Regierungsfraktionen bringen Gesetzentwurf zur Informationsfreiheit ein / Bürgerrechtler bemängeln Ausnahmekatalog
Die rot-grüne Koalition ließ Bedenken von Innenminister Schily (SPD) ins Leere laufen und brachte gegen dessen Willen ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in den Bundestag ein. Es soll allen den Zugang zu amtlichem Wissen der Behörden garantieren.
VON THOMAS MARON
Berlin · 17. Dezember · Auch die in einem Brief von Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier geäußerte Bitte, man möge das Gesetz wegen des Streits von der Tagesordnung nehmen, fiel auf fruchtlosen Boden. Die Regierungsfraktionen fahren damit einen neuen, harten Kurs gegen den Innenminister, dessen am Parlament häufig vorbei getroffene Entscheidungen in allen politischen Lagern auf heftige Kritik gestoßen waren. Schily wiederholte in der Debatte seine Kritik und kündigte weiteren Widerstand gegen das Projekt an. Auch wenn er das IFG nicht grundsätzlich verhindern wolle, so gelte doch der Grundsatz, dass "kein Gesetz so aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus kommt, wie es hineingegangen ist".
Dem Minister gehen die Informationsrechte, die Rot-Grün verankern will, zu weit. Fragwürdige Organisationen wie Scientology könnten, so Schily, sich einen Zugang zu amtlichen Informationen zunutze machen. Er kritisierte ferner, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte das Recht auf Informationszugang sichern soll und verwies zum Vergleich auf die Gewissensbisse, die einen Staatsanwalt heimsuchen würden, der zugleich als Verteidiger auftreten müsste. Zudem wiederholte der Innenminister seine Einwände gegen eine Fristsetzung zur Informationsausgabe.
Die Koalition zeigte sich jedoch gewillt, dem Minister ebenso zu trotzen wie den Unions-Forderungen nach weiteren Einschränkungen. Man sei, so der Innenexperte der SPD, Dieter Wiefelspütz, "dankbar für gut gemeinte Hinweise". Aber man werde sich das Projekt nicht "zerreden lassen". An den Innenminister gerichtet sagte er: "Bei allem Respekt, wir haben Veranlassung, auch das Thema Bürgerrechte in das Blickfeld unserer Arbeit zu rücken".
Offen für Veränderungen
Die Grüne Innenexpertin Silke Stokar zeigte sich offen für Veränderungen, aber nicht im Sinne Schilys, sondern ausgerichtet an den Forderungen der Bürgerrechtsorganisationen, denen die im Gesetzentwurf aufgenommenen Einschränkungen der Informationspflicht zu weit gehen. Transparency International, die Humanistische Union, der Deutsche Journalistenverband lobten zwar die Koalitionsfraktionen dafür, der Regierung die Stirn geboten zu haben. Zugleich verwiesen sie aber darauf, dass der Katalog der Ausnahmen ein viel zu breites Einfallstor biete, um Informationen zu verweigern.
Michael Bürsch (SPD) sagte in der Bundestagsdebatte, dass Deutschland in Sachen Informationsfreiheit hinterherhinke. So seien in mehr als 50 Staaten solche Gesetze bereits verankert. Zugang zu Verwaltungswissen motiviere zu verstärktem gesellschaftlichen Engagement, beuge Filz und Korruption vor und zwinge Behörden zu moderner Aktenarchivierung. Jörg Tauss (SPD) fügte an, in den vier Bundesländern, in denen ähnliche Gesetze bereits eingeführt worden seien, hätten die Landesbehörden durchweg davon profitiert.
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Dokument erstellt am 17.12.2004 um 16:44:25 Uhr
Erscheinungsdatum 18.12.2004