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Der Goldzauber ist vorbei

USA stoppen Praxis des Cross-Border-Leasings und bereiten deutschen Kommunen Sorgen, die davon profitierten

VON CORELL WEX

Auch Frankfurts U-Bahn-Netz war im Gespräch (ap)

Vor wenigen Tagen gab Joachim Erwin der Stadt Hamburg einen gut gemeinten Tipp. Via Zeitung erläuterte Düsseldorfs Oberbürgermeister den Hansestädtern, wie sie ihren defizitären Etat mittels Cross-Border-Leasing sanieren könnten. Was er anscheinend nicht wusste: Das Modell funktioniert längst nicht mehr. In den USA haben sich Senat und Repräsentantenhaus jeweils grundsätzlich auf Gesetzesvorschläge geeinigt, die das Aus für dieses Steuersparmodell bedeuten.

200 deutsche Partner

Cross-Border-Leasing (CBL) ist ein trickreiches Geschäft, das deutschen Kommunen Millionen Euros erspart - auf Kosten des US-Fiskus. Das Modell, auf das sich seit 1995 rund 200 deutsche Partner eingelassen hatten, steht für neue Interessenten nun nicht mehr zur Verfügung. Offen ist nur noch, ob es für bestehende Verträge Bestandsschutz geben wird. Darüber wird in den USA noch gestritten.

Die Dimensionen sind gewaltig: Allein 2001 wurden der öffentlichen Hand in den USA durch missbräuchliche Steuermodelle zwischen 82 und 112 Milliarden Dollar entzogen. Ein Beispiel: Die Wachovia Bank zahlte 2002 keine Steuern, obwohl sie 3,6 Milliarden Dollar Gewinn machte, weil sie zum Beispiel U-Bahn-Wagen in New York abschreiben konnte - und Bochums Kanalisation. Das Aus für CBL-Modelle ergab sich quasi nebenbei. Denn die aktuellen Vorlagen kamen aus einem ganz anderen Anlass zu Stande. Die USA mussten auf ein Gerichtsurteil der Welthandelsorganisation WTO reagieren, dem zufolge sie die spezielle Exportförderung nach dem "Foreign Sales Corporation Act" abzuschaffen haben. Dieses Gesetz von 1979 ermöglichte es Firmen wie Ford, General Motors oder Microsoft, ihre Ware über Briefkastenfirmen auf den Bermudas oder den Cayman Islands zu verkaufen - komplett steuerfrei. Zudem billigte das Gesetz grenzüberschreitenden Investitionen eine besondere Steuerförderung zu - die Grundlage für Cross-Border-Leasing.

Das Geschäft

Beim Cross-Border-Leasing vermietet eine Kommune oder Gesellschaft in öffentlicher Trägerschaft eigene Einrichtungen wie Verkehrsbetriebe, Wasserwerke, Müllverbrennungsanlagen oder Gebäude langfristig an einen US-Leasinggeber - meist Banken, Versicherungen oder Industriebetriebe - und mietet diese wieder zurück.

Aus deutscher Sicht bleibt das Eigentum der Kommune erhalten, aus US-Sicht aber handelt es sich um einen Kauf, der bislang steuerrechtlich geltend gemacht werden konnte.

Die Kommune erhält einmalig einen so genannten Barwertvorteil, der laut Düsseldorfer Landesrechnungshof rund drei bis sechs Prozent des Transaktionsvolumens ausmacht und den der Trust aus der Steuerersparnis aufbringt.

Zugleich verpflichtet sich die Kommune, die Einrichtungen im vereinbarten Volumen zu betreiben. Bei Vertragsverstößen muss die Kommune Schadenersatz leisten. Der größte Teil der Steuerersparnis entfällt auf den Trust. ap

Das Prinzip dieses fiktiven Leasings lautet: Kommunales Eigentum wird zur Steuerersparnis von Firmen aufgekauft und dann zurückgeleast. Seit den 90er Jahren wurden auch Verkehrsinfrastruktur oder Klärwerke in solche Leasings eingebracht. Die Geschäfte in Europa wurden durch die besondere Konstruktion so genannter Single Purpose Trusts möglich. Diese Briefkastenfirmen wurden in US-Steueroasen wie Delaware gegründet. Zur Konstruktion gehörte außerdem die Vertragsunterzeichnung in New York. Hier gilt seit 200 Jahren eine Regelung, nach der Verträge auch dann gelten, wenn sie dem Bundesrecht widersprechen sollten. So wurden Deals auch möglich gemacht, wenn die oberste US-Steuerbehörde sie nicht anerkannte.

So kompliziert der Vorgang rechtlich schon ist, so unübersichtlich wird er, wenn alle Beteiligten aufgezählt werden: oft ein Dutzend Banken und ebenso viele Zahlungsströme für Darlehen, Schulden oder Leasingraten. Besonders pikant: Bei dieser internationalen Steuerprellerei übernahmen in Deutschland öffentlich-rechtliche Banken eine Funktion als Schuldenübernahmebanken, etwa die Westdeutsche Landesbank, die Bayerische Landesbank oder die Hessische Landesbank .
Weiter Streit in den USA

In den USA geht die Diskussion über die Abschaffung von Steuerprivilegien auch nach einem Grundsatzbeschluss des Repräsentantenhauses weiter. Der Senatsausschuss für Finanzen und sein Vorsitzender Chuck Grassley, die die Initiative für den Kampf gegen missbräuchliche Steuermodelle initiiert hatten, wollen eine schärfere Regelung. Ihr Ziel ist, dass es keinen Bestandsschutz für frühere CBL-Verträge gibt. Und sie möchten erreichen, dass sie rückwirkend verboten werden, vom Stichtag 18. November 2003 an. Ihr Argument: Es habe sich um systematischen Steuerbetrug gehandelt.

Der Vermittlungsausschuss soll nun bis September einen Kompromiss erarbeiten zwischen dem vom Repräsentantenhaus gebilligten Gesetz und den Vorstellungen des Senatsausschusses. Die Version des Repräsentantenhauses war unter Einfluss der Leasingindustrie verwässert worden. Den Unternehmen wurden als Ersatz für gestrichene Abschreibungs- und Steuerfluchtmöglichkeiten niedrigere Steuersätze versprochen. Das führt dazu, dass der US-Fiskus von dem Gesetz nicht profitiert, sondern sogar noch 34 Milliarden Dollar drauflegen muss. Der Gegenentwurf aus dem Senat würde dem Staat 800 Millionen einbringen.

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 27.06.2004 um 18:05:21 Uhr
Erscheinungsdatum 28.06.2004