Zurueck zur Homepage
Zurueck zur Vorseite

Globale Informationsfreiheit

Das nachfolgende Schreiben von Walter Keim an das Niedersächsische Innenministerium gibt einen kurzen, aber weltweiten Überblick über Gestaltung des "Rechtes auf Informationsfreiheit. Der in Norwegen lebende deutsche Verfasser setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die für eine Demokratie notwendige Informationsfreiheit in seinem Heimatland (bis zum letzten Dorf) durchgesetzt wird.   


 ---Ursprüngliche Nachricht---


Absender: "Walter Keim" <fkeim@online.no>
Empfänger: <poststelle@mi.niedersachsen.de>
Empfänger: <uwe-schuenemann@t-online.de>
Betreff: Fällt Niedersachsen bei der Informationsfreiheit hinter den Balkan zurück?
 


--------------------------------------------------------------------------------

 in English on same subject: http://home.online.no/~wkeim/files/050731bl-en.htm

Wird der niedersächsische Landtag den Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa siehe Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280 fördern trotz der Verweigerung des Innenministeriums?

Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am Besten informiert ist. (Benjamin Disraeli)

Walter Keim, Email: wkeim@online.no
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 30. 5. 2006



Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport
Pressestelle
Lavesallee 6
D-30169 Hannover


Betreff: Verabschiedung von einem Informationsfreiheitsgesetz : Bietet das niedersächsische Innenministerium die Gewähr dafür sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen?


Sehr geehrter Herr Innenminister Schünemann,   

Ich beziehe mich auf Ihre Rede vom 27.5.06 im Landtag (Anlage 1)1 in der Sie ein Informationsfreiheitsgesetz ablehen: "Für die Bürgerinnen und Bürger ist damit kein wirklicher zusätzlicher Nutzen verbunden. In der Landesverwaltung und bei den Kommunen entstehen erheblicher Mehraufwand und weitere Kosten. Es ist daher kein Zufall, dass die meisten Bundesländer und der Bund kein Informationszugangsgesetz haben." (Anlage 2: PlPr 15/35 S.103-110)2

Das stimmt offensichtlich nicht mehr: In Deutschland haben nun sowohl der Bund (5.9.2005 BGBl. I S. 2722) als auch 6 Bundesländer zuletzt Ihre Nachbarländer Hamburg (beschlossen am 29.3.06) und Bremen (beschlossen am 11.5.06) Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet. In den Bundesländern Saarland (Drucksache 13/758, 1.2.06), Mecklenburg-Vorpommern (erste Lesung 8.3.06) werden solche Gesetzentwürfe noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Damit werden am Ende diese Jahres mindestens 8 von 16 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet haben, darunter die Nachbarländer NRW, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Die CDU in Hamburg hat das laut Plenarprotokoll 18/22 18. Wahlperiode am 19. 01. 05 (Tagesordnungspunkt 43) so begründet:

"Kai Voet van Vormizeele CDU: Herr Präsident, meine
Damen und Herren! Ich will ausnahmsweise einmal mit
einem Zitat anfangen, und zwar einem Zitat von Max
Weber, der sich mit solchen Dingen schon reichlich frühzeitig
beschäftigt hat. Ich finde, dass dieses Zitat hier gut
passt.
"Das Amtsgeheimnis ist eine spezifische Erfindung der
Bürokratie und nichts wird von ihr mit solchem Fanatismus
verteidigt, wie eben diese rein sachlich, nicht
motivierbare Attitüde."
(Beifall bei allen Fraktionen)

Recht hat der Mann. Informationsfreiheit gehört zu den
Menschenrechten. Sie ist nicht nur ein notwendiges Gegenstück
zu dem Recht auf Meinungsäußerung, sondern
unser höchstes Gericht hat schon sehr früh festgestellt,
dass Informationsfreiheit ein selbstständiges, eigenständiges
Grundrecht neben der Presse- und Meinungsfreiheit
ist."

In Europa fehlen im Wesentlichen nur noch Weissrussland und Russland bei Informationsfreiheitsgesetzen. Beide Länder verletzen damit ihre eigene Verfassung. Es ist kein Zufall, dass in Europa nur autoritäre Staaten ohne Informationsfreiheitsgesetze sind. Soll Niedersachsen wirklich in dieser Gesellschaft verbleiben? Alle Staaten des Balkans und im Kaukasus sind weiter als Niedersachsen auf diesem Gebiet.

