisher nicht geplant.

Die Handschrift einer ängstlichen Ministerialbürokratie zeigt sich schließlich darin, dass bisher keine klaren Antwortfristen vorgesehen sind. Damit würde das deutsche Informationsfreiheitsgesetz auf einen Standard verzichten, der international längst selbstverständlich ist. Die Verwaltung droht somit, das positive Grundanliegen des Gesetzes in ihrem Säurebad aus restriktiven Detailregelungen aufzulösen. Sollte der Gesetzentwurf in der jetzt diskutierten Form verabschiedet werden, wäre dies ein Sieg der Informationsverhinderer: Deutschland würde sich bei der Informationsfreiheit vom letzten Platz auf den vorletzten vorarbeiten.

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Dokument erstellt am 03.10.2004 um 17:28:14 Uhr
Erscheinungsdatum 04.10.2004