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LINKE ZEITUNG

Stadtverwaltung in Gladbeck privatisiert

von Peter Weinfurth ,  14.03.2007

Baukonzern Hochtief  baut und betreibt Rathaus  - PPP als strategisch geplante Schuldenfalle zum Nutzen der Betreiber und Banken

In der Ruhrgebietsstadt Gladbeck hat der Hochtief-Konzern die öffentliche Verwaltung übernommen. Angeblich spart die Stadt beim "Rundum-sorglos-Paket"  monatlich 40000 €. Zwei Unternehmensberatungen hatten einen monatlichen Finanzbedarf von 184000 € berechnet. Hochtief bot 147000 € an.

Dazu dokumentieren wir eine Analyse des Gladbecker Architekten und Stadtplaners Alfred Luggenhölscher in der dieser nachweist, daß PPP-Modelle keinen Spareffekt bringen sondern  kostensteigernd wirken, den Staatshaushalt nicht entlasten, sondern langfristig extrem belasten.

Privatisiert wurde nicht nur der Bau des Rathauses inklusive Instandhaltung, Energieversorgung, Hausmeister, Toiletten und Fassadenreinigung, sondern die gesamte Verwaltung. Hochtief stellt die Möbel der Diensträume, Mitarbeiter dürfen aus Gründen der Reduzierung der Reinigungskosten keine Pflanzen mehr mitbringen. Die Wände sind kahl. Die Verwaltungsabläufe wurden von Hochtief „optimiert" und der Bau entsprechend geplant. Manager Schoen: "Abteilungen, die zusammenarbeiten, haben wir zusammengelegt." Den Betrieb der Kantine hat Hochtief an einen Pächter delegiert.  

Leider, so Schoen habe Hochtief noch keinen Zugang zu den Passwörtern der Computersysteme der Verwaltung. In Zukunft möchte Hochtief bei Bewerbungsgesprächen selber entscheiden und die Sekretariatsarbeiten übernehmen. Amtsleiter Schlüter ist aufgeschlossen für solche Wünsche: „"Ich würde ÖPP jederzeit wieder machen, auch bei anderen Projekten".

"Außerdem gelten für Hochtief andere Tarifverträge"
 
Obwohl Hochtief „natürlich Gewinn machen will" (konzernübliche Eigenkapitalrendite ist 14%), da das Ganze „sonst keinen Sinn macht",  kann der Konzern das Rathaus angeblich 14% billiger betreiben als die Stadt es in Eigenregie könnte.

Amtsleiter Schlüter erklärt den angeblichen Kostenvorteil der Stadt ganz offenherzig: "Außerdem gelten für Hochtief andere Tarifverträge". Mit „andere" meint er deutlich niedrigere.  Zudem habe Hochtief günstigere Einkaufspreise und könne Synergieeffekte nutzen.

Wird Gladbeck am Ende von Heuschrecken verwaltet ?

Die Stadt Gladbeck ist zwar nominell Eigentümerin des Rathauses, doch Hochtief hat  für 25 Jahre das Recht zur Nutzung. Nun berichtet die FAZ vom 31.1.07 über einen möglichen Kauf des Essener Baudienstleisters mit anschließender Zerschlagung durch die Investmentbank Macquarie.  Für den Fall eines Besitzwechsels gibt es Öffnungsklauseln, z.B. Vorkaufsrechte.  Es ist schwer vorstellbar, daß die überschuldete Stadt bei einem Eigentümerwechsel ihr Rathaus zum Heuschreckenpreis wieder zurück kaufen möchte.

Dokumentation:

Pleiten, Pech und Pannen oder strategisch geplante Schuldenfallen zum Nutzen der Berater, Betreiber und Banken?

Public Private Partnership - eine weltmännisch klingende Bezeichnung, die nicht zu Unrecht nach „Big Business" klingt. Am Beispiel des neuen Gladbecker Verwaltungsbaus werden Mechanismen deutlich, die das PPP-Modell in Frage stellen.

Behauptung:

In PPP-Modellen kann prinzipiell nichts preiswerter werden als bei einer Erstellung und dem Betrieb der Bauten in Eigenregie der Städte. Es findet nur eine Verschiebung vom Vermögens- in den Verwaltungshaushalt statt.

Die langfristigen Gesamtkosten für die öffentliche Hand steigen durch PPP

Wirtschaftsprüfer, Beratungsunternehmen, Banken und Betreiberfirmen haben kein Interesse an der Offenlegung der wahren Gesamtkosten einschließlich der erforderlichen Kreditkosten für die Miete bei bereits hochdefizitärer Haushaltslage der Kommunen.

