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Hoffen auf den freien Blick in die Akten
Die Grünen fordern seit Jahren
ein Informationsfreiheitsgesetz für Hessen, wie es der Bund und
andere Bundesländer bereits haben. Ein neuerlicher Gesetzentwurf
soll die Landesregierung umstimmen.
VON ANITA STRECKER (FRANKFURT)
Für die Frankfurterin Lelle Franz ist die Frage nach dem Nutzen
eines Informationsfreiheitsgesetzes eine rhetorische: Klar wäre
das eine feine Sache, wenn sich die Landesregierung endlich zum
verbrieften Informationsrecht für Bürger und damit zur
transparenten Verwaltung durchringen würde, sagt die Vorsitzende
der Aktionsgemeinschaft Westend. Mit einem solchen Gesetz hätten
sie und ihre Mitstreiter in den vergangenen 35 Jahren ihres Wirkens
wohl etliches an Nerven und Streit gespart. 35 Jahre Kampf gegen
Abrissbirnen, immer neue Bürotürme und den Erhalt der letzten
intakten Ecken der ursprünglichen Westend-Bebauung mit ihren
Gründerzeithäusern. "Wir sind auf die Gnade der Ämter
angewiesen, wenn wir wissen wollen, was genau ein Investor bei uns im
Westend mal wieder vorhat."
Doch viel zu oft, sagt sie, bissen sie bei Bauaufsicht oder Planungsamt
der Stadt auf Granit. Etwa bei der Frage nach Abbruchauflagen für
den 60er-Jahre Bürobau Friedrichstraße 48, der voller Asbest
stecken soll. Oder was die Bau- und Tiefgaragenpläne in einem
alten Hinterhofgarten Kettenhofweg 25 angeht, "wo offenbar viel
größer gebaut werden soll als im Plan steht". Oder was genau
der Investor für neue "barbarische" Umbauten an der
Liebigstraße 17 plant, einem der letzten neoklassizistischen
Häuser, die im Westend erhalten geblieben sind. "Wir erhalten nur
stückchenweise Informationen, werden immer wieder mit dem
Totschlagargument ,Datenschutz' abgewiesen."
Für Lelle Franz eine "Selbstherrlichkeit" der Ämter, die sich
offenbar eher den Wünschen der Investoren verpflichtet sehen als
Denkmalschutz, Erhaltungssatzung und den Interessen von Anwohnern, die
sich für ihr Viertel engagieren. Für die Frankfurterin ein
Paradoxon: Einerseits propagiert das Land Bürgergesellschaft und
Bürgerengagement, andererseits werden Bürger aber von allen
nötigen Informationen für Mitsprache und Transparenz
abgeschnitten, wenn es zu unbequem wird.
Ähnlich argumentiert der Datenschutzbeauftragte des Landes,
Michael Ronellenfitsch, seit Jahren. "Was unser politisches System von
anderen - zum Beispiel dem in China - unterscheidet, ist die Freiheit
der Meinung und der Information. Es muss ureigener politischer Wille
sein, diese liberale Fackel hochzuhalten." Den Pathos des Satzes meint
Ronellenfitsch durchaus ernst: "Je informierter ein Bürger ist,
desto nützlicher bringt er sich in die Gesellschaft ein." Vor
allem aber hätten die Bürger ein Recht darauf, sagt er.
Gleich ob es um Pläne geht, ein Cinemax in einem Dorf
hochzuziehen, um Baugenehmigungen oder um die Vergabe von Buslinien.
"Nicht für alle Vorhaben gibt es Bebauungspläne, und welcher
Busunternehmer von außerhalb weiß schon, wann ein Vertrag
mit dem angestammten Anbieter ausläuft?"
Bereits vor sechs Jahren haben die Grünen im Wiesbadener Landtag
den Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes vorgelegt, wie es die
Länder Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg und
Schleswig-Holstein inzwischen umgesetzt haben. Gestern haben sie erneut
mit einem Entwurf Anlauf genommen: "Die Funktionsfähigkeit einer
demokratischen Gesellschaft ist abhängig von der aktiven
Mitgestaltung der gesellschaftlichen Realität durch die
Bürgerinnen und Bürger", so die Begründung. Traurige
Realität sei jedoch, dass sich Verwaltungshandeln in Hessen
ausschließlich nichtöffentlich vollzieht. Informationen gibt
es nur von Staatsgnaden.
