Schreiben der Attac Alsfeld an die Gemeindevertreter von Hirzenhain wegen geplanter Wasserver- und Abwasserentsorgung
Attac Deutschland - Attacgruppe Alsfeld/Vogelsberg
Hans-Georg Bodien
36323Grebenau,den 15.04.04
Finkenrain 3
Tel.: 06646/1230
An alle Mitglieder der Gemeindevertretung
Hirzenhain
Betr.: Wasserver-, Abwasserentsorgung (Verkauf)
Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich einleitend bemerken,dass sich die Hinweise auf Verträge bezüglich des von Ihrer Bürgermeisterin gewollten und daher von ihr besonders forcierten Verkaufs der wasserwirtschaftlichen Anlagen Ihrer Kommune auf die Musterverträge mit Stand vom 15.12.03 beziehen.Die modifizierten Verträge,die heute in einer nichtöffentlichen Sitzung des HFA behandelt werden,wollte Frau Pfannkuche mir nicht zukommen lassen.Vielleicht können Sie mir die Gründe für den Ausschluss der Öffentlichkeit nennen,geht es bei dieser Sitzung doch ausschließlich um öffentliches Eigentum,das verkauft werden soll.
An der fehlenden Akzeptenz der Grebenauer Bürgerinnen und Bürger und der bloßen Ankündigung eines Bürgerbegehrens durch die FWG-Fraktion im Grebenauer Stadtparlament scheiterte das ehrgeizig und zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit geplante Geschäft des Grebenauer Bürgermeisters - auch den Magistratmitgliedern und den Stadtverordneten waren die Informationsmaterialien und die Musterverträge der OVAG am Tag der Bürgerversammlung noch nicht bekannt - vor gut 2 Jahren,die Wasserversorgung der Stadt langfristig (30 Jahre) an die OVAG zu verpachten. Dieser Deal sollte besonders schnell über die Bühne gehen und als ein besonders gelungenes Husarenstück zur finanziellen Teilsanierung der platten Gemeindefinanzen den Grebenauern präsentiert werden.Hinzuzufügen ist hier noch,dass die OVAG der Kommune damals wegen steuerlicher Nachteile von einem Verkauf der Anlagen abriet.
Aus der Presse und eigenen Recherchen (auch Internet) haben wir kürzlich erfahren,dass verschiedene Kommunen im Vogelsbergkreis (z.B. Freiensteinau - hier hat sich eine starke Bürgerinitiative gegen die Weggabe der Wasserversorgung etabliert-,Feldatal ,Schotten (in Sachen Lautertal können wir noch keine exakten Aussagen machen)und im Wetteraukreis (z.B. Ortenberg,Hirzenhain)mit der OVAG (ZOV) bezüglich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung ins Geschäft kommen wollen.Kurz vor der Realisierung des Verkaufs der Wasserver - und Abwasserentsorgung an die OVAG(der ZOV tritt hier -wenn wir §8,3 des Kauf- und Übertragungsvertrages für die Abwasseranlagen und Wasserversorgungsanlagen richtig interpretieren - als bloßer Strohmann auf) steht dies auf besonderes Drängen der Bürgermeisterin bei Ihnen in Hirzenhain an.
Wir von Attac fragen uns in diesem Zusammenhang,inwieweit die HGO bei Bürgermeistern und sie tragenden Fraktionen ,die solche Deals anstreben,noch eine Rolle spielt.So ist in §109 der HGO zu lesen,dass die Gemeinde Vermögensgegenstände,die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht braucht,veräußern darf.Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen in diesem Sinne zu interpretieren,wäre ein erschreckender Beleg für eine extrem mangelhafte Identifikation mit öffentlichen Vermögensgegenständen,die zu Erfüllung der öffentlichen Daseinsvorsorge im Sinne des Gemeinwohls außerordentlich wichtig sind.§35 der HGO verp flichtet Sie mit Annahme Ihres Mandates besonders zu diesem Gemeinwohl.