Da die PPP-Mietzahlungen objektbezogen, also mit zunehmender Projektgröße naturgemäß steigen und dazu auf 25 Jahre gesichert sind, hat ein PPP-Betreiber im Gegensatz zur selbst planenden Kommune grundsätzlich kein Interesse an Einsparungen durch Flächen- und Volumenreduzierung am Neubau. Er wird das Projekt immer so groß planen, wie es gerade noch akzeptiert wird. Eine Untersuchung anderer, ggf. sparsamerer Lösungen findet nicht statt. Damit ist die wichtigste Möglichkeit für Kostensenkung bereits blockiert.

Bauzinsen können in PPP- Modellen nicht günstiger angeboten werden als bei Kommunalkrediten. Der betreibende Konzern muss den Bau ebenso finanzieren wie die Stadt bei Eigenregie. Also ist hier keine Einsparung möglich.

Der Bau selber kann durch PPP-Partnerunternehmen nicht preiswerter angeboten werden als eine gleichwertige Ausführung in Eigenregie der Kommune (Generalunternehmer einschl. Regiekosten oder Einzelgewerke): Die Sach- und Lohnkosten sind gleich. Also ist hier keine Einsparung möglich.
Betriebskosten: Bei gleicher Bauausführung sind Betriebs- und Reparaturaufwendungen prinzipiell gleich. Was der PPP-Unternehmer dem Mieter an Anfangsrisiko abnimmt, wäre auch durch die ansonsten fällige GUGewährleistung gedeckt. Spätere Schäden müssen sowohl vom PPP-Unternehmer als auch von einer das Gebäude selbst betreibenden Stadt einkalkuliert werden. Diese Rücklagensumme wird im Fall der PPP-Miete auch dann als Mietanteil in voller Höhe berechnet, wenn gar keine Schäden auftreten. Im Falle der Eigenregie wären diese Mittel echte Rücklagen (verzinst!) und später teilweise für andere Zwecke verfügbar. Richtig teure Renovierungen fallen erst nach einer Betriebszeit von 25 Jahren an. Dann wird jedoch das Gebäude wieder an die Stadt übergeben und diese hat damit auch das Kostenrisiko. Darüber hinaus sind für den Betriebs- und Instandhaltungskostenanteil in der Miete Gleitklauseln vereinbart. Also ist mit Mehrkosten zu rechnen..

Personalkosten könnten bei PPP-Betrieb nur durch Niedrig-Löhne gespart werden. Niedrig-Löhne würden auf dem Umweg über die Sozialhilfe letztlich wieder von der Kommune subventioniert Diese Subvention würde aber bei der PPP-Miete nicht an die Stadt zurückgegeben sondern mehrt nur den Gewinn des Betreibers. Weiter ist zu berücksichtigen, dass für den Betrieb stadteigenes Personal ohnehin für andere städtische Gebäude bereitgehalten werden muss und den Neubau ohne große Mehrkosten mit übernehmen könnte. Also ist mit Mehrkosten zu rechnen.

Finanzkosten: Der PPP-Unternehmer bringt selbstverständlich alle Zinskosten für den Neubau in den vereinbarten Mietzahlungen unter, damit die Kredite innerhalb des Mietzeitraums vollständig getilgt werdenkönnen. Darüber hinaus gibt es eine Gleitklausel zur Anpassung der Miete bei steigendem Zinssatz. Hat die Kommune keine Mittel für einen Bau in Eigenregie (in der Regel ja der Grund für PPP-Projekte...), so muss sie die Miete (mit den darin bereits enthaltenen Kreditkosten) über eine Kreditaufnahme finanzieren. Die Kommune zahlt also doppelt Zinsen! Die Mehrkosten sind erheblich!

Beleg: Verwaltungsneubau Gladbeck 2005


Zu Punkt 1)

In den Voruntersuchungen wurde nicht ernsthaft versucht, die Größe des Gebäudes wirksam zu begrenzen. Die Beraterfirma Ernst & Young hat die Variable „Gebäudegröße" nicht in die Voruntersuchungen einbezogen. Man realisiert ein überdimensioniertes Gebäude, obwohl die ursprüngliche Zielvorgabe der Stadt eindeutig überschritten wurde: Statt 9.000m² BGF wurden 10.940m² BGF geplant. Statt der normal erforderlichen 10-12 qm / Arbeitsplatz für 315 Mitarbeiter zu je 12qm ergäben sich erforderlich nur 3780m² Bürofläche. Die Stadt plant nun 7655 m² Bürofläche (durch Gutachten belegt!) , also über 20 m² pro Arbeitsplatz. Damit ist die Überdimensionierung des Neubaus klar erwiesen. Vorschläge zur Reduzierung des Bauvolumens wurden nicht geprüft.