Den beliebten Hinweis auf Datenschutz oder Betriebsgeheimnisse
lässt ausgerechnet dessen oberster Hüter Michael
Ronellenfitsch als Gegenargument nicht gelten. Informationsfreiheit und
der Schutz persönlicher oder schutzwürdiger Daten sind
für ihn "zwei Seiten einer Medaille". Die "logische Aufgabe"
seines Amtes wäre, beides als offizieller Hüter und
Ansprechpartner sicherzustellen.
Er weist aber auch das bisherige Hauptargument der Landesregierung
zurück, dass es für die Verwaltungen zu teuer wäre, wenn
sie jede Bürgeranfrage beantworten müssten, Akten
zusammensuchen, kopieren und herausgeben, sensible Stellen
schwärzen oder sich darum bemühen, dass Private, die
öffentliche Aufgaben übernehmen, Informationen weitergeben.
"Spätestens wenn E-Government, also die geplante elektronische
Verwaltung umgesetzt ist, ließe sich der Zugang zu Informationen
relativ simpel bewerkstelligen." Außerdem gebe es Auskunft ja nur
auf Antrag, für den je nach Aufwand Gebühren zu zahlen sind.
"Es hat zwar noch niemand durchgerechnet, was es kostet, aber aus
Nordrhein-Westfalen oder den anderen Bundesländern mit
Informationsfreiheitsgesetz gibt es keine Klagen wegen der Kosten."
Eher wegen renitenter Verhinderer von Bauvorhaben, aber das, sagt
Ronellenfitsch, gehört zum Bekenntnis der Meinungs- und
Informationsfreiheit eben auch dazu.
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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 30.08.2006 um 19:56:01 Uhr
Letzte Änderung am 30.08.2006 um 20:33:46 Uhr
Erscheinungsdatum 31.08.2006
Grüne wollen mehr Rechte für Bürger
Erneuter Vorstoß für ein Informationsfreiheitsgesetz im
Landtag / CDU sieht "Bürokratiemonster"
Ein Informationsfreiheitsgesetz, das
den Zugang aller Bürger zu von Landes- und Kommunalbehörden
gesammelten Daten und Akten garantiert, haben die Grünen für
die nächste Landtagssitzung vorgelegt.
Wiesbaden - An der Mehrheit von CDU und FDP bei Enthaltung der SPD ist
in der letzten Legislaturperiode ein hessisches
Informationsfreiheitsgesetz gescheitert. Nun legte der innenpolitischen
Sprecher der Grünen, Jürgen Frömmrich, einen neuen
Gesetzentwurf vor. Damit solle auch in Hessen, wie im Bund oder bereits
in anderen Bundesländern, "den Bürgern ein allgemeiner
Anspruch auf Informationszugang ohne Nachweis eines rechtlichen
Interesses ermöglicht werden", sagte Frömmrich.
Bisher bestehe ein allgemeines Einsichtsrecht für jedermann seit
gut einem Jahrzehnt im Umweltbereich. Inzwischen hätten jedoch
mehrere Bundesländer, darunter Berlin, Nordrhein-Westfalen,
Hamburg und Bremen, ein weitgehendes Informationsfreiheitsgesetz
verabschiedet.
Auch in Hessen müsse der Anspruch auf Informationszugang der
Bürger im Sinne von "mehr Mitsprache, mehr Transparenz und mehr
bürgerschaftlicher Kontrolle des Verwaltungshandelns" gesetzlich
verankert werden, sagte Frömmrich.
Hessens Datenschutzbeauftragter Michael Ronellenfitsch, der wiederholt
das Fehlen eines Informationsfreiheitsgesetzes bemängelte, hat den
Gesetzentwurf der Grünen als "in der Sache richtig"
begrüßt.
"Je besser der Informationsstand der Bürger ist, desto höher
ist die Legitimation der von ihnen gewählten politischen
Repräsentanten", erklärte Ronellenfitsch zum Vorschlag der
Grünen. Auf Zustimmung stieß der Gesetzentwurf auch bei der
SPD. Deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Michael Siebel
sagte, ein solches Gesetz schaffe "Waffengleichheit zwischen
Bürger und Staat".