In mehr als der Hälfte der mehr als 65 Staaten der zivilisierten Welt mit Informationsfreiheitsgesetzen ist die Informationsfreiheit auch in der Verfassung verankert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung. In mehr als 25 Ländern werden solche Gesetzentwürfe diskutiert. Auch in Deutschland war im Jahre 1993 in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im Zuge der Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung dafür schon eine Mehrheit vorhanden, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4). Im Grundrechte-Report 2006 ist Transparenz nach dem (Bundes-)Informationsfreiheitsgesetz aufgenommen.

Auch Artikel 19 (2) des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) enthält neben der Meinungsfreiheit die Freiheit "Informationen ... sich zu beschaffen" ("to seek information").

Dies ist der Hintergrund, dass die UN, OSZE und AOS in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 bestätigen, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Offensichtlich bietet Sie als Innenminister nicht die Gewähr dafür sich jederzeit für die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten einzusetzen, indem Sie aufgrund veralterter falscher Informationen zu falschen Schlüssen kommen.

In der EU wird sich die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (siehe COM(2005)280) der fundamentalen Rechte annehmen. Der Europarat arbeitet an einer bindenden Konvention zum Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat schon öfters Resolutionen verabschiedet in denen Länder aufgefordert wurden Informationsfreiheitsgesetze zu verabschieden.

Auch in Schleswig-Holstein, Berlin und zuletzt am 29.3.06 durch die CDU Fraktion in Hamburg haben Parlamente eigene Gesetzentwürfe zur Informationsfreiheit verabschiedet, obwohl Regierungen keinen Entwurf ins Parlament einbrachten. Dadurch wird obrigkeitsstaatliche Tradition durch Transparenz überwunden und Bürger auf gleicher Augenhöhe anerkannt.

Sowohl die CDU in Nordrhein-Westfahlen, Hamburg, Saarland und Bremen ist jedenfalls in der Lage gewesen für das Bürger- und Menschenrecht Informationsfreiheit zu stimmen. Deshalb möchte ich Sie auffordern hier durch neuere Entwicklungen vom Saulus zum Paulus zu werden.

Mit freundlichen Grüssen,   

Walter Keim
Informationsfreiheitsgesetz ohne Wenn und Aber: http://home.online.no/~wkeim/files/ifg-anhoerung.htm
Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten des Europarats nach Deutschland ein: http://home.online.no/~wkeim/files/coe-031128.htm  
Wird die OSZE die Informationsfreiheit fördern? : http://home.online.no/~wkeim/files/osce-050106.htm


Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), Landtagsfraktionen des Niedersächsischen Landtages, Innenministerium, Petitionsausschüsse der Bundesländer ohne Informationsfreiheit.

Anlage:

Informationsfreiheitsgesetz: Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.05.04; TOP 24 Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: http://www.niedersachsen.de/master/C3558978_L20_D0_I522_h1.html
Niedersächsischer Landtag PlPr 15/35 S.103-110: http://www.landtag-niedersachsen.de/infothek/steno/steno_15_WP/endber035.pdf
Promotion of Human Rights in Germany: http://home.online.no/~wkeim/files/pace-complaint.htm, http://home.online.no/~wkeim/files/echr-complaint.htm
Walter Keim
Promotion of Human Rights in Germany: http://home.online.no/~wkeim/files/pace-complaint.htm, http://home.online.no/~wkeim/files/echr-complaint.htm and http://home.online.no/~wkeim/files/petition-hr.htm
Petition Freedom of Information: http://home.online.no/~wkeim/petition_if-en.htm
Will local states in Germany approve Freedom of Information?: http://home.online.no/~wkeim/files/050731bl-en.htm
OSCE will monitor access to public documents: http://home.online.no/~wkeim/files/osce-050106.htm
Who invites the Human Right Commissioner to Germany?: http://home.online.no/~wkeim/files/coe-031128.htm
Why are Patients Rights insufficient? : http://home.online.no/~wkeim/accusation.htm
Fight the Nazi law of 1935: http://home.online.no/~wkeim/files/031213rberg-en.htm

------