Auch die Kommunalaufsicht sah sich nicht veranlasst, Gebäudedimensionierung und Kostenangaben für den PSC (Public Sector Comparator  Vergleichswert für die Errichtung und den Betrieb in Eigenregie) zu prüfen. Der PSC wurde sehr hoch gerechnet, offenbar mit dem Ziel, diesen Weg als ungeeignet auszuschließen. Trotzdem lag der PSC nur knapp über den Werten für PPP-Erstellung. Die Beratung hätte hier auf mögliche weitere Einsparungen im Falle der Eigenerstellung durch die Kommune hinweisen und dann einen Bau in Eigenregie mit (lt. Gutachten) geringerem Bauvolumen empfehlen müssen. Auch auf die im Falle eines PPP-Vertrages anfallenden zusätzlichen Kreditkosten (ca. 100 Mio Euro! vergl.Punkt 6) wurde nicht hingewiesen. Die Stadt hat für ihre Kostenermittlung vorliegende Alternativ-Pläne nicht beachtet die (bei Erfüllung aller Programmanforderungen) deutlich weniger Bauvolumen, Fassaden- und Auskühlungsfläche nachwiesen.

Zu Punkt 2)

Die Betreiberfirma Hochtief erklärte, dass ihre Kredite gleich günstig seien, wie entsprechende Kommunalkredite. Also nicht günstiger. Keine Ersparnis durch PPP!

Zu Punkt 3)

Die Betreiberfirma Hochtief hätte das Gebäude auch als Generalunternehmer erstellen können. Fundierte Vorschläge zur Reduzierung des Bauvolumens wurden Ignoriert. Keine Ersparnis durch PPP! Kosteneinsparung wurde blockiert. Durch Vertragsmodifizierung wären erhebliche Kosteneinsparungen möglich, dies wurde jedoch bisher nicht versucht.

Zu Punkt 4 und 5)

Die Betriebskosten für das neue Gebäude werden mit 33% der PPP-Miete, also ca. 600 000 € jährlich, angegeben. Diese Kosten liegen um 50% höher als die von der Stadt angegebenen Betriebskosten für die abgerissenen Bürotürme mit ähnlicher Nutzfläche, die schlechtere Wärmedämmung, mehr Energiekosten, schlechteren Bauzustand und höheren Reparaturaufwand hatten als der Neubau. (Für das gleiche Geld sind übrigens derzeit alle ausgelagerten Dienststellen in bestehenden Gebäuden untergebracht. Statt derzeit 50 000 Euro im Monat (Miete + Betriebskosten!) werden für den Neubau 147 000 Euro monatlich fällig. Der Neubau mit den dreifachen Kosten der funktionstüchtigen Auslagerung war schon deshalb eine Fehlentscheidung im Hinblick auf sparsame Haushaltsführung.) Dies belegt die These, dass durch PPP- Modelle erhebliche Kostensteigerungen auftreten und Einsparmöglichkeiten unter den Tisch gekehrt werden..

Zu Punkt 6)

In der an den PPP-Betreiber zu zahlenden Miete von ca. 44 Millionen Euro für 25 Jahre sind bereits alle Kreditkosten der Betreiberfirma untergebracht.

Da die Stadt Gladbeck keine Eigenmittel für die Mietzahlungen zur Verfügung hat, müssen Kommunalkredite aufgenommen werden, die bei einem durchschnittlichen Zinssatz von 5,5% in den 25 Jahren der Mietzahlung durch Zinseszins auf ca. 100 Millionen Euro Schulden anwachsen werden.

Während bei Eigenerstellung das Gebäude nach ca. 25 Jahren abgezahlt und die Kredite getilgt wären, häuft sich bei PPP für die Kommune ein Schuldenberg von fast 100 Millionen Euro an. Bei fortdauernder Zahlungsunfähigkeit der Kommune könnte dieser Schuldenberg in weiteren 25 Jahren auf ca. 400 Millionen Euro anwachsen.

Statt der in der offiziellen Bewertung des Projektes behaupteten Spareffekte von 14% durch PPP sind ganzheitlich betrachtet enorme Kostensteigerungen die Folge.

Der Fall Gladbeck belegt in allen Punkten die These:

PPP-Modelle bringen keinen Spareffekt sondern wirken kostensteigernd. Der Staatshaushalt wird nicht entlastet, sondern langfristig extrem belastet. Die üblichen Bauabläufe (Architektenwettbewerb, GU oder Einzelgewerkausschreibung und Eigenfinanzierung über Kommunaldarlehn) sind insgesamt gegenüber dem PPP-Verfahren schon durch Wegfall der Doppelverzinsung um bis zu 50% kostengünstiger. Die behaupteten Effizienzgewinne der Funktionalausschreibung werden durch Überdimensionierung und Zinseffekte ins Gegenteil verkehrt.