Während die FDP-Abgeordnete Nicola Beer eine Prüfung
versprach, "ob der Gesetzentwurf die geeignete Klammer zwischen
Datenschutz und Informationsrechten der Bürger sein kann", lehnte
die CDU-Innenpolitikerin Birgit Zeimetz-Lorz den Entwurf als "Schaffung
eines neuen Bürokratiemonsters" ab. Schon jetzt existierten
allgemeine Akteneinsichtsrechte in Fachgesetzen, wenn Bürger ein
"berechtigtes Interesse" nachweisen könnten. Der CDU fehle der
"Nachweis der Notwendigkeit des Gesetzes", begründete sie ihre
Ablehnung. gra
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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 30.08.2006 um 20:04:08 Uhr
Letzte Änderung am 30.08.2006 um 20:34:29 Uhr
Erscheinungsdatum 31.08.2006
EU zwingt zur Info-Freigabe
Umweltdaten müssen im Herbst zugänglich werden
VON ANITA STRECKER (FRANKFURT)
Seit Jahren wird diskutiert, im Herbst soll es aber endlich
Wirklichkeit werden - das Umwelt-Informationsfreiheitsgesetz für
Hessen: So schreibt es die Umweltinformationsrichtlinie der EU vom 28.
Januar 2003 vor, die Informationsfreiheit, Öffentlichkeitsarbeit
und damit auch eine größere Akzeptanz öffentlicher
Entscheidungen fordert. Der Bund hat die EU-Vorgabe Anfang 2005
umgesetzt, die Länder müssen eigene Gesetze und
Ausführungsbestimmungen für ihre Verwaltungen erlassen.
Hessen hat sich Zeit gelassen, die zweijährige Umsetzungsfrist
verstreichen lassen. Das übliche Geschäft, sagt
BUND-Umweltreferent Thomas Norgall. "Erst mal liegen lassen, bis die
Gefahr besteht, dass Brüssel tätig wird und Klage erhebt."
Möglicherweise, sagt der BUND-Sprecher, habe Hessen jetzt
gehandelt, weil die EU-Richtlinie wesentlich weiter geht, als der
Gesetzentwurf der Landesregierung es zulässt. Kurz vor der
Sommerpause wurde er noch diskutiert - und war heftig umstritten.
Norgall hält das Gesetz für wichtig. Das
Erörterungsverfahren zum Flughafenausbau sei der beste Beleg
dafür. "Ausbaugegner sind auf Informationen wie Flugaufkommen,
Lärmbelästigung oder Schäden für die Natur
angewiesen, um Einwendungen stichhaltig zu begründen." Das hat
selbst der Verwaltungsgerichtshof Kassel bestätigt, vor dem das
betroffene Chemiewerk Ticona sein Recht auf Information erstritten hat.
Die Notwendigkeit gelte aber auch für weniger gravierende
Projekte: "Etwa wenn es darum geht, wie viel Lärm mir eine neue
Straße oder ein neues Baugebiet bringt." Oder aktuell die von
Rhiel verhängten Durchfahrtsverbote für Lastwagen auf
Bundesstraßen in Nordhessen: "Das soll nur für Lastwagen
über zwölf Tonnen gelten. Für Bürger stellt sich
dadurch die Frage, wie viele Laster bleiben nun tatsächlich
weggesperrt, wie viele fahren dann trotzdem noch an meiner Haustür
vorbei?"
Auch Rechtsanwalt Tobias Kroll vom Informationsdienst Umweltrecht nennt
das Gesetz überfällig, wenngleich er am hessischen Entwurf
nicht mit Kritik spart: Ihm fehlen klare Fristen, bis wann ein Antrag
auf Auskunft zu erledigen ist, und klare Aussagen zu Gebühren, die
Bürger zu zahlen haben. Des weiteren sei der Behördenbegriff,
sprich wer Auskunft geben muss. "sehr eingeschränkt". "Staatliche
GmbHs, die ja immer mehr öffentliche Aufgaben übernehmen,
bleiben dabei außen vor." In dem Zusammenhang fehlt Kroll auch
die Amtsaufsicht über die Auskunftspflicht Privater, die
öffentliche Aufgaben wie Energieversorgung, Abfall oder
Öffentlichen Nahverkehr leisten. "Es wäre zum Beispiel sehr
spannend für Verbraucher, Näheres über die
Preisberechnungen eines Energiekonzerns zu erfahren."