Sehr geehrte Damen und Herren,§10 der HGO legt eindeutig fest,dass die Gemeinde ihr Vermögen und ihre Einkünfte so zu verwalten hat,dass die Gemeindefinanzen gesund bleiben.Wenn nun besonders Ihre Bürgermeisterin die Notwendigkeit des Verkaufs Ihrer kommunalen wasserwirtschaftlichen Anlagen mit dem maroden Zustand dieser Anlagen und dem fehlenden Geld für ihre Sanierung begründet,muss die Frage nach Versäumnissen in der Verganganheit in diesem Zusammenhang erlaubt sein,gerade auch was den Abwasserzweckverband angeht.Dies nun auszubügeln über den Verkauf Ihrer Anlagen an die OVAG,verbietet eigentlich die HGO(§10),denn eine Kommunalverwaltung soll das Eigentum ihrer Bürger verwalten und nicht verkaufen,Sie sind also Treuhänder des Vermögens der Bürgerinnen und Bürger.Mit Ihrem Mandat sind Sie diese Verpflichtung eingegangen.Hier ist die Frage zu stellen - sollten Sie trotz aller Vorgaben der HGO sich mehrheitlich für den Verkauf entscheiden - ob der Verkaufserlös Ihrer wasserwirtschaftlichen Anlagen zur Schuldentilgung verwendet werden darf oder ob er den Bürgerinnen und Bürgern auszuzahlen bzw. bei der zukünftigen Gebührengestaltung zu berücksichtigen ist ,die diese Vermögenswerte durch ihre Abgaben ja finanziert haben.Eine verwaltungsrechtliche Klärung wäre hier besonders notwendig.
In §1 Abs.2 der HGO heißt es: „Die Gemeinde ist eine Gebietskörperschaft.“Ihr besonderes Kennzeichen ist die Allzuständigkeit(§2).Die erforderliche Handlungsfähigkeit wird ihr durch das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet,das unmissverständlich in Art.28 Grundgesetz garantiert wird.So heißt es hier: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein,alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Dies betrifft besonders auch die Verantwortung für die Versorgung mit Trinkwasser - dem wichtigsten Lebensmittel überhauptDie Dienstleistung Wasser muss nach unserem Dafürhalten in der unmittelbaren Verantwortung der Einzelkommune verbleiben. Sie ist die originärste Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und - um es nochmals zu betonen - die wichtigste Säule des verfassungsrechtlich verbrieften Rechts auf kommunale Selbstverwaltung.Das bedeutet hohe Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern.Eine Weggabe dieser Verantwortung wäre gleichbedeutend mit einer Entdemokratisierung auf unterster Ebene.
Wer wären die Gewinner ,sollte der Verkauf Ihrer wasserwirtschaftlichen Anlagen realisiert werden ?
Nach unserer Einschätzung wäre dies zunächst die kapitalkräftige OVAG,die hier nicht aus sozialen Gründen eine weitere Anlagemöglichkeit gefunden hätte.Natürlich auch die Landkreise als Anteilseigener der Aktiengesellschaft.
Gewinnerin wäre aber auch Ihre Bürgermeisterin .So hätte Sie einen Prestigezuwachs zu verzeichnen,stünde sie doch als die dynamische Betreiberin der Entschuldung Ihrer Kommune in der Öffentlichkeit.Auch die Verschlankung Ihrer Verwaltung könnte sie ganz im Sinne neoliberaler Politik für sich als Erfolg verbuchen.
Ihr Ansehen würde besonders bei den Verantwortlichen von ZOV und OVAG wachsen,wäre doch Hirzenhain die erste Kommune,die ihre Wasserver - und Abwasserentsorgung auf den ZOV/die OVAG überträgt.Dies wäre sicherlich einer weiteren Karriere nicht abträglich.
Mit einer Entscheidung für den Verkauf würden Sie vor allem Ihrer Bürgermeisterin eine parlamentarisch legitimierte Reduzierung der Quantität der Arbeit und damit der Arbeitszeit bei gleichen Bezügen ermöglichen.,ein Unding ,wie wir meinen,bei den lautstarken Forderungen von Politikern und Arbeitgebern nach längerer Arbeitszeit ohne Lohnausgleich.
Verlierer eines Verkaufs wären auf jeden Fall die Hirzenhainer
Bürgerinnen und Bürger.
Wir wünschen Ihnen eine gewissenhafte ,dem Wohl
der Einwohner Ihrer Kommune dienende Entscheidung .
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Georg Bodien
für Attac Alsfeld/Vogelsberg