In Gelsenkirchen wurde, der Not gehorchend, jüngst ein PPP-Vertrag für das Hans-Sachs-Haus gekündigt. Hier wäre analog zu den Gladbecker Daten ohne die Kündigung, ausgehend von ursprünglich 3,5 Millionen (nach den zuletzt diskutierten Werten 10 Millionen) Euro Jahresmiete, in 25 Jahren ein Schuldenberg von 200 bis fast 600 Millionen Euro angefallen!

Gemeindeordnung NW §75 (auch von Beratern zu beachten) :

(1) Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Haushaltswirtschaft ist wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen.

(6) Die Liquidität der Gemeinde einschließlich der Finanzierung der Investitionen ist sicherzustellen

(8) Die Gemeinde darf sich nicht überschulden. Sie ist überschuldet, wenn nach der Bilanz das Eigenkapital aufgebraucht wird.

Wenn bei jedem der derzeit mindestens 300 PPP- Projekte in der BRD analog zum Fall Gladbeck „nur" 100 Millionen Euro zusätzliche Schulden durch doppelte Zinsbelastung und die übrigen preistreibenden Effekte entstünden, ergäben sich in 25 Jahren (nicht gerechnet die weitere Zunahme von PPP-Projekten) bundesweit ca. 30 Milliarden Euro Schulden.

Vergleich mit den Etatansätzen des Bundes für 2006:

- Familienpolitik 3,386 Mrd.

- Wohngeld 0,770 Mrd.
 
- Hochschuletat 1,230 Mrd.

- regionale Wirtschaftsförderung 0,818 Mrd.

- Wohnungsbauprämien 0,525 Mrd.

- Aufwendungen zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes 0,680 Mrd. sonstigen Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft 0,457 Mrd.

- Wirtschaftsförderung Energie 1,987 Mrd.

- sonstigen sektoralen Wirtschaftsförderung 0,460 Mrd.

- Technologieförderung Forschung und Mittelstand 0,627 Mrd. Bundeswasserstraßen 1,476 Mrd.

- Bundesfernstraßen 5,117 Mrd. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden 1,667 Mrd.

- Wohnungs- und Städtebau 1,593 Mrd.

- Ausbildungsförderung 1,330 Mrd.

- berufliche Bildung 1,416 Mrd.

- Kulturetats 1,418 Mrd. Umweltschutz und Sport 0,614 Mrd.

?? Diese Summe und ihre Verhältnismäßigkeit zu anderen Haushaltsansätzen sollte Anlass sein, das PPP-Modell in seinen Gesamtauswirkungen genauer zu hinterfragen und bereits in den Vorphasen mögliche Einsparpotentiale sowie die Richtigkeit der Zielvorgaben und des PSC unabhängig von Beraterfirmen durch die Kommunalaufsicht zu prüfen. Da die PPP-Defizite der Kommunen und der Länder letztlich vom Bund ausgeglichen werden müssen, wären weitere Steuererhöhungen unvermeidlich.

Mit dem eingesparten Geld durch Verzicht auf PPP- Vorhaben könnte eine Vielzahl anderer Projekte finanziert werden, was auch neue Aufträge für die Bauwirtschaft bedeutete Das bewährte Verfahren über Wettbewerb, Optimierung und Erstellung in Eigenfinanzierung der Kommune verursacht keine Mehrkosten sondern bewirkt hohe Einsparungen für die Gesamthaushalte der Kommunen, Länder und des Bundes.

Weder Architekten noch Bauunternehmer hätten irgendwelche Nachteile zu befürchten. Auch bei Erstellung der Projekte in Eigenregie hätten diese Gruppen ihre Aufträge. Es könnten durch bessere Finanzlage der Auftraggeber langfristig sogar mehr werden!

In erster Linie würden Zinsen vermieden, die nicht etwa einen positiven Effekt für Arbeitsmarkt und gewerbliche Wirtschaft haben, sondern im Gegenteil nur volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.

Wenn nicht umgehend die notwendigen Korrekturen und schärferen Prüfungen anstehender Projekte beschlossen werden, sind Steuererhöhungen und damit eine weitere Belastung von Konjunktur und Arbeitsmarkt unvermeidlich.

Zur Wahrung öffentlicher Interessen sind alle PPP-Verträge grundsätzlich in Frage zu stellen, künftige Verträge möglichst zu vermeiden und bestehende Verträge nach Möglichkeit umzuwandeln in GU-Aufträge.

http://www.mbi-mh.de/PPP-Pleiten-Pech-Pannen.pdf