"Bürger müssen ihr Recht
aufInformation erstreiten"
Fragen, die jedoch auch künftig leicht mit dem Hinweis auf
Betriebsgeheimnis abgebügelt werden könnten. Auch den Passus
der EU-Richtlinie, wonach Behörden die Pflicht haben, Bürgern
zu helfen, wenn sie wissen wollen, wo welche Infos zu haben sind, sei
in Hessen "lax gefasst". Und: Widerspruchsverfahren auf dem
Ämterweg fehlen im Entwurf ganz. "Statt eine Behörde als
Schlichter einzuschalten, müssen Bürger weiterhin ihr Recht
auf Information vor Gericht erstreiten." Das, sagt Kroll, dämpfe
die Motivation, auf Informationen zu bestehen.
Für den Datenschutzbeauftragten des Landes, Michael
Ronellenfitsch, sind dies alles Dinge, die er qua Amt regeln
könnte. Aber der Gesetzentwurf sieht ihn entgegen früherer
Planungen nicht mehr als offiziellen "Verbindungsmann" für den
freien Zugang vor. Ein Fehler, sagt er. "Bis zum Herbst kann man nur
auf Einsichtsfähigkeit vertrauen."
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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 30.08.2006 um 19:56:04 Uhr
Erscheinungsdatum 31.08.2006
Oberhessische Zeitung vom 31.08.2006
Grüne wollen mehr Transparenz für die Bürger
WIESBADEN (Ine). Hessens Grüne wollen den Bürgern Anspruch
auf Einblick in die Akten des Landes und der Kommunen verschaffen. Der
Landtagsabgeordnete "Jürgen Frömmrich legte dazu den Entwurf
für ein Informationsfreiheitsgesetz vor, der sich weitgehend am
seit Jahresbeginn für die Bundesbehörden geltenden Recht
orientiert. Informatiomzu-gang mache das Handeln der Verwaltung
transparenter und stärke damit die Teilhabe der Bürger, sagte
Frömmrich.
Auf der Grundlage eines solchen Gesetzes könnten die Bürger
beispielsweise nachvollziehen, .wie Müllgebühren und
Erschließungsbeiträge kalkuliert würden, wie
öffentliche Grundstücksgeschäfte angebahnt worden seien,
welche Erwägungen zur Schließung oder Verkleinerung von
Schulen führten. Entsprechende Regelungen gibt es bereits in
anderen Bundesländern. Lediglich von der hessischen
Landesregierung sei ihm keine Initiative bekannt, kritisierte
Frömmrich. Deshalb werden die Grünen ihren Entwurf im
September in den Landtag einbringen.
Email von Walter Keim mit einem Schreiben an die Fraktion der
Grünen
Sehr
geehrter Herr Frömmrich,
ich begrüsse es, dass Sie einen Gesetzentwurf für ein
Informationsfreiheitsgesetz Vorschlagen: http://www.gruene-fraktion-hessen.de/cms/presse/dok/145/145419.gruene_legen_informationsfreiheitsgesetz.htm
Hessen war die Wiege für den
Gedanken für Informationsfreiheit in Deutschland. Hessen war ein
Pionier beim Datenschutz. Der erste Datenschutzbeauftragte Professor
Simitis entwickelte in den 70-Jahren auch den Gedanken, dass der Bürger nicht nur Zugang zu seinen
eigenen Daten haben sollte (informationelle Selbstbestimmung) sondern auch Zugang zu Dokumenten der
öffentlichen Verwaltung. Das folge daraus, dass die
Meinungsfreiheit zuverlässige Informationen bedürfe. Dies hat
sowohl das höchste Gericht in Indien, Japan und Südkorea so gesehen
und den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung aus der
Meinungsfreiheit hergeleitet. Auch der jetzige
Datenschutzbeauftragte in Hessen schlägt ein
Informationsfreiheitsgesetz vor (Kapitel 2.1.2.2), "dass das Land Hessen wieder Anschluss an
die Spitzengruppe der Länder findet, die den freien
Informationszugang gewährleisten".
Hessen hat 1993 den Vorschlag gemacht, den Zugang zu Dokumenten der
öffentlichen Verwaltung im Grundgesetz zu verankern. Dieser
Vorschlag hat in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im
Jahre 1993 im Zuge der Diskussion um eine Änderung des
Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung schon eine Mehrheit
erreicht, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals
noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).
Unter der CDU Herrschaft hat Hessen abgewirtschaftet und ist zum
Schlusslicht verkommen. Ich hoffe, dass Ihre Initiative dazu
beiträgt, dass Hessen den Anschluss an die Entwicklung in
Deutschland und international findet. Entzwischen haben 8
Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet.
Mit freundlichen Grüssen,
--
Walter